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5) Dokumentation einer Epoche: Museum des Eisernen Vorhangs in Rozvadov

Über 40 Jahre lang war die Welt getrennt in Ost und West. Dieser ideologische Konflikt wurde als „Eiserner Vorhang“ bezeichnet, das Wort stand aber auch für die abgeriegelte und scharf bewachte Grenze vor allem in Europa. Im früheren Sperrgebiet, unmittelbar beim Grenzübergang Waidhaus-Rozvadov zwischen Bayern und Tschechien, erinnert ein Museum an diese Zeit.

Foto: Milan Linhart

Das Museum befindet sich im ehemaligen tschechoslowakischen Grenz-Gebäude von Rozvadov / Roßhaupt. Es ist eine Idee von Václav Vítovec, der es aufgebaut und 2011 eröffnet hat. Vítovec empfängt uns vor dem Eingang…

„Dies war das Gebäude, in dem der Zoll saß und wo die Pässe kontrolliert wurden. Aber wahrscheinlich war auch der Geheimdienst dort drin. 50 Meter von hier befindet sich der Grenzbach, an dem noch die letzten Reste des Grenzzauns zu sehen sind. Der untere Teil des Gebäudes ist zum Museum umgebaut, in dem wir über eintausend Exponate haben sowie dazu noch 35.000 Fotografien in unseren Computern. Und wir sammeln Informationen zum Thema ‚Eiserner Vorhang‘ und ‚Kalter Krieg‘“, so der Museumsleiter.

Foto: Milan Linhart

Um das Museum wirklich zu erleben, sollte man eine der Führungen mitmachen. Sie dauern eine Stunde und werden auch auf Deutsch angeboten. Der Rundgang ist weitestgehend chronologisch. Aber er startet nicht mit dem Zweiten Weltkrieg, sondern 25 Jahre früher. Denn schon im Ersten Weltkrieg wurde der Begriff „Eiserner Vorhang“ in politischen Zusammenhängen genutzt. Die Urheberschaft ist nicht geklärt. Erst später setzte sich aber der Ausdruck durch als Bezeichnung einer bipolaren Welt. Vítovec:

„Erstmals wurde der Begriff weltweit bekannt, als ihn Winston Churchill in seiner berühmten Rede im amerikanischen Fulton verwendete. Das war am 5. März 1946. Tatsächlich hat ihn aber vorher schon Joseph Goebbels als nationalsozialistischer Propagandaleiter Deutschlands genutzt.“

Foto: Milan Linhart

Teures Wettrüsten

Die Folgen der ideologischen Trennung der Welt waren einschneidend – und die Kosten enorm.

Foto: Milan Linhart

„Die USA und Großbritannien auf der einen Seite und die Sowjetunion auf der anderen sind nach dem Zweiten Weltkrieg mit unglaublicher Macht aufeinander losgegangen. Das Wettrüsten während des Kalten Kriegs kostete viele Billionen. Das bezieht sich vor allem auf die Atomwaffen, die bis heute eigentlich nicht verwendbar sind. Denn sie sind nicht nur bar jeglicher militärischer Bedeutung, sondern der Angreifer hätte sich mit ihnen auch noch selbst zerstört. Wenn man die Billionen für Bildung, Kultur und Sport ausgegeben hätte, dann wäre das Leben auf dieser Erde heute wunderbar“, findet der Museumsleiter.

Anna Ondráková und Max Schmeling | Foto: Bundesarchiv,  Bild 102-14813,  CC BY-SA 3.0

Deswegen hat Vítovec dem Konflikt der Ideologien in seinem Museum auch etwas gegenübergestellt…

„Es ist ein Foto von symbolischer Kraft und zeigt den deutschen Box-Weltmeister Max Schmeling und seine Frau, die tschechische Schauspielerin Anny Ondra. Mit ihrer Hochzeit bewiesen sie, dass sich in Europa auch gut zusammen leben lässt. Den jüngeren Besuchern wollen wir damit klar machen, dass nicht die normalen Leute das Problem sind, sondern die Eliten, die häufig krankhaft nach der Macht streben.“

Außerdem hat der Museumsgründer ein Zitat von Albert Einstein ausgewählt, es ist das zentrale Motto seines Projektes: „Frieden kann nicht durch Gewalt erhalten werden. Er kann nur durch Verständnis erreicht werden.“

Dass der Kalte Krieg nicht zu kriegerischen Konflikten beider Seiten geführt hätte, stimmt nicht. Eines der grausamsten Beispiele ist der Vietnamkrieg, der Mitte der 1950er Jahre begann und erst 1975 beendet wurde. Ein sinnloses Morden, das Vítovec ebenfalls dokumentiert hat:

Foto: Milan Linhart

„Der Vietnamkrieg war einer der sogenannten Stellvertreterkriege. Tatsächlich standen sich nie ein sowjetischer und ein amerikanischer Soldat direkt gegenüber, immer gab es dazwischen noch jemanden. Hier sind Bilder aus Washington, auf denen die Mauer zu sehen ist mit den Namen der 59.000 amerikanischen Soldaten, die in Vietnam gefallen sind. Und auf vietnamesischer Seite wurde eine Million Menschen getötet.“

Für die Menschen im Ostblock bedeutete der ideologische Konflikt häufig Unfreiheit. Nicht wenige landeten als politische Gefangene in Gefängnissen und Lagern. Auch ein spezielles Ausstellungsstück dokumentiert diesen traurigen Teil der Geschichte.

„Karel Perger war von 1953 bis 1963 eingesperrt, und zwar in Ostrov nad Ohří, Jáchymov und Leopoldov. Er hat uns ein Paar Schuhe geschenkt, die er sich selbst im Gefängnis genäht hat“, erzählt Václav Vítovec.

Foto: Milan Linhart

Husáks Telefon zu Breschnew

Foto: Milan Linhart

Weitere Bereiche des Museums dokumentieren zum Beispiel den Mauerbau von Berlin, die Versuche von Volksaufständen in den Ostblockstaaten sowie den Prager Frühling und seine Niederschlagung 1968. Ein zentrales Ausstellungsstück ist ein Telefon besonderer Art…

„Das Telefon stand beim tschechoslowakischen Staatspräsidenten und Parteichef Gustav Husák auf dem Arbeitstisch. Von ihnen gab es nur fünf in der gesamten ČSSR. Es waren Hochfrequenzapparate, die nicht abgehört werden konnten. Am anderen Ende der Leitung saß der höchste Vertreter des kommunistischen Regimes in der Sowjetunion“, sagt der Museumsleiter.

Foto: Milan Linhart

Anders funktionierte hingegen der sogenannte Heiße Draht zwischen Washington und Moskau:

„Wir alle haben immer geglaubt, dass dieser heiße Draht zwischen Washington und Moskau ein Telefon gewesen wäre, von dem aus der amerikanische Präsident den Generalsekretär der KPdSU angerufen hat oder umgekehrt. Das ist aber komplett falsch. Es handelte sich um einen ostdeutschen Fernschreiber, an dem rund um die Uhr je fünf Menschen auf beiden Seiten saßen. Wenn es zur Krise kam, dann wurde über diesen Schreiber kommuniziert.“

Foto: Milan Linhart

Obwohl der Eiserne Vorhang zwei Welten voneinander trennte, konnten ihn einige Prominente regelmäßig passieren. Der Schlagersänger Karel Gott etwa nutzte unter anderem den Übergang in Rozvadov-Waidhaus, um zu Auftritten nach Westdeutschland zu fahren. Auch das ist in dem Museum zu sehen. Und dann der Fall des Eisernen Vorhangs 1989.

„Hier ist ein Bild einiger Persönlichkeiten, die sich um den Fall des Eisernen Vorhangs verdient gemacht haben. Lech Wałesa wird dabei gerne vergessen, des Weiteren gehören dazu Václav Havel, Papst Johannes Paul II., Ronald Reagan, Margret Thatcher und George Bush. Dann ist hier Michail Gorbatschow, ohne den es ebenso dazu nicht gekommen wäre. Zudem sind es Madeleine Albright und der französische Präsident François Mitterand, auf der linken Seite noch der frühere deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher sowie Helmut Kohl“, zählt Václav Vítovec auf.

Foto: Milan Linhart

Doch der Museumsgründer gibt dem Besucher noch ein paar mahnende Worte mit auf den Weg:

„Leider arbeiten wir an neuen Eisernen Vorhängen. So steht zwischen Palästina und Israel eine sechs Meter hohe festungsartige Mauer. Sie kostet eine Million Dollar je Kilometer. Es gibt einen solchen Vorhang zwischen Nord- und Südkorea, wir bauen neue Zäune gegen Migranten. Dies wird nicht ideologisch, sondern ökonomisch begründet. Die Folgen sind aber dieselben.“

Und wer über diese Zusammenhänge nachdenken will, der kann dies am Ende des Rundgangs in einem Meditationsraum.

Das „Museum des Eisernen Vorhangs“ befindet sich auf tschechischer Seite am Grenzübergang Rozvadov-Waidhaus. Geöffnet ist es mittwochs und samstags jeweils von 11 bis 17 Uhr. Führungen gibt es auch auf Deutsch, sie müssen aber vorab bestellt werden. Mehr Informationen auf der Website www.muzeumrozvadov.eu.

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