Pottenstein: Burg, Schloss, Sommerfrische und Schatz-Mythos
Nach Ostböhmen wollen wir Sie im heutigen Reiseland Tschechien führen. Im Vorland des Adlergebirges, genauer im Tal der Wilden Adler liegt die malerische Gemeinde Potštejn / Pottenstein. Die Dominante des Ortes mit etwa 1000 Einwohnern bilden die Ruinen einer mittelalterlichen Burg. Man findet dort aber auch ein Barockschloss, eine 150 Jahre alte Lindenallee sowie Überreste einer Kuranlage aus dem 19. Jahrhundert. Die Umgebung bietet schöne Aussichtspunkte und weitere Wanderziele.
Pottenstein wurde im Mittelalter als ein Marktflecken unterhalb einer mächtigen Burg gegründet. Diese Dominante auf einem steilen Hügel über der Wilden Adler wurde 1287 erstmals erwähnt, als sie Botho von Bothenstein (Půta z Potštejna) gehörte. Der bekannteste Besitzer der Burg war im 14. Jahrhundert aber Nikolaus von Pottenstein. Der Kastellan des Schlosses von Pottenstein, Vladimír Hulman, erzählt:
„Dieser Ritter geriet in einen Streit mit König Johann von Böhmen, weil er aus Rache für den Tod seines Vaters einen Prager Bürger erstochen hat. Dafür wurde Nikolaus vom König zu einer hohen Geldbuße verurteilt. Er nutzte die günstige Lage seiner Burg auf dem Berg über dem Handelsweg von Mähren nach Polen und wurde zu einem gefürchteten Räubergesellen. Er überfiel die vorbeikommenden Händler und raubte ihnen Gold, Silber, Edelsteine, kurzum alles, was wertvoll war. Der König entsandte dann seinen Sohn, den damaligen mährischen Markgrafen Karl, um gegen Nikolaus vorzugehen. 1339 belagerte und eroberte Karl mit seinem Heer die Burg. Nikolaus selbst soll beim Einsturz des Turms zu Tode gekommen sein, der von den Soldaten untergraben worden war.“
Nachdem der Markgraf als Karl IV. König von Böhmen wurde, ließ er die Burg 1355–1359 erneuern. Über den Räuberritter Nikolaus ist eine Sage entstanden, die Jahrhunderte lang in der Region überliefert wurde, sagt Vladimír Hulman:
„Die Menschen dachten, Nikolaus muss sein Geld, Silber und kostbare Gegenstände irgendwo versteckt haben. So entstand die Sage vom Schatz des Nikolaus von Pottenstein.“
Vergebliche Schatzsuche
Machen wir nun einen Sprung ins 18. Jahrhundert. Der Schatz sollte in dieser Zeit nämlich eine bedeutende Rolle in der Geschichte von Pottenstein spielen. Die Burg wechselte im Laufe der Jahrhunderte häufig ihre Besitzer. Das hatte negative Folgen. Sie wurde dem Verfall preisgegeben und 1673 als Ruine verzeichnet.
Seit 1746 gehörte Pottenstein dem Grafen Johann Ludwig Harbuval de Chamaré, der nach der preußischen Einnahme Schlesiens 1742 von dort emigriert war. Er wollte die Burg nicht mehr bewohnen, sondern baute mehrere Wirtschaftsgebäude im zugehörigen Marktort zu einem Barockschloss um. Beim Rundgang durch den Adelssitz können heute insgesamt 12 Zimmer sowie die Kellerräume besichtigt werden. Eine Besonderheit sind Schlossführungen für Kinder. Und umgeben ist das Gebäude von einem Rosengarten sowie einem englischen Park. Johann Ludwig Harbuval de Chamaré machte sich um die wirtschaftliche Entwicklung Pottensteins sehr verdient. Nachdem er dort Weber angesiedelt hatte, richtete er 1755 eine Weber- und eine Spinnereischule sowie Räumlichkeiten zum Leinwandbleichen ein. Später kam eine Seidenfabrik dazu.
Sein Sohn Jean-Antoine Harbuval de Chamaré führte die Arbeit des Vaters fort. Außerdem verbrachte er fast vierzig Jahre mit der erfolglosen Suche nach dem Schatz. Kastellan Vladimír Hulman:
„Jean Antoine Harbuval Chamaré hat seit Kindheitstagen die Sage vom Schatz gehört. Als Erwachsener begann er, in der Umgebung zu graben und den Schatz zu suchen. Und was hat er gefunden? Nichts. Er hat aber durch Grabungen erhebliche Schäden an der Burg verursacht und deren Verfall beschleunigt.“
Der Schriftsteller Alois Jirásek setzte dem Grafen in seiner Erzählung „Poklad“ (Der Schatz) ein literarisches Denkmal. Regisseur Zdeněk Troška verfilmte den Stoff 1984 unter dem Titel „Poklad hraběte Chamaré“ (Der Schatz des Grafen Chamaré).
Jean Antoine war aber nicht nur Schatzsucher. Er sei ein gebildeter und technisch begabter Mann gewesen, betont Hulman:
„Jean Antoine hat an der Universität in Wien Architektur und Jura studiert. In Pottenstein hat er unter anderem Seide produziert. Er hat hier Seidenspinner gezüchtet und deswegen auch Maulbeerbäume gepflanzt. Bis heute gibt es hier drei dieser Bäume in der Nähe des Parks.“
1791 hätte er in Pottenstein zudem mit Heißluftballons experimentiert, ergänzt Hulman:
„Einige Wochen vor dem Start des ersten Heißluftballons in Prag, hat Jean Antoine hier zwei Ballons in die Luft geschickt. Einer davon flog tatsächlich über die Landschaft hinweg.“
Bergauf zur Burgruine
Vom Ortszentrum führt ein barocker Kreuzweg bis zur Burg Pottenstein. Die Burg-Kastellanin Iva Dostálová erzählt:
„Den Kreuzweg ließ Anna Barbara, die Gattin von Johann Ludwig Harbuval Chamaré, 1754 erbauen. Sie wollte dadurch die vergebliche Schatzsuche ihres Sohns wiedergutmachen. Der Weg besteht aus 14 Kapellen und führt bergauf zur Burg.“
Folgt man den Kapellen, geht es an einer mächtigen Burgbefestigung vorbei bis in den Burghof.
„Wie majestätisch der Bau und sein Befestigungssystem sind, merkt man bei einem Rundgang. Man kann die Burg auf einem ein Kilometer langen Lehrpfad umgehen. Den Besuchern steht zudem eine App zur Verfügung. Sie zeigt, wie die Befestigung einst ausgesehen hat. Man kann die App außerhalb der Burg öffnen und sich virtuell mitten in die Burg hineintragen lassen.“
Steigen wir von der Burg nun in das Tal der Wilden Adler hinunter. Ihre Ufer überschattet heute eine imponierende Lindenallee. Soběslav Hlinka vom Pottensteiner Verschönerungsverein weiß mehr:
„Die Linden wurden 1875 angepflanzt, dank dem Einsatz des hiesigen Einwohners Václav Hostinský. Das wirkte als Inspiration für seinen Nachfolger, den Universitätsprofessor Jan Urban Jarník. Dieser hat Anfang der 1880er Jahre den Verschönerungsverein gegründet, dem wir bis heute viele Dinge in Pottenstein verdanken.“
Kulturelles Zentrum und Sommerfrische
Aus Initiative des Vereins wurden in Pottenstein etwa eine Sommerbühne, ein Flussbad sowie eine Kureinrichtung mit Badewannen errichtet. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gehörte die Herrschaft den Grafen Dobrženský von Dobrženitz (Dobřenský z Dobřenic). Vor dem Ersten Weltkrieg wandelten sie das Schloss zu einem kulturellen Zentrum um. Die Stadt entwickelte sich zu einer beliebten Sommerfrische:
„Die Menschen kamen hierher, um zu entspannen und sich vom regen Stadtleben zu erholen. Die Sommergäste gehörten meistens der Mittelschicht an, es waren Professoren aus Prag, Industrieunternehmer, aber auch Künstler und Schriftsteller. Die Blütezeit war die vor dem Ersten Weltkrieg, aber auch in der Zwischenkriegszeit.“
Unter den Gästen war auch der Universitätsprofessor Tomáš Garrigue Masaryk. Zweimal besuchte er auf Einladung seines Kollegen Jarník die Sommerfrische und hielt sich dort mit seiner Familie 1882 und 1883 auf.
Dank seiner malerischen Lage und Umgebung war Pottenstein ein beliebtes Ausflugsziel. Und das gilt bis heute. Markierte Wege führen vom Ortszentrum unter anderem in das Naturschutzgebiet im Waldtal „Modlivý důl“. Ein Gedenkstein erinnert dort daran, dass das Tal in der Zeit des Geheimprotestantismus als diskreter Treffpunkt der Böhmischen Brüder diente. Von dort aus erreicht man eine Anhöhe mit den Überresten der Burgruine Velešov und den Aussichtspunkt auf dem Hügel Kapraď. Soběslav Hlinka:
„Von hier aus sehen wir die Burg Pottenstein unter uns, als ob wir sie vom Hubschrauber aus beobachten würden. Darunter liegt das Städtchen. In der Ferne sieht man den Massiv Chlum und ganz hinten den Bergkamm des Adlergebirges.“