Das Leben riskiert in Zeiten der Diktatur
Eine Holocaust-Überlebende und drei politische Gefangene wurden am 17. November in Prag mit den Preisen des Nationalen Gedenkens (Cena Paměti národa) ausgezeichnet. Sie haben alle großen Mut bewiesen und ihr Leben riskiert.
Die heute 85-jährige Helena Kociánová wurde als 18-Jährige vom kommunistischen Geheimdienst StB verhaftet. Der Grund war, dass sie einem Bekannten verraten hatte, wie sich die Staatsgrenze überwinden lässt. Sie wurde zu vier Jahren Haft verurteilt und verbrachte diese unter harten Bedingungen in Gefängnissen und Arbeitslagern. Bei der Zwangsarbeit am Mähdrescher wurde sie schwer verletzt und verlor ein Bein. Trotzdem sagte sie bei der Preisverleihung:
„Auch meine Mitgefangenen haben mich damals gefragt, ob ich nicht Hass empfinden würde. Aber ich fühle keinen Hass. Wenn ich hassen würde, würde man auch mich hassen.“
Die heute 84-jährige Milena Blatná arbeitete in den 1950er Jahren in den Urangruben in Jáchymov / Joachimsthal und kontrollierte dort die Strahlungsintensität. Als sie mit der Tätigkeit begann, war sie 18 Jahre alt. Blatná bemühte sich, den Gefangenen zu helfen: Sie schmuggelte Briefe, Essen und verschiedene Kleinigkeiten. Dabei riskierte sie selbst, eingesperrt zu werden. Dann verliebte sie sich in einen der politischen Gefangenen. Einige Jahre später heirateten beide. Bei der Preisverleihung sagte Milena Blatná:„Ich habe gewusst, was ich riskiere, aber daran durfte ich nicht denken. Mein künftiger Mann, mit dem ich damals oft nur schriftlich in Kontakt war, bat mich, nichts mehr zu schmuggeln, weil ich dafür bestraft werden könnte. Er sagte, er könne mir das nicht befehlen, aber bitte mich darum.“
Die 95-jährige Marta Szillárdová stammt aus einer jüdischen Familie aus dem slowakischen Levice. Sie hat gemeinsam mit ihrer Schwester das KZ und Vernichtungslager Auschwitz überlebt. Beim Todesmarsch von dort rettete sie ihrer Schwester das Leben. Erst viele Jahre später konnte sie ihren Töchtern von diesen Erlebnissen erzählen. Marta Szillárdová kam nicht selbst nach Prag, den Preis nahmen ihre Töchter entgegen. In einem Dokumentarfilm sagte sie, die Erinnerungen an Auschwitz seien sehr schmerzvoll.
„Der Tod war dort selbstverständlich. Meine ganze Familie wurde dort ermordet und verbrannt.“
Jiří Světlík ist 94 Jahre alt. Er hat fast elf Jahre lang in verschiedenen Gefängnissen und Arbeitslagern verbracht. Zur NS-Zeit war er als Zwangsarbeiter eingesetzt und wurde verhaftet. Er sollte wegen Hochverrats verurteilt werden. Bevor der Prozess begonnen hatte, befreite ihn die US-Armee aus einem Gefängnis in München. Zu kommunistischen Zeiten saß Světlík wegen Hochverrats mehr als zehn Jahre lang in Haft. Verurteilt worden war er zu 20 Jahren Gefängnis, aber er wurde vorzeitig entlassen. Er habe immer gehofft, dass das kommunistische Regime einmal zusammenbrechen werde – genauso wie Hitler und der Nationalsozialismus, sagte Světlík am Samstag.„Um zu überleben, muss man einen Funken Hoffnung haben. Wenn man sich auf sein Leiden konzentriert, kann man nicht überleben.“
Die Preise des Nationalen Gedenkens wurden am Samstag zum neunten Mal verliehen.