Corona-Pandemie: Distanzunterricht stellt Schüler, Eltern und Lehrer vor Herausforderungen
Seit 14. Oktober sind die tschechischen Schulen wieder geschlossen. Noch während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr erklang vielerorts ein Lob, wie gut Schüler und Lehrer den Distanzunterricht gemeistert haben. Jetzt treten seine Nachteile immer deutlicher zutage. Experten warnen vor nicht aufzuholenden Bildungslücken.
Der vor kurzem abgelöste Gesundheitsminister Roman Prymula (parteilos) konnte sein Versprechen nicht einhalten. Als er am 14. Oktober neben den Kultur- und Gastronomieeinrichtungen auch die Schulen schließen ließ, schränkte er die Maßnahme für letztere auf die Dauer von zwei Wochen ein. Die Corona-Zahlen stiegen aber weiter dramatisch an, und die Hoffnungen der Eltern und auch Schüler wurden nicht erfüllt. Zuzana ist Mutter von zwei Kindern, ihr ist die Anspannung anzumerken:
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Heimunterricht noch lange so weitergehen soll. Die Kinder lernen dabei nicht so viel wie in der Schule. Zu Hause werden sie viel zu sehr abgelenkt.“
Noch schwieriger gestaltet sich die Lage für Kinder mit besonderem Förderbedarf. Seit Montag sind in Tschechien auch ihre Schulen geschlossen. Für Nikola, die ältere Tochter von Zuzana, stellen die täglich drei Stunden Heimunterricht eine echte Herausforderung dar:
„Sie hat das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom. Zu Hause kann sie sich schwerer konzentrieren als in der Schule. Ich muss sehr aufpassen, dass sie am Unterricht tatsächlich teilnimmt und nicht vom Computer wegläuft.“
Nicht nur die Pädagogen der Förderschulen müssen sich auf Einschränkungen einstellen. Auch die Grundschullehrer können mit ihren Schützlingen derzeit nur den wichtigsten Stoff durchnehmen. Für den Distanzunterricht werden die Klassen häufig in kleinere Gruppen eingeteilt, um die sich die Lehrer dann getrennt kümmern müssen. So wird lediglich das Allernötigste des Lehrplans vermittelt. Alles andere bleibe auf der Strecke, bemängelt Michal Černý. Er ist der Vorsitzende des Grundschulverbandes:
„Die Unterschiede im Bildungsstand zwischen den einzelnen Schülern, Schulen und Regionen sind bei uns in Tschechien sowieso mit die größten weltweit. Diese vertiefen sich jetzt noch. Wir ziehen gerade eine Gruppe von Personen heran, die dazu verurteilt sind, nicht die nötige Bildung zu bekommen.“
Erschwerend kommt hinzu, dass nach wie vor nicht alle Eltern in der Lage sind, ihre Kinder mit einem Computer oder einem Smartphone auszustatten. Laut den Angaben der tschechischen Schulinspektion hatten während des ersten Lockdowns im Frühjahr 250.000 Grundschüler im Land keinen heimischen Internetanschluss.
Und noch einen Nachteil hat der Distanzunterricht. Den Kindern fehlen nicht nur die persönlichen Kontakte zu ihren Freunden, sondern auch zum Lehrpersonal. Miroslava berichtet zum Beispiel, dass das jüngste ihrer drei Kinder seit diesem Schuljahr eine neue Klassenlehrerin hat. Weder der Sohn noch die Eltern haben sie bisher getroffen. Und auch die Lehrerin selbst hatte noch keine Möglichkeit, ihre Schüler persönlich kennenzulernen. Nun müsse sie mit den Schülern aber trotzdem ein oder zwei Stunden täglich kommunizieren. Das wirke sich negativ auf das Verhältnis zwischen dem Schüler, der Lehrerin und den Eltern aus, so Miroslava.
Auch physisch ist der Onlineunterricht am Computer für die Kinder anstrengend. Petr Chaluš ist Vorsitzender des Elternforums. Er fordert, die Übungen abwechslungsreicher zu gestalten:
„Die Aufgaben sollten die Kinder nicht so erschöpfen. Diese müssen nämlich stundenlang dem Frontalunterricht folgen. Stattdessen könnten zum Beispiel Spiele angeboten werden, interaktive Arbeitsweisen und Gruppenarbeit. Einfach andere Arbeitsmethoden, die die Möglichkeiten der modernen Technologie ausnutzen.“
Wann die Kinder und Jugendlichen wieder in die Klassenräume zurückkehren, ist derzeit völlig unklar. Bildungsminister Robert Plaga (Partei Ano) stellte am Freitag nicht wie angekündigt einen konkreten Plan für die Schulöffnung vor. Immerhin steht die Reihenfolge schon einmal fest:
„Unsere Prioritäten sind klar: Sobald es möglich wird, müssen die ersten und zweiten Klassenstufen in die Grundschulen zurückkehren. An zweiter Stelle kommen die ältesten Jahrgänge der Grundschulen, also die neunten Klassen, sowie die Abschlussklassen der weiterführenden Schulen.“