Hohes Haushaltsdefizit sorgt für Zoff und Babiš zeigt sich leicht indigniert
Seit knapp zwei Jahren lenkt die Minderheitsregierung aus Partei Ano und Sozialdemokraten die Geschicke des Landes. In seiner Politik konnte das Kabinett bisher viele Hürden nur deswegen überspringen, weil es sich von den Kommunisten tolerieren lässt. Nun aber liegt ein solch großer Brocken auf dem Weg, vor dem sich auch die Kommunisten scheuen: ein Haushaltsdefizit von einer halben Billion Kronen – also 18,8 Milliarden Euro.
Und an diesem Paket scheiden sich derzeit die Geister. Während die Regierung nicht müde wird zu betonen, dass das viele Geld gebraucht wird, um in der Nach-Corona-Zeit die Wirtschaft und weitere wichtige Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wieder in Gang zu bringen, zieht die Opposition die Notbremse. Schon zweimal hat das Abgeordnetenhaus während des Notstands eine Vergrößerung des Haushaltslochs bewilligt, zuletzt auf 300 Milliarden Kronen (11,3 Milliarden Euro). Nun aber soll das Defizit fast noch einmal verdoppelt werden, und das zudem im Eilverfahren während des legislativen Notstands. Da machen einige Oppositionsparteien grundsätzlich nicht mit, unter anderem die konservative Top 09. Fraktionschef Miroslav Kalousek:
„Die Regierung hat nicht einmal den symbolischen Versuch unternommen, zuerst bei sich selbst und ihren Beamten zu sparen. Deshalb ist dieses Defizit für uns inakzeptabel.“
Außerdem wurde vor allem bemängelt, dass die Regierung bisher noch nicht klar ausgewiesen habe, in welcher Höhe und in welchen Bereichen konkret sie die Gelder für die Überwindung der Corona-Krise einsetzen wolle. Zu diesen Kritikern gehören etwas überraschend auch die Kommunisten. Nach seinem Treffen mit Premier Andrej Babiš (Partei Ano) sagte Kommunisten-Chef Vojtěch Filip am Dienstag vor Journalisten:
„Babiš hat mich nicht überzeugt, denn das Defizit kommt uns wirklich sehr hoch vor. Zudem ist bislang nicht klar, wofür die Mittel eingesetzt werden. Uns fehlt dazu ein Investitionsprogramm. Und wir haben Mittel entdeckt, über die die Regierung frei verfügen könnte, ohne dass sie vom Parlament kontrolliert würden. Das gefällt uns gar nicht.“
Angesichts dieses Korbs der Kommunisten reagierte Babiš am Dienstag leicht indigniert. So sprach er von den Konsequenzen, sollte die Haushaltsaufstockung nicht bewilligt werden. Babiš brachte sogar vorzeitige Neuwahlen ins Spiel. Als er aber von Journalisten darauf angesprochen wurde, machte er einen halben Rückzieher:
„Ich möchte keine vorgezogenen Neuwahlen. Falls es unserer Regierungskoalition aber nicht gelingt, den Haushalt durchzusetzen, den wir für notwendig halten, dann könnte diese Frage natürlich auf dem Tisch liegen.“
Auf Twitter ergänzte Babiš später seine Äußerungen und schloss Neuwahlen aus. Bei den nachfolgenden Verhandlungen im Abgeordnetenhaus aber gab sich der Regierungschef dann wieder kämpferisch:
„Ich habe das nicht ausgeschlossen, und es ist entschieden so, dass ich Neuwahlen nicht fürchte. Im Gegenteil, ich habe Wahlkampagnen gern.“
Da war Andrej Babiš noch der guten Hoffnung, dass im Parlament zumindest eine Debatte über den Änderungsvorschlag der Regierung zum diesjährigen Haushalt abgehalten würde. Doch es kam anders: Auf Empfehlung des Haushaltausschusses des Abgeordnetenhauses wurde beschlossen, diesen Punkt nicht zu behandeln. Die Reaktion des Premiers fiel entsprechend harsch aus:
„Das ist eine Entscheidung gegen die Bürger unseres Landes, gegen die Gemeinden, gegen die Kreise, gegen die Bürgermeister, gegen alle. Das ist absoluter Unsinn. Das muss noch in der Zeit des legislativen Notstands behandelt werden. Denn ansonsten warten wir so lange auf das Geld, bis es von allen genehmigt ist – vom Parlament bis hin zum Präsidenten. Und das braucht Zeit.“
In persönlichen Gesprächen mit Premier Babiš und Finanzministerin Alena Schillerová (parteilos) hat Präsident Miloš Zeman bereits zugesagt, dass er diesem Defizit zustimmen werde, wenn es sich dabei um einen „Pro-Investitionshaushalt“ handle. Doch es gibt auch zwei Parteien, die unter Umständen bereit wären, den Änderungsvorschlag der Regierung zu unterstützen. Neben den Christdemokraten sind dies die Piraten. Aber nur unter Erfüllung gewisser Bedingungen, sagte der Abgeordnete und Vizechef des parlamentarischen Haushaltsausschusses, Mikuláš Ferjenčík:
„Wir wollen sicherstellen, dass den Gemeinden ihre Verluste auf gerechte Weise kompensiert werden. Ebenso wollen wir gewährleisten, dass auch jene Menschen eine staatliche Unterstützung erhalten, die bisher nicht berücksichtigt wurden, obwohl sie von der Krise stark betroffen sind. Wir meinen damit auch die Leute, die auf Vertragsbasis gearbeitet und ihre Versicherung gezahlt haben – auch sie sollten eine Kompensation erhalten.“
Besonderer Hintergrund des Engagements der Piraten ist dabei: Sie wollen den Kommunisten nicht erneut die Möglichkeit bieten, das Zünglein an der Waage zu sein, wenn über die Geschicke des Landes entschieden wird. Am Dienstag ist der erste Versuch fehlgeschlagen, den Haushaltsentwurf durchzubringen. Finanzministerin Alena Schillerová aber hat für den kommenden Mittwoch bereits eine Sondersitzung für den zweiten Versuch beantragt.