Pfarrer, Politiker, Rocker: Svatopluk Karásek ist tot
Der tschechische evangelische Priester, Politiker und Dissident ist am Sonntag im Alter von 78 Jahren verstorben.
Svatopluk beziehungsweise Sváťa Karásek schloss 1968 sein Studium der evangelischen Theologie in Prag ab. Nur fünf Jahre lang konnte er aber als Pfarrer tätig sein, dann verhängte das kommunistische Regime ein Berufsverbot gegen ihn.
„Die Zeit war damals viel intensiver. Das Leben war eine Herausforderung. Damals ging es uns um den Hals, heute ist alles nur ein dünner Aufguss. Freundschaft, Bruderschaft und Verbundenheit im Glauben waren damals etwas Großartiges, das einen stärkte. Dies war in meinen Erinnerungen die wichtigste oder beste Zeit, obwohl sie hart war. Es hatte einen Sinn. Als ich später in der Schweiz war, fühlte ich mich bereits, als ob ich vorzeitig ins Paradies gekommen wäre. Und heute klappt auch alles bei mir. Das Leben hat heute nicht mehr die wilde Dimension von damals.“
Das erzählte Karásek 2009 in einem Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks. Wegen seiner Verbindungen zu den Dissidenten und zur legendären tschechischen Underground-Band „The Plastic People of the Universe“ hatte er 1976 mehrere Monate lang im Gefängnis gesessen. Als Priester, Regimekritiker und Unterzeichner der Charta 77 musste er 1980 ins Exil gehen. Er ließ sich in Zürich nieder, wo er bis 1997 als evangelischer Pfarrer tätig war. Nach der Wende kehrte er in seine Heimat zurück:
„Ich habe viel mehr Enthusiasmus und Spontaneität nach der Wende erwartet. Ich war enttäuscht, dass ich überdrüssige Menschen vor mir sah. Die Freiheit war noch gar nicht richtig da, und sie schimpften schon und waren skeptisch. Ich war überrascht, wie wenig sich die Menschen freuen und wie wenig die Freiheit ihnen im kommunistischen Regime gefehlt hatte.“
Mehrere Jahre lang leitete Karásek die evangelische Gemeinde in der Salvator-Kirche in Prag. Tomáš Trusina ist sein Nachfolger dort: „Sváťa hat mich in verschiedenen Rollen mein ganzes Leben lang begleitet. Er führte die Salvator-Gemeinde hervorragend. In den vergangenen zwei Jahren stand er mir als großzügiger Vorgänger zur Seite.“
2002 entschloss sich Karásek, in die Politik zu gehen. Er war Abgeordneter für die liberale Freiheitsunion (US-DEU) und in den Jahren 2004 bis 2006 Menschenrechtsbeauftragter der tschechischen Regierung.
„Ich habe mich als Geistlicher bereits früher politisch betätigt, indem ich zum Beispiel die Charta 77 unterzeichnet habe. Dadurch habe ich klargemacht, dass auch gesellschaftliches Engagement zu meinem Glauben gehören. Zu glauben bedeutet nicht, irgendwo hinter einer Mauer zu leben.“
In der Politik machte Karásek auch neue persönliche Erfahrungen:
„Zuvor habe ich immer unter meinen nahen Menschen gelebt, im Underground, in der evangelischen Kirche oder in der Pfarrgemeinde. Nun war ich zum ersten Mal von Menschen aller Gesellschaftsschichten umgeben, von Menschen, die ich nicht ausgewählt habe. Ich habe erlebt, wie schwierig es ist, etwas Gutes durchzusetzen, wenn man zur Minderheit gehört, und dass die Demokratie ihre Tücken hat, weil sie die Mehrheit braucht. Die Demokratie ist langsam, aber es gibt selbstverständlich nichts Besseres.“
Neben seinem Engagement als Priester und Politiker war Karásek auch Mitglied mehrerer Künstlergruppen. Am bekanntesten davon war seine Rockband Pozdravpámbu, auf Deutsch also „Grüßgott“. Die Szene-Größe Vratislav Brabenec erinnerte sich im Tschechischen Rundfunk an seinen Freund: „Er hat Witz gehabt und poetische Texte geschrieben. Sein Leben sei gut, schön und ausgelassen gewesen.“