Veraltete Unterrichtsmethoden an tschechischen Schulen
In tschechischen Schulen werden weniger Unterrichtsmethoden angewandt als es im Ausland üblich ist. Dass die Lehrer hierzulande am häufigsten immer noch den Frontalunterricht praktizieren, belegt eine umfassende Studie des Think-Tanks Idea.
Das Abfragen von Inhalten, die zuvor per Lehrervortrag an der Tafel vermittelt worden sind – so sehen bis zu 75 Prozent einer Unterrichtsstunde in Tschechien aus. In Deutschland hingegen werden durchschnittlich 56 Prozent einer Stunde für Frontalunterricht verwendet. Das Team vom Think-Tank Idea, angesiedelt am volkswirtschaftlichen Institut der tschechischen Akademie der Wissenschaften, hat für seine Studie die hiesigen Mathematik- und Lesestunden der vierten und sechsten Klasse analysiert.
Obwohl die Expertenwelt sich mittlerweile einig sei, dass Frontalunterricht wenig effektiv ist, werde er in Tschechien noch verbreitet angewendet, kritisiert Miroslav Hřebecký. Der Programmleiter des Informationszentrums für Bildung, EDUin, sagte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Wir sind immer noch in alten Traditionen gefangen. In den 1980er Jahren wurden hierzulande sehr genaue pädagogische Methoden ausgearbeitet, die allerdings eng an den Anforderungen des damaligen politischen Regimes ausgerichtet waren. Davon haben wir uns immer noch nicht gelöst, auch wenn die Lehrergeneration mittlerweile eine andere ist. Die Last der Vergangenheit wird weitertransportiert, was unter anderem an den Hochschullehrplänen für angehende Lehrer liegt.“
Durch die Forschung ist inzwischen belegt, dass ein Schüler mehr vom Lehrstoff versteht, je aktiver er in den Unterricht einbezogen wird. Die Lehrer in Tschechien scheinen von moderneren Methoden, wie etwa Gruppenaufgaben, Projektarbeit oder Themenwochen, bisher noch nicht überzeugt zu sein. Hierzulande herrsche, so Hřebecký, immer noch das einfache Ping-Pong-Prinzip vor, bei dem der Lehrer etwas vortrage und der Schüler eine präzise Antwort auf Kontrollfragen geben müsse:
„Frontales Vortragen ist die am wenigsten effektive Unterrichtsform von allen. Es gibt Studien, die den Grad der Stoffaneignung auf diese weisebei nur fünf Prozent beziffern. Wenn hingegen eine audiovisuelle Quelle zum Einsatz kommt, etwa ein Film zum Thema, steigt die Rezeption gleich auf 20 Prozent. Dieser Wert liegt zwar schon höher, ist aber immer noch nur ein Fünftel dessen, was wir eigentlich erreichen wollen.“
Viel höhere Erfolgsquoten würden dem Pädagogen zufolge erreicht, wenn etwa einer der Schüler den anderen etwas vermittelt. In einer idealen Unterrichtsstunde müssten darum unterschiedliche Lehrformen zur Anwendung kommen:
„In einer buntgemischten Klasse müssen verschiedenartige Methoden angewendet werden. Diese haben dann eine breite Trefferquote und sind nicht nur für eine bestimmt Gruppe von Schülern geeignet. Der sehr eingeschränkte Methodenmix, der hierzulande laut der Studie vorherrscht, kommt nur bei einer Minderheit der Schüler an.“
Das tschechische Bildungsministerium versucht, auf die Erkenntnisse zu reagieren. Gerade wurde die Strategie für die Jahre ab 2030 verabschiedet. Diese setze auf eine höhere Effektivität und mehr Partizipation, lobt Hřebický. Mehr Aufmerksamkeit verdienen seiner Ansicht nach aber noch die herrschenden Unterschiede zwischen der Grund- und der Sekundarstufe in Tschechien. Erstere umfasst die Klassenstufen eins bis fünf, letztere meint die sechste bis neunte Klasse. Hřebecký mahnt:
„Während die Grundstufe seit der Samtenen Revolution umfassend reformiert wurde, ist die Sekundarstufe in den alten Traditionen hängengeblieben. Darum wurde diese von der tschechischen Schulinspektion vor einigen Jahren als der schwächste Punkt im hiesigen Bildungssystem bezeichnet.“