Breitensport kämpft für Rückkehr zur Normalität – erste Hoffnung zerplatzt
Seit diesem Montag gilt in Tschechien kein Notstand mehr. Mit der guten Kunde einhergehen auch die ersten Lockerungen der strengen Restriktionen, die wegen der Corona-Pandemie verhängt wurden. Und das will ebenso der Breitensport nutzen. Binnen weniger Stunden sind jedoch einige Hoffnungen schon wieder zerplatzt.
Ein neuer Mann – eine neue Chance. Das hoffen auch die Aktiven und Verantwortlichen des organisierten Kinder- und Breitensports in Tschechien. Sie wollen endlich eine Rückkehr zur Normalität, und das besonders im Mannschaftssport. Im Frühling vergangenen Jahres war der Spielbetrieb erstmals gestoppt worden, und das wurde Anfang Oktober erneuert. Seitdem durften sich bis auf eine kurze Phase im Dezember nicht mehr als zwei Menschen aus zwei Haushalten treffen, was auch die Trainingsmöglichkeiten eingeschränkt hat. In der Nacht auf Montag lief jedoch der Notstand hierzulande aus. Noch am Freitag verkündete der neue Gesundheitsminister Petr Arenberger (parteilos):
„Ab Montag können Gruppen von bis zu 20 Menschen gemeinsam Sport im Freien betreiben. Sie können jedoch keine Indoor-Sportanlagen nutzen, das heißt auch keine Garderoben oder Duschen. Aber 20 Menschen können sich auf einem Sportplatz bewegen.“
Kurz darauf nahm der Minister seine Aussage zurück. Das heißt, dass vorerst doch keine Treffen in Gruppen und damit Mannschaftssportarten erlaubt sein werden. Dabei brauchen die vielen Vereine hierzulande dringend eine Perspektive. Denn führende Funktionäre sehen den Breitensport vor immer größeren Problemen. Allen voran der Leiter der Nationalen Sportagentur, Milan Hnilička:
„Die Lage im Amateursport ist wirklich alarmierend. Fast schon ein Dreivierteljahr lang können unsere Kinder keinen organisierten Sport treiben. Wir stehen damit all den negativen Einflüssen gegenüber, die wir schon früher benannt haben und die wir durch den Sport verhindern wollten. Dass die Kinder quasi zu Hause gefangen sind und sich nicht ausreichend bewegen, ist nicht gut.“
Milan Hnilička: „Die Lage im Amateursport ist wirklich alarmierend. Fast schon ein Dreivierteljahr lang können unsere Kinder keinen organisierten Sport treiben. Wir stehen damit all den negativen Einflüssen gegenüber, die wir schon früher benannt haben und die wir durch den Sport verhindern wollten.“
Um das zu ändern, haben mehrere Sportorganisationen wie das Tschechische Olympische Komitee, die Tschechische Sport-Union, der Sokol-Verband oder die Wandervereine in den zurückliegenden drei Wochen ein Konzept ausgearbeitet. Mit diesem soll der Breitensport schrittweise wieder angeschoben werden. Milan Hnilička:
„Dieses Konzept beinhaltet vier Phasen, wobei wir zunächst eine sichere Rückkehr auf den Sportplatz anstreben. Die einzelnen Schritte beruhen auf den Erfahrungen, die wir als Sportagentur in den Verhandlungen mit dem Gesundheitsministerium in den vergangenen Monaten gesammelt haben. Jetzt wollen wir mit dem Ressort darüber verhandeln.“
Doch genau in dem Moment, als der Chef der Nationalen Sportagentur ein Treffen mit Gesundheitsminister Jan Blatný (parteilos) avisierte, wurde dieser durch Petr Arenberger abgelöst. Für konkrete Verhandlungen muss Hnilička nun einen neuen Anlauf nehmen.
An der Ausarbeitung des Re-Start-Konzepts für den Amateursport war auch der nationale Fußballverband beteiligt. Im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen (ČT) erläuterte der Direktor der sporttechnischen Abteilung des Verbandes, Jiří Kotrba, zunächst das Prinzip des Strategiepapiers:
„Jeden Tag sind wir hierzulande Zeuge, wie viele Menschen nach eigenem Befinden Sport treiben. Im Januar war beispielsweise zu sehen, wie sich auf zugefrorenen Seen und Teichen hunderte Leute zum Schlittschuhlaufen und Eishockey zusammenfanden, andere wiederum haben sich auf verschneiten Hängen beim Skifahren und Rodeln getummelt. Jetzt trifft man Dutzende Menschen auf kleinen Sport- und Bolzplätzen an. Wir wollen diese sportliche Betätigung unter Kontrolle bekommen und bieten dazu die Erfahrung unserer Trainer an. Sie wissen, wie man das Fußballspiel trainingsmethodisch organisiert. Und sie können dafür sorgen, dass alle Bedingungen eingehalten werden, die der Staat aus epidemiologischer Sicht vorgibt.“
Eine dieser Bedingungen ist, dass nur auf das Coronavirus getestete Personen am Trainingsbetrieb teilnehmen können. Wie man diese sich selbst auferlegte Vorkehrung umsetzen will, erläuterte Kotrba:
„Natürlich wäre es schön, wenn die Kinder wieder in die Schule gehen würden, wozu sie bekanntlich einen negativen Test brauchen. Dies käme uns entgegen. Doch auch unsere Trainer können dafür sorgen, dass die jungen Fußballer vor dem Training getestet werden. Letztlich sind viele Übungsleiter sogar bereit, die Kosten für die Tests zum Teil auf sich zu nehmen. Wir wollen also alle möglichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir mit unserer Initiative Erfolg haben und es so zum Re-Start des Amateursports kommt.“
Jiří Kotrba: „Letztlich sind viele Übungsleiter sogar bereit, die Kosten für die Corona-Tests zum Teil auf sich zu nehmen. Wir wollen also alle möglichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir mit unserer Initiative Erfolg haben und es so zum Re-Start des Amateursports kommt.“
Um den Anfang mit Bedacht zu wagen, soll in den Vereinen zunächst mit einem Training ohne Körperkontakt begonnen werden. Dies sei zwar nicht das Fußballspiel, das allen vorschwebt, aber:
„Trotzdem ist es besser, die sportliche Betätigung mit kontaktlosen Übungseinheiten zu beginnen, als noch weiter zu warten. Das wäre der erste Schritt auf dem Weg zurück zu einem echten Fußballkick“, bemerkt Kotrba. Und der Fußballfunktionär erklärt noch einen Vorteil, den ein sofortiger Neustart im Amateurfußball hätte:
„In den Amateurligen wurde im vergangenen Herbst zwar nicht einmal die Hinrunde beendet. Doch wir haben errechnet, wie die Saison noch gerettet werden könnte. Wenn wir zum 1. Mai, spätestens aber bis zum 10. Mai den Spielbetrieb wieder aufnehmen, ließen sich die Punktspiele noch bis zum 30. Juni abschließen.“
Das aber, so betont Kotrba, sei nicht das vorrangige Ziel für die laufende Saison. Gerade im Amateurbereich, in dem wirtschaftliche Belange keine allzu große Rolle spielen, könne man eine Punktspielsaison ohne Erst- und Letztplatzierte, also ohne Auf- und Absteiger, durchaus wie im Vorjahr noch einmal verkraften. Viel schwerwiegender aber sei der mögliche Verlust an sportbegeisterten Vereinsmitgliedern im Nachwuchsbereich, wenn das Ende des Müßiggangs nicht in nächster Zukunft zustande komme. Jiří Kotrba:
„Diejenigen, die eine leistungsgezogene Motivation im Fußball, Eishockey oder anderen Sportarten haben, kommen bestimmt zurück. Doch es gibt auch viele Kinder, die keine sportliche Karriere anstreben, sondern aus Spaß am Fußball zu uns kommen. Und zwar weil sie in einem Verein schöne Erlebnisse haben und Kameradschaften pflegen. Diese Bande sind aber derzeit zerrissen, und es ist zu befürchten, dass sie wegen der langen Pause nicht mehr erneuert werden. Nämlich dann, wenn diese Kinder nicht mehr zum Training und zum organisierten Spielbetrieb zurückkehren.“
Die Freude über die mögliche Rückkehr zum Training an diesem Montag währte unter den Aktiven und Funktionären des Amateursports nur einen Tag. Denn schon am Samstag machte der neue Gesundheitsminister die Rolle rückwärts. Er korrigierte seine Aussage vom Freitag auf Anraten des ihn beratenden Gremiums an Epidemiologen. Nunmehr wolle er die Anordnung aufrechterhalten, dass sich im Indoor- wie im Outdoorbereich immer nur zwei Menschen begegnen dürfen. Diese Empfehlung wolle er dem Kabinett auf dessen Sitzung am Montag vorlegen, so Arenberger. Die Regierung muss die Empfehlung formell beschließen, weil alle Maßnahmen, die nicht des Ausnahmezustands im Land bedürfen, nun unter das erst Mitte Februar verabschiedete Pandemie-Gesetz fallen.
Für alle sportliebenden Bürger in Tschechien ist allerdings die schnelle Kehrwende von Minister Arenberger ein erneuter Schlag ins Gesicht. Vor allem wenn man vergleiche, dass der organisierte Sport in vielen anderen europäischen Ländern nicht so strikt heruntergefahren wurde wie hierzulande, moniert Kotrba:
Kotrba: „Mittlerweile ist es schon fünf nach Zwölf und wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass vor allem Kinder wieder Sport treiben können. Wenn uns das nicht gelingt, wird dies Auswirkungen haben nicht nur auf ihre Physis, sondern auch in psychischer Hinsicht.“
„Leider hat es sich die Politik bei uns sehr einfach gemacht und alles verboten. Es wurde bisher nicht erörtert, unter welchen Bedingungen es möglich ist, einen sicheren Sport zu gewährleisten.“
Schließlich erhebt Kotrba noch einmal mahnend den Zeigefinger:
„Wir verstehen alle, dass die Lage hier in Tschechien eine Zeitlang sehr kompliziert war und dass man in einer gewissen Phase alle möglichen Tätigkeiten unterbrechen musste. Doch mittlerweile ist es schon fünf nach Zwölf und wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass vor allem Kinder wieder Sport treiben können. Wenn uns das nicht gelingt, wird dies Auswirkungen haben nicht nur auf ihre Physis, sondern auch in psychischer Hinsicht.“