4) Grubenbahn und Rutsche: Adrenalin im Bergbaumuseum Příbram
Im mittelböhmischen Příbram kann man tief unter die Erde blicken. Denn dort befindet sich das größte Bergbaumuseum in Tschechien. Insgesamt 40 Ausstellungsobjekte und Gruben bieten eine intensive Begegnung mit dem Alltag der Bergarbeiter vom Mittelalter bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Wer etwas sehen und erleben will, der muss – wie früher die Bergarbeiter – unter die Erde. Wir haben die Möglichkeit, uns Museumsleiter Josef Velfl anzuschließen. Er macht schon einmal Lust auf die Höhepunkte des Rundgangs:
„Dazu gehört sicher die Fahrt mit der Grubenbahn unter Tage. Wir betreiben drei solcher Bahnen auf dem Areal der Schächte Ševčinský und Anna. Bei der Fahrt begibt man sich auf die Spuren der früheren Bergleute, kann sich in sie hineindenken und etwas Adrenalin erleben. Unter anderem lässt sich ausprobieren, wie schwer es war, mit einfachen Geräten den Fels zu bearbeiten. Es macht auch Spaß, über eine 51 Meter lange Rutsche untertage zu gleiten.“
Die Rutsche befindet sich im Schacht Drkolnov, der ab 1836 angelegt wurde. Gerade das 19. Jahrhundert war laut Velfl die Zeit des größten Booms für den Bergbau in Příbram. Damals wurden hier bis zu 90 Prozent des Bedarfs an Silber und Blei in ganz Österreich-Ungarn gefördert.
„Im 19. Jahrhundert wurden in Příbram einige europäische und weltweite Neuerungen und Rekorde aufgestellt. So wurden 1836 schon Drahtseile verwendet. Bis dahin waren Ketten oder Hanfseile im Einsatz, die allerdings bei tiefen Stellen entweder rissen oder nicht so viel Last tragen konnten. Auch wurden in unseren Stollen erstmals Dampffördermaschinen für den Abbau von Erz genutzt, das war 1846. Und schon 1849 wurde eine sogenannte Fahrkunst angelegt, das heißt, dass die Bergleute nicht mehr an Leitern hoch- und hinuntersteigen mussten. Zu den Weltrekorden gehörte, dass 1875 in der Grube Vojtěch die Tiefe von einem Kilometer mithilfe eines einzigen Förderseils erreicht wurde“, so der Museumsleiter.
Silbervorräte und Grubenwasser
Der Beginn des Bergbaus in Příbram liegt allerdings einige Jahrhunderte früher. Archäologische Grabungen deuten darauf hin, dass wohl schon zu Ende des 12. oder zu Beginn des 13. Jahrhunderts Silber geschürft wurde – und zwar in Březové Hory / Birkenberg. Dies war zunächst eine eigene Stadt und wurde erst 1953 eingemeindet.
Příbram selbst wurde 1579 von Kaiser Rudolph II. zur königlichen Bergbaustadt erhoben. Ausgerechnet in dieser Zeit setzte aber eine schwere Krise ein. Josef Velfl:
„Die reichen Silber- und Bleivorräte direkt unterhalb der Erde waren erschöpft, aber die Bergleute konnten nicht in größere Tiefen vordringen. Zwar ließen sich auch damals schon tiefere Schächte ausgraben, aber man wusste noch nicht, wie man das Grubenwasser effektiv abschöpfen konnte. Das gelang erst ab Ende des 18. Jahrhunderts, als der ortstämmige Fachmann Jan Antonín Alis vom Kaiserhof hier hergeschickt wurde. Er führte moderne Methoden ein für die Förderung, Verarbeitung und Entwässerung. Außerdem gelang es ihm – zwar nicht sofort, aber mit der Zeit –, große Erzvorkommen in der Tiefe zu finden.“
So kam es zum großen Boom, von dem bereits die Rede war. Als aber zu Ende des 19. Jahrhunderts vor allem in Mexiko und Südafrika jede Menge Silber gefunden wurde, war es auch damit vorbei…
„An den Weltbörsen verfielen die Preise für Silber, und Příbram konnte nicht mehr mit den Förderstätten in Übersee konkurrieren. Ein weiterer Grund für das Ende des Booms war die Einführung des Goldstandards. Viele Länder Europas gaben damit ihre Silbermünzen auf und gingen zu Gold über beziehungsweise zu Papier-Banknoten. Der dritte Grund war das damals weltweit schwerste Grubenunglück, zu dem es am 31. Mai 1892 in Březové Hory kam. Unter der Erde brach ein Feuer aus, bei dem 319 Menschen starben. Das waren sowohl die Bergleute als auch die Mitglieder der Rettungsteams, die freiwillig in die Schächte gestiegen waren“, erzählt Velfl.
Mitte des 20. Jahrhunderts kam es in der mittelböhmischen Bergwerksregion zu einem zweiten Boom. Dieser drehte sich um Uran, das wegen des Wettrüstens im Kalten Krieg plötzlich gefragt war. Schon 1945 verpflichtete sich die Tschechoslowakei in einem Vertrag, ausschließlich an die Sowjetunion zu liefern. Drei Jahre später wurden die ersten Uranstollen aufgemacht, die Förderung lief bis 1991.
Dazu gehört auch ein besonders dunkles Kapitel der hiesigen Bergbaugeschichte. Denn in den Schächten wurden häufig politische Häftlinge eingesetzt. Im Rahmen des Museums erinnert daran die Gedenkstätte Vojna Lesetice, sechs Kilometer außerhalb von Příbram. Museumsleiter Velfl:
„Dort entstand zwischen den beiden ältesten Uranschächten von 1948 ein Zwangsarbeiterlager. Es ist die einzige erhaltene Einrichtung dieser Art im ehemaligen Ostblock. Wir haben dort nicht nur die Lage in der Tschechoslowakei nach der kommunistischen Machtübernahme dokumentiert, sondern auch die Geschichte der Förderung und Verarbeitung von Uran bei uns im Land. Und wir konnten die letzten Teile des Uranstollens Bitýz bewahren, die nahe der Autobahn D4 liegen.“
Historisches Wasserrad
Doch zurück zum zentralen Teil des Bergbaumuseums. Im dortigen Drkolnov-Schacht kommt man über die Rutsche, oder alternativ nach 200 Metern Fußmarsch durch einen Stollen, zu einem Wasserrad. Wie der Museumsleiter sagt, gab es solche Räder früher überall in den Gruben Europas:
„Diese Wasserräder wurden noch vor der Erfindung der Dampfmaschine dafür genutzt, alle Geräte anzutreiben. Wie in einer Mühle floss das Wasser auf das Rad, und dieses war über unterschiedliche Ziehstangen mit den Geräten verbunden. Als dann das Dampfzeitalter begann, wurden die Wasserräder abgebaut. Anders aber im Drkolnov-Schacht. Zwar war zunächst auch hier die Umstellung auf Dampfbetrieb geplant, doch es zeigte sich, dass die Flöze nichts mehr hergaben. Das Grubenwasser musste indes weiter gehoben werden, und dazu reichte das Wasserrad. So überlebte es alle Zeiten. Es ist ein Monstrum von der Höhe eines dreistöckigen Hauses.“
Wir sind im Anna-Schacht. Mit der Grubenbahn geht es 260 Meter tief in den Berg. Von dort können die Besucher in den tiefsten Stollen des Erzreviers blicken. Er wurde 1832 angelegt.
„Wir haben ihn ausgeleuchtet und darüber ein Stahlgitter gelegt. Wenn sich die Besucher dort draufstellen, haben sie den 1600 Meter tiefen Stollen unter sich“, beschreibt Velfl.
Bei einem weiteren spektakulären Ausstellungsstück muss man nach oben und nicht nach unten schauen. Es ist die älteste Dampffördermaschine auf tschechischem Boden, sie befindet sich im Vojtěch-Schacht:
„Die Maschine wurde bei der Firma Breitfeld & Daněk im Prager Stadtteil Karlín gefertigt. Die ältesten Teile stammen von 1873, aber 1888 wurde das gute Stück modernisiert. Es war bis 1978 im Einsatz – aber nicht etwa, weil das Geld für eine Neuanschaffung gefehlt hätte, sondern weil es absolut zuverlässig funktionierte und ausreichend leistungsfähig war. Vom Design her ist die Maschine wunderbar, und eine ganze Reihe Heavy-Metal-Bands hat sich bereits vor ihr fotografieren lassen.“
Kein Wunder auch, dass dort schon viele Rock-Konzerte stattgefunden haben. Aber auch Klassik-Aufführungen stehen auf dem Programm.
Im Übrigen arbeitet Příbram unter anderem mit dem Deutschen Bergbaumuseum in Bochum und dem Industriemuseum in Dortmund zusammen. 2002 erhielt man den tschechischen Museumspreis Gloria musaealis für den Erhalt des Vojtěch-Schachts und des dortigen Anna-Wasserstollens.
Das Bergbaumuseum in Příbram ist ganzjährig geöffnet. Mehr Informationen gibt es auf der Website www.muzeum-pribram.cz, und das auch auf Deutsch.