Gedenken an die Opfer des Kommunismus – und Warnung vor den Praktiken von Tyrannen der Gegenwart
Der 27. Juni gilt in Tschechien als Tag des Gedenkens an die Opfer des kommunistischen Regimes. Aus diesem Anlass fanden am Sonntag einige Veranstaltungen statt.
Auf dem Friedhof im Prager Stadtteil Ďáblice wurde am Sonntag an die hingerichteten und zu Tode gefolterten politischen Gefangenen erinnert. An der Gedenkveranstaltung nahmen Politiker, Armeevertreter sowie ehemalige politische Häftlinge teil. Jiří Línek ist der Vorsitzende des Verbands der ehemaligen politischen Gefangenen, der den Pietätsakt organisiert hat:
„Zur Bestrafung der Täter kam es nicht, und dazu wird es wegen des langen Zeitabstands auch nicht mehr kommen. Es sollte aber wenigstens eine Identifizierung sowie ein moralische Verurteilung der Täter geben, die die Verbrechen verübt haben.“
Auf dem Friedhof in Ďáblice wurden in den 1950er Jahren politische Gefangene unter Geheimhaltung in Massengräbern bestattet. Rund 200 Opfer des kommunistischen Regimes sind dort anonym begraben. Auf diese Weise sollten die Familienangehörigen daran gehindert werden, sich von den Toten zu verabschieden. Línek machte am Sonntag darauf aufmerksam, dass wir auch heute noch Zeugen von neuen Massengräbern werden. Ebenso brachten noch weitere Redner die Opfer des Kommunismus mit dem Geschehen in der Ukraine in Zusammenhang. So erklärte Verteidigungsministerin Jana Černochová (Bürgerdemokraten), dass totalitäre Regime in der Welt noch nicht verschwunden seien:
„Leider brauchen wir nicht nur auf die Geschichte zurückzublicken. Die Praktiken der Tyrannen in Russland oder in Belarus haben sich seit Stalins Zeiten kaum verändert.“
Außenminister Jan Lipavský (Piraten) betonte, die heutigen Politiker seien dafür verantwortlich, dass sich die Geschichte nicht wiederhole:
„Umso wichtiger ist es, das Andenken der Opfer zu ehren und daran zu erinnern, dass kein Opfer einfach verschwindet.“
Die Vizevorsitzende des Abgeordnetenhauses, Olga Richterová (Piraten), machte in Ďáblice darauf aufmerksam, dass die Kommunistische Partei Tschechiens seit den Wahlen im Oktober erstmals nicht mehr im Parlament vertreten ist. Vor dem Mahnmal für die Opfer des Kommunismus sagte die Politikerin:
„Es ist besonders schwer, sich dessen bewusst zu werden, dass es Tschechen waren, die schwangere Frauen gefoltert und zugelassen haben, dass in den Gefängnissen kleine Kinder starben.“
Ein Teil des Friedhofs in Ďáblice ist in den 1990er Jahren zu einem Ehrenfriedhof umgestaltet worden. Dieser wurde 2017 zum Kulturdenkmal ausgerufen.
Der Opfer des Kommunismus wurde am Sonntag auch auf dem Prager Vyšehrad gedacht. Am symbolischen Grab von Milada Horáková wurde an das Vermächtnis der Politikerin und bedeutenden Vertreterin der Frauenbewegung erinnert. Horáková wurde wegen angeblichen Hochverrats am 8. Juni 1950 in einem Schauprozess zum Tode verurteilt und am 27. Juni hingerichtet. Dieses Datum gilt darum in Tschechien alljährlich als Tag des Gedenkens an die Opfer des kommunistischen Regimes.
Auf dem Vyšehrad fand zudem eine Gedenkveranstaltung statt, bei der an die gewaltsame Liquidierung der Männerorden erinnert wurde. Die sogenannte „Aktion K“ wurde im April 1950 durchgeführt. Im Sommer folgte die sogenannte „Aktion Ř“, die gegen Frauenorden ausgerichtet war.
Den Historikern zufolge wurden in der Tschechoslowakei nach 1948 rund 250 Menschen aus politischen Gründen hingerichtet oder ermordet. Mehr als 4500 Personen starben infolge von Folter und schlechten Bedingungen in den Arbeitslagern und Gefängnissen.