Papiermangel: Bücher werden teurer, tschechische Verlage verschieben Neuveröffentlichungen
Die Druckereien in Tschechien befinden sich derzeit in einer Lage, die sie bisher nicht kannten. Es mangelt an Papier auf dem Weltmarkt, und deswegen sind sie in Verzug bei den Aufträgen. Dadurch kommen auch die Verlage ins Schleudern. Sie müssen bereits geplante Buchveröffentlichungen streichen.
Der gesamte Buchmarkt in Tschechien ist von dem Papiermangel beeinträchtigt. Wenn die Verlage weniger Neuveröffentlichungen herausbringen, kann dies beispielsweise Lektoren die Arbeit kosten. Und der Umsatz in der wichtigen Zeit vor Weihnachten geht zurück. Das betrifft wiederum besonders kleine Buchläden, die auf die Verdienste aus dieser Zeit angewiesen sind.
Als Erste sind aber die Druckereien betroffen – so wie die HRG im ostböhmischen Litomyšl / Leitomischl. Noch laufen die Maschinen dort durchgehend. Jan Gloser leitet die Handelsabteilung der Druckerei. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erläuterte er:
„Wir sind derzeit in der Hauptsaison. Da sollten die Maschinen nicht stillstehen, selbst wenn es kein Papier gibt. Wir müssen also immer irgendwo Papier finden. Der Anschaffungspreis für eine Druckerpresse liegt bei 50 Millionen Kronen, deswegen muss jede von ihnen weiterlaufen.“
50 Millionen Kronen sind umgerechnet knapp zwei Millionen Euro. Für eine mittelgroße Druckerei wie die HRG mit einem Jahresumsatz von 290 Millionen Kronen (11,4 Millionen Euro) ist das kein Pappenstiel. Das Unternehmen druckt neben Büchern auch Zeitschriften, Plakate oder etwa die Aufschriften auf Verpackungen. In den Lagerhallen stapelt sich zwar das Papier. Doch das täusche, sagt Gloser:
„Wir haben versucht, uns einen größeren Vorrat als sonst anzulegen. In der Regel haben wir hier Papier für sieben bis zehn Tage im Voraus. Aber es ist immer ein großer Zufall, beim Druck von Zeitschriften den tatsächlichen Bedarf abzuschätzen. Der Vorrat reicht also nur für kleinere und mittelgroße Aufträge.“
Dominoeffekt der Papiernot
Die Papiernot hat derzeit einen Dominoeffekt – und zwar in Richtung tschechische Verlage. Veronika Benešová Hudečková ist Inhaberin des Verlags „Verzone“ im Prager Stadtviertel Vinohrady. In diesem Jahr wollte sie einige neue Bücher herausgeben und hat dazu auch schon Verträge abgeschlossen. Nun muss sie sich jedoch einschränken…
„Wir müssen damit zurechtkommen, dass die Druckereien die Termine nicht einhalten können, weil ihnen der Rohstoff fehlt. Dabei ist das Problem bei billigerem Papier am größten. Wir werden sicher zwei kleine Bücher, die wir eigentlich jetzt auf den Markt bringen wollten, auf kommendes Jahr verschieben“, so Benešová Hudečková.
Bei „Olympia“ will man wenigstens zu Teilen das lukrative Weihnachtsgeschäft retten. Der Verlag ist auf Literatur zu Sport und Freizeit spezialisiert.
„Manche Publikationen werden jetzt mehr in Richtung Weihnachten verschoben, andere auf das nächste Jahr. Denn der Papiermangel ist so groß, dass wir nicht mehr alle Bücher rechtzeitig auf den Markt bekommen. Das betrifft drei Veröffentlichungen: eine große Fußball-Enzyklopädie, einen kleineren Wanderführer und ein Sachbuch“, sagt der Verlagsleiter Karel Hejna.
Aber in diesem Jahr dürften nicht nur weniger Bücher erscheinen. Auch die Produktion von Heften, Kalendern oder Bucheinbänden leidet darunter, dass der wichtigste Rohstoff fehlt. Das bestätigt Petra Holubová, Marketingchefin des Schreibwarenhandels Papírny Brno im südmährischen Brno / Brünn. Ihren Aussagen nach versucht ihr Unternehmen sogar, im Ausland Papier zu erstehen:
„Wir kämpfen schon seit einigen Wochen sehr stark mit dem Rohstoffmangel. Aber Europas Papiermarkt ist insgesamt ziemlich leergeräumt. Deswegen versuchen wir, neue Zulieferer aufzutun, um unsere gesamte Nachfrage befriedigen zu können. Allerdings sind die Preise deutlich nach oben gegangen – und zwar im Bereich zweistelliger Prozentwerte.“
Und so werden alle möglichen Produkte teurer. Die inflationären Tendenzen gehen aber längst nicht nur vom Papier aus. Jan Gloser von der Druckerei HRG in Litomyšl:
„Bei manchen Produkten wie Faltblättern, Pappe oder Wellpappe liegt der Preisanstieg bei etwa 25 Prozent gegenüber dem vergangenen Jahr, bei anderen sogar bei 50 Prozent. Ähnlich verhält es sich mit weiteren Rohstoffen für die Herstellung von Büchern und Zeitschriften wie Druckplatten, Farben, Lacke und Chemikalien.“
Ursachen: Corona-Pandemie und China
Die Hintergründe für die Teuerungen liegen in der Corona-Pandemie. Petr Breburda ist Generaldirektor der Papiergroßhandelsgruppe Igepa in Tschechien, mit Sitz in Odolená voda nödlich von Prag:
„Derzeit entwickelt sich die Teuerung sehr dynamisch. Seit dem Ende des Corona-Lockdowns ist die Nachfrage stark angestiegen – und zwar um 30 bis 40 Prozent. Die durchschnittlichen Lieferzeiten für Papier liegen normalerweise bei drei bis vier Wochen, mittlerweile warten wir drei bis vier Monate auf die Ware. Zudem hat China einen Einfluss – weil dort die Schiffscontainer teurer geworden oder nicht in ausreichendem Umfang vorhanden sind.“
Wenn wegen des Papiermangels vor Weihnachten weniger Bücher erscheinen, dann schadet dies besonders den kleinen Händlern mit einem schmaleren Portfolio. Und diese haben schon unter dem Corona-Lockdown in diesem und dem vergangenen Jahr besonders gelitten. Marcela Turečková leitet den Verband tschechischer Buchhändler und Verlage. Sie verweist darauf, dass viele Geschäfte hierzulande wegen der Regierungsmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus am längsten in ganz Europa geschlossen bleiben mussten.
„Meinen Informationen nach geben derzeit viele Buchhändler auf, die nach der politischen Wende von 1989 mit Enthusiasmus einen eigenen Laden aufgebaut haben. Meist sind sie mittlerweile müde geworden, und häufig verkaufen sie ihr Geschäft an eine der großen Ketten. In der Buchbranche werden 70 Prozent des Gewinns im vorweihnachtlichen Verkauf generiert. Und das ist jetzt das Grundproblem“, erläutert Turečková.
Nicht zuletzt dürften in der Folge auch die Preise für Bücher in Tschechien steigen. Bisher kostet ein Buch hierzulande im Schnitt 275 Kronen (10,85 Euro). Zum Vergleich: In Deutschland waren es im Vor-Corona-Jahr 2019 knapp 14,50 Euro.