Schuldenerlass für Tausende Menschen: Erstes „Gnadenjahr“ in Tschechien beendet
Am Freitag endet in Tschechien die dreimonatige Aktion „Milostivé léto“ (Erlassjahr). Sie gab Menschen die Möglichkeit, sich auf unbürokratische Weise ihrer Schulden bei öffentlichen Einrichtungen zu entledigen. Im Herbst soll sie wiederholt werden.
Nach Angaben verschiedener Schuldenberatungsstellen haben sich seit Ende Oktober mehrere Zehntausend Menschen am ersten „Milostivé léto“ in Tschechien beteiligt. Das heißt, sie haben ihre Ausstände bei staatlichen oder Gemeindeinstitutionen beglichen. Radek Hábl, Leiter des Instituts zur Vorbeugung und Auflösung von Überschuldung, konkretisiert:
„Am häufigsten handelte es sich um Schulden bei den Verkehrsbetrieben und bei Krankenversicherungen. Es gab auch viele Fälle von Mietschulden in Gemeindewohnungen, bei denen die ursprünglichen Summen auf ein Vielfaches angestiegen waren. Und außerdem wurden nicht bezahlte Regulierungsgebühren beglichen.“
Die Betroffenen konnten durch die Erlassaktion teilweise jahrelang anhängige Verfahren zur Zwangsvollstreckung einstellen lassen. Dafür mussten sie den ursprünglichen Schuldenbetrag errichten sowie eine Gebühr von 908 Kronen (37 Euro), die an die Gerichtsvollzieher ging. Die angehäuften Gebühren, Zinsen oder zusätzlichen Strafzahlungen wurden dabei erlassen.
Die Gerichtsvollzieherkammer wird erst im März die genaue Zahl der Teilnehmenden veröffentlichen. Schon jetzt ist aber klar, dass wesentlich weniger Menschen den „Milostivé léto“ genutzt haben als erwartet. Zu Beginn der Aktion am 28. Oktober war von bis zu 300.000 Personen die Rede gewesen, die Anspruch gehabt hätten. Einige zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren deshalb, dass zu Beginn der Initiative die Öffentlichkeit nicht ausreichend informiert worden sei und auch nicht klar war, welche Krankenversicherungen sich beteiligen. Pavla Aschermannová von der NGO Rubikon nennt noch einen weiteren Grund für die geringe Reichweite:
„In diese erste Runde fiel die sprunghafte Verteuerung der Energiepreise. Viele Menschen, die den Schuldenerlass nutzen wollten, bekamen plötzlich Probleme, ihre Stromrechnung zu bezahlen. Dadurch hatten sie kein Geld mehr, um ihre Schulden zu begleichen.“
Um Schuldnern eine neue Chance auf die Verminderung ihrer finanziellen Last zu geben, soll das Erlassjahr wiederholt werden. Vladimír Řepka, Sprecher des Justizministeriums:
„Das nächste ‚Milostivé léto‘ soll am 1. September beginnen und erneut drei Monate, also bis Ende November dauern. Die zweite Runde wollen wir effektiver gestalten, um Unklarheiten zu vermeiden.“
Justizminister Pavel Blažek (Bürgerdemokraten) will nun in Zusammenarbeit mit Schuldenberatern und der Gerichtsvollzieherkammer die Kriterien für die Betroffenen anpassen. Geplant ist zudem ein „privates Erlassjahr“ für Unternehmen. Schon in der jetzt zu Ende gehenden ersten Runde hatte sich eine Reihe von Firmen und Banken freiwillig dem „Milostivé léto“ angeschlossen.