Tschechien am Rande einer neuen Pandemie-Welle?
Tschechien steht am Rande einer neuen Pandemie-Welle. Dies hat Gesundheitsminister Adam Vojtěch (parteilos) angesichts steigender Corona-Zahlen erklärt. Trotzdem will der Minister keine drastischen Einschränkungen einführen.
Die Zahlen der Corona-Neuinfektionen steigen seit zwei Wochen leicht, aber beständig an. Am Dienstag sprangen sie rasch nach oben: Die Labors hierzulande bestätigten knapp 600 Neuinfektionen. Am Mittwoch sank die Zahl im Tagesvergleich auf 376, zugleich sind dies aber immer noch etwa 100 Fälle mehr als eine Woche zuvor.
In tschechischen Krankenhäusern liegen 89 Menschen mit dem Coronavirus. In der zweiten Septemberhälfte könnten jedoch mehr als 500 Patienten mit Covid-19 in den Kliniken hierzulande behandelt werden müssen. So jedenfalls lautet das schwärzeste Szenario, das vom Institut für Gesundheitsinformationen und Statistik ausgearbeitet wurde. Das ist immer noch deutlich weniger als während der dritten Corona-Welle. Mitte März dieses Jahres lagen fast 9500 Menschen mit Covid-19 in den Krankenhäusern. Laut Ladislav Dušek, dem Direktor des Instituts für Gesundheitsinformationen und Statistik, werden derzeit überwiegend Nichtgeimpfte in Kliniken eingeliefert:
„Im Laufe des Sommers gab es natürlich auch geimpfte Menschen mit einem schweren Krankheitsverlauf, aber keiner von ihnen ist gestorben. Solche Verläufe sind bei alten Menschen möglich, die an mehreren schweren Krankheiten leiden. Bisher sieht es aber so aus, dass der Impfschutz sehr robust ist gegen einen schweren Krankheitsverlauf.“
Ein Drittel aller neu entdeckten Infektionen sind junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren, die noch nicht geimpft wurden. Damit sich das schlimmste Szenario nicht erfüllt, muss laut Dušek das Interesse an den Impfungen insbesondere bei jungen Menschen und Menschen mittleren Alters gesteigert werden. Der Mediziner wies zudem darauf hin, dass sich etwa 440.000 Menschen im Alter über 60 Jahre noch nicht haben immunisieren lassen.
Das Gesundheitsministerium plant derzeit keine flächendeckenden Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus. Bei einer schlechten Entwicklung könnten aber etwa umfangreiche Tests an Arbeitsstellen wiedereingeführt werden, sagte Ressortchef Adam Vojtěch.
„Die Maßnahmen beim schlimmsten Szenario umfassen einen intensiveren Mundnasenschutz, möglicherweise auch die Einschränkung von Großveranstaltungen. Keinesfalls gehört dazu aber die Schließung von Betrieben, Geschäften und so weiter.“
Vojtěch hält zudem nicht mehr allein die Zahl der Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner für entscheidend:
„Es ist eine Kombination von mehreren Indikatoren. Ich denke, dass kein Staat heute ausschließlich die Inzidenz als maßgebenden Faktor nimmt. Es wird daran liegen, wie sich die Immunisierung der Gesellschaft auswirkt, an der wir alle durch die Impfungen gearbeitet haben.“
Insgesamt 5,8 Millionen Menschen sind in Tschechien bisher komplett geimpft.
Gegenüber dem Tschechischen Rundfunk wies der Gesundheitsminister alle Spekulationen zurück, dass sich die Lage hierzulande so dramatisch wie im September vergangenen Jahres entwickeln könnte:
„Zum gleichen Termin vergangenen Jahres lag die Zahl der Patienten in den Krankenhäusern etwa viermal höher als heute. In dieser Hinsicht sieht es nicht so aus, dass sich die Entwicklung vom letzten Jahr wiederholt. Das liegt zweifelsohne an der Immunisierung der Bevölkerung dank der Impfungen. Wir sind daher optimistischer als im letzten Jahr, als es noch keine Vakzine gab und nur wenige Menschen bereits Covid-19 überstanden hatten. Derzeit besteht kein Grund, zu drastischen Maßnahmen zu greifen. Wir müssen die Lage aber sehr sorgfältig beobachten.“