Einsatz für Freiheit und Demokratie: Preise „Paměť národa“ zum zwölften Mal in Prag vergeben
Am 17. November, dem „Tag des Kampfes für Freiheit und Demokratie“, werden in Tschechien traditionell auch die Preise „Paměť národa“ (Gedächtnis der Nation) vergeben. Zwei der vier Ausgewählten haben ihre Auszeichnung am Abend im Prager Nationaltheater persönlich entgegengenommen.
Eine Unterzeichnerin der Charta 77, die viele Male von der Staatssicherheit verhaftet wurde. Eine Auschwitz-Überlebende, die durch ihren Arbeitseinsatz ihrer Mutter im Lager das Leben rettete. Ein Pfadfinder, der seine Widerstandshaltung gegen das kommunistische Regime mit sechs Jahren im Uranschacht bezahlte. Und ein Minderheitsangehöriger, der wegen Republikflucht zu drei Jahren militärischer Zwangsarbeit verurteilt wurde. Dies sind die diesjährigen Laureaten der Preise „Paměť národa“, die von der Organisation Post Bellum vergeben werden. Deren Gründer und Direktor Mikuláš Kroupa sagte dazu in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Alle vier Preisträger haben vieles gemeinsam. Vor allem aber haben sie durch ein Ereignis in ihrem Leben oder ihre Taten gezeigt, dass ‚Ehre‘, ‚Freiheit‘ und ‚Menschenwürde‘ keine leeren Worte sind. Genau so haben wir die Preise ‚Paměť národa‘ einst definiert. Die Lebensläufe dieser Menschen haben etwas wirklich Erhebendes, Inspirierendes und Heldenhaftes.“
Bei der Preisverleihung am Mittwochabend war in den Ansprachen zu hören, dass die Geehrten sich nicht nur durch ihren Mut hervorgetan hätten, sondern auch anderen Menschen halfen. Jiří Lukšíček etwa verübte als Pfadfinder mit einer Widerstandsgruppe Sabotageakte gegen das kommunistische Regime der ČSSR. Noch heute unterstützt er die Jugendbewegung und tritt öffentlich als Zeitzeuge auf. Den Preis überreichte ihm seine Ehefrau Helena.
„Als ich erfahren habe, dass ich den Preis von Post Bellum bekomme, hat mein Atem gestockt, und die Tränen sind mir in die Augen gestiegen. Denn dies hat für mich eine große Bedeutung.“
1954 wurde Lukšíček für seine Widerstandstätigkeit mit sechs Jahren Zwangsarbeit in den Urangruben von Jáchymov / Joachimsthal bestraft. Bereut hat er seine Taten trotzdem nie. Denn er habe, wie er sagt, nie zur schweigenden Mehrheit gehören wollen.
Als 18-Jährige wurde Lívia Herzová 1944 nach Auschwitz deportiert und kam kurz darauf ins Konzentrationslager Münchmühle. Beim Arbeitseinsatz in einer Munitionsfabrik brachte sie auch ihre Mutter durch, und zusammen überlebten die beiden Frauen sogar den Todesmarsch zu Kriegsende. Ihren Preis konnte Herzová aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich entgegennehmen. Ebenso fehlte bei der Zeremonie Jarmila Stibicová. Ihre Unterschrift unter der Charta 77 bedeutet für die 1933 Geborene Berufsverbot und eine permanente Verfolgung durch den Inlandsgeheimdienst, die bis zum Beginn der Samtenen Revolution andauerte.
Im Nationaltheater empfangen werden konnte aber František Vaczula. Als Angehörige der ungarischen Minderheit wurde seine Familie nach dem Krieg von der Slowakei zunächst ins mährische Sudetenland umgesiedelt. Nach ihrer Rückkehr entschied sich František bald für die Emigration nach Österreich. An der noch nicht befestigten Grenze wurde er aber festgenommen und daraufhin für drei Jahre ins Technische Hilfsbataillon abkommandiert, also in ein Lager für militärische Zwangsarbeit. Die Auszeichnung von Post Bellum, die ihm am Mittwoch von seiner Tochter übergeben wurde, verbindet der 91-Jährige mit Optimismus:
„Mir sind die Tränen gekommen. Aber nicht, weil man mich ausgezeichnet hat, sondern weil auch gute Dinge geschehen. Ich bin froh, dass meine Kinder, Enkel und Urenkel ein besseres Leben haben, als wir es zu kommunistischen Zeiten hatten.“
Die Preise „Paměť národa“ werden seit 2010 vergeben. Laut Post-Bellum-Chef Kroupa werden die zugrundeliegenden Werte heute bisweilen neu interpretiert:
„Diese Werte schwächen sich langsam ab. Sie verschwinden zwar nicht, wirken aber manchmal schon pathetisch. Die Zeitzeugen sprechen davon, dass sie als Patrioten gehandelt hätten. Dieser Begriff hat heute vielfältige Bedeutungen. Wir erleben etwa nationale Patrioten, die gegen Corona-Masken kämpfen. Dies hat aber nichts zu tun mit dem Patriotismus derer, die im Zweiten Weltkrieg Widerstand geleistet haben.“
Eine weitere Herausforderung ergibt sich für die Initiatoren aus der Tatsache, dass immer weniger potentielle Preisträger am Leben sind. Darum werde erwogen, die Auszeichnung zukünftig auch posthum zu vergeben, ergänzt Kroupa.