Jubiläum: In Brünn wird an Dichter Jan Skácel erinnert
Vor 100 Jahren wurde der Dichter der Stille und Geheimnisse geboren. So wird der tschechische Poet Jan Skácel häufig kurz charakterisiert. An ihn wird am Montag in Brno / Brünn erinnert.
Die Mährische Landesbibliothek verwandelt sich ab Montagnachmittag in eine offene Sammlung von Jan Skácels Gedichten. Die Besucher können nicht nur in seinen Versen sozusagen „blättern“, sondern sich auch durch Texte von Lesern inspirieren lassen. Tomáš Kubíček leitet die Mährische Landesbibliothek:
„Wir haben ein breites Spektrum an prominenten Leserinnen und Lesern von Skácels Gedichten angesprochen. Jeder hat ein Gedicht ausgesucht und dazu eine kurze Deutung geschrieben. Von den 40 angesprochenen Persönlichkeiten haben nur zwei dasselbe Gedicht ausgesucht.“
Unter den Angesprochenen waren der Dichter Petr Borkovec, die Schriftsteller Milan Kundera und Pavel Kohout, der Illustrator Petr Sís, die Vorsitzende der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, Eva Zažímalová, sowie Kulturminister Martin Baxa (Bürgerdemokraten). Die Gedichte, die die Persönlichkeiten aussuchten, wurden in Großformat samt Kommentaren in den Räumlichkeiten der Bibliothek installiert.
Geboren wurde Jan Skácel im Ort Vnorovy / Wnorau in Südostmähren. Dort wurde am Wochenende eine Ausstellung von Fotos und Dokumenten eröffnet. Für den Montagabend bereitet die Gemeinde eine Wanderung vor, die sich an Skácels Gedicht „Znorovy v noci“ (Znorovy in der Nacht) anlehnt. Dazu der Bürgermeister Antonín Gazárek (Christdemokraten):
„Bis 1924 hieß unsere Gemeinde Znorovy, danach wurde sie angeblich nach alten Dokumenten in Vnorovy umbenannt. Jan Skácel kam also in Znorovy zur Welt.“
Ins Gymnasium ging Jan Skácel dann in Břeclav / Lundenburg und in Brünn. Während des Zweiten Weltkriegs war er als Zwangsarbeiter in Österreich eingesetzt. Skácel studierte Bohemistik und Russistik. Er arbeitete im Tschechoslowakischen Rundfunk in Brünn. Von 1963 bis 1969 war er Chefredakteur der Kulturzeitschrift „Host do domu“. Diese existierte jedoch nur bis 1970.
Nach dem Kriegsende war Skácel in die Kommunistische Partei eingetreten. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings von 1968 wurde er aus der Partei ausgeschlossen. In den 1970er Jahren durften Skácels Werke in der Tschechoslowakei nicht herausgegeben werden. Sie erschienen im sogenannten „Samizdat“, also dem Selbstverlag, oder im Ausland. Erst in den 1980er Jahren durfte der Dichter eine Auswahl seiner Gedichte wieder in der Tschechoslowakei herausbringen. Skácel schrieb auch Prosa und Kinderbücher. Er starb am 7. November 1989 in Brünn. Sein Begräbnis fand zwei Tage vor dem Ausbruch der Samtenen Revolution statt.
Auf Deutsch erschien 1967 der Gedichtband „Fährgeld für Charon“ (Originaltitel „Smuténka“) in einer Übersetzung von Reiner Kunze. Der deutsche Lyriker übertrug auch eine weitere Gedichtsammlung mit dem Titel „Wundklee“, die 1982 erschien. Weitere deutsche Ausgaben sind „Ein Wind namens Jaromír und andere Gedichte“ von 1991 und „Nochmals die Liebe“ von 1993, beide in der Übersetzung von Felix Philipp Ingold.