Siebdruck, Lachyoga – und Musik: Das Festival Povaleč belebt ein ruhiges böhmisches Dorf
Das Festival Povaleč findet seit 16 Jahren im beschaulichen Örtchen Valeč / Waltsch im Kreis Karlovy Vary / Karlsbad statt. Was als Geburtstagsparty im Freundeskreis begann, hat sich mittlerweile zu einer Veranstaltung mit mehreren Tausend Besuchern entwickelt. Geboten wird aber nicht nur Musik verschiedener Genres, sondern auch Theater, Kunst, Diskussionen und vieles mehr.
Beim ersten Durchgang des Festivals gehörte auch Pavel Hiršl schon zu den Gästen. Im Gespräch für Radio Prag International erinnert er sich:
„Ich war schon beim ersten Povaleč dabei, denn ich komme aus der Gegend, aus Podbořany, das 15 Kilometer von hier entfernt liegt. Seit 2014 fahre ich jedes Jahr hierher, um zu faulenzen. Denn das sagt ja schon der Name: Ein ‚Povaleč‘ ist im Tschechischen nämlich ein Faulenzer.“
Pavel zufolge hat sich das Festival im Laufe der Jahre sehr verändert.
„Früher gab es hier wirklich nur die jetzige Main Stage und ein Bierzelt. Es kamen ungefähr 200 Menschen. Später wurde eine Reggae Stage ergänzt, dort läuft heute viel Alternatives, und dann noch die B Stage. Auf der gibt es heute Elektro“, sagt Pavel.
Im Vor-Corona-Jahr 2019 zählte das Festival über 7000 Besucher. Im Laufe der Jahre wuchs auch die Zahl der Bühnen. So entstand etwa die Busking Stage im Schlosspark von Valeč. Zwischen schattenspendenden Bäumen und barocken Statuen können hier im kleinen Rahmen Newcomerbands auftreten – so wie Pavel mit seiner Gruppe Lonely Shredder and the Heavy Smokers:
„Mein Bandmitglied hat mir geschrieben: ‚Hey, da kann man doch Akustik-Sets spielen, auf der Busking Stage.‘ Dann haben wir uns bei den Organisatoren gemeldet. Unsere Musik hat ihnen gefallen, und heute haben wir hier gespielt“, meint der Sänger.
Pavel beschreibt die Musik seiner Band als Mischung aus Shoegaze, Dream Pop und Psychedelic Pop. Doch er ist nicht nur zum Musik-Machen und -Hören hergekommen:
„Das Coole ist, dass sich hier viele Leute von den Jahren zuvor kennen. Das ist wirklich schön. Und der Vibe des Festivals ist einfach super. Man muss hier gar nichts machen. Aber wenn man Lust auf etwas hat, kann man einfach zu einer der Bühnen gehen oder im Garten chillen und den Leuten zuschauen, wie sie zum Beispiel Siebdruck machen.“
Begleitprogramm steht im Mittelpunkt
Doch Siebdruck, das ist noch lange nicht alles. Denn das Festival bietet ein umfangreiches Begleitprogramm. So werden etwa Filme gezeigt, und es gibt Diskussionsveranstaltungen. Geboten wird zudem bildende Kunst, und der Innenhof des Schlosses wird stets von mehreren Theatergruppen bespielt.
Statt einem hohen Eintrittspreis fällt für den Zugang zum Festivalareal in Valeč lediglich eine Spende an. Die Empfehlung hierfür liegt bei 550 Kronen, also umgerechnet knapp 22 Euro. Dafür kann man eben keine weltbekannten Superstars erwarten, sondern die einzigartige Atmosphäre des Schlosses und seiner Umgebung. Abgesperrt durch Zäune ist das Areal nicht.
Das Programm organisiert hat unter anderem František Špinka. Wie die Auswahl getroffen wurde, erklärte er in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Wir bemühen uns ständig, das Angebot zu verbessern und zu erweitern. Das gilt vor allem für die Begleitveranstaltungen. Die Auftritte der Bands sind ja ein ganz schöner Moloch. Das Begleitprogramm kann aber im Schlossgarten oder im Inneren des Schlosses, im Lustschloss oder in der ehemaligen Schmiede stattfinden. Natürlich mag ich auch die Musikacts. Aber es gibt hier eben viel mehr Möglichkeiten, als ‚nur‘ eine Bühne aufzustellen und dort eine Band spielen zu lassen.“
„Die Leute kommen nicht nur wegen der Musik“
František Špinka zufolge hat man damit den Nerv des Publikums getroffen.
„Die Leute fahren nicht wegen einer bestimmten Musikrichtung auf das Povaleč oder nur wegen der Theatervorführungen. Sie kommen vielmehr wegen der Atmosphäre, dem Ort und dem, was wir hier realisieren“, sagt der Veranstalter.
Rücksicht genommen wird zudem auch auf Hinweise der Besucher, was einzelne potentielle Programmpunkte angeht. Tatsächlich hat das Konzept so viel Erfolg, dass mittlerweile auch einige wenige internationale Besucher nach Valeč anreisen. Eine Familie ist etwa aus Weiden in der Oberpfalz gekommen. Die Mutter lobt dabei, wie kinderfreundlich die Veranstaltung ist. Und tatsächlich gab es mit der in diesem Jahr angebotenen Kinder-Stage ein Unikum, das auf ähnlichen Veranstaltungen wohl seines Gleichen sucht. Denn auf der Bühne wird nicht nur Musik für junge Menschen geboten, sondern etwa auch ein Kasperletheater.
Das Programm ist also für Jung und Alt gedacht. Unter anderem kann man auch bei unterschiedlichen Workshops vorbeischauen. Einer davon ist ganz besonders, denn er bringt den Teilnehmern die Grundlagen des Lachyoga näher. David Zahradník leitet den Kurs. Im Interview mit Radio Prag International sagte er:
„Ich mag die Atmosphäre und den Ort wirklich sehr. Mittlerweile fahre ich seit 15 Jahren hierher. Damals habe ich noch gar kein Lachyoga gemacht. Aber dann habe ich begonnen, hier jedes Jahr den Workshop anzubieten. Ich will das Festival damit unterstützen, ich mache das nicht für das Geld und bekomme nur eine geringe Aufwandsentschädigung.“
Beim Lachyoga im Barockgarten führt Zahradník mit der Gruppe verschiedene Übungen durch. Zunächst werden die Gesichtsmuskeln massiert. Dann bewegt man sich durcheinander, mimt dabei, Staub zu saugen, aber statt dem Lärm des Geräts lacht man. „Fake it, until you make it“, ist das Motto dabei. Alles gipfelt schließlich darin, dass sich die Workshopteilnehmer gegenseitig auf den Bäuchen liegen und sich kaum noch halten können – denn Lachen steckt an. Zahradník zufolge hat der Workshop einen nachhaltigen Einfluss auf die Festivalbesucher…
„Wenn ich die Leute hinterher noch einmal treffe, strahlen sie und lachen viel mehr. Ich finde das toll, dass sich die Teilnehmer am Anfang auf das Lachen einstellen und dann zum Beispiel weniger in einen Wettstreit miteinander treten.“
Die Organisatoren packen mit an
Das Team, das hinter dem Festival steht, hat ebenso viel Freude bei der Arbeit.
„Das Povaleč ist eigentlich entstanden, als sich jemand entschied, seinen Geburtstag zusammen mit ein paar Freunden zu feiern. Das ist zwar zum Teil eine Legende, aber es ist auch etwas Wahres daran. Der Jubilar hatte später den Wunsch, ein Festival zu veranstalten, das ihm auch wirklich gefällt, denn so etwas gab es bis dato nicht. Bis heute wird das Povaleč von ein paar Freunden organisiert, die sich aus verschiedenen Kreisen kennen. Die Leute in unserem Team sind etwa durch die Arbeit, ihre Pfadfindergruppe oder von anderswoher miteinander befreundet. Alle verbindet, dass das Festival für sie einen großen Stellenwert hat“, so František Špinka.
Dem Organisator zufolge helfen die Leute beim Povaleč oft mit Tätigkeiten aus, mit denen sie sonst nur wenig Berührungspunkte haben:
„Natürlich ist die Arbeit sehr anstrengend. Aber ich für meinen Teil kann nur sagen, dass ich sonst sehr viel Zeit über Büchern und am Computer verbringe. Ich studiere und arbeite nebenbei. Beim Povaleč entfliehe ich dem und bin manuell tätig. Denn ich arbeite eigentlich sehr gern mit meinen Händen, komme im Alltag aber nur sehr selten dazu.“
Enge Beziehungen zur Gemeinde Valeč
Das Festival Povaleč macht also allen Spaß, den Organisatoren, den Künstlern und auch den Besuchern. Aber da sind ja auch noch die Bewohner des Ortes… Valeč ist den Großteil des Jahres über eine beschauliches Dorfmit nur um die 360 Einwohnern. Während des Festivals strömen jedoch mehrere Tausend Menschen in die Gemeinde. František Špinka streitet nicht ab, dass das mitunter zu Konflikten führt. Doch das Positive überwiege, meint er:
„Wir sehen uns jedes Jahr damit konfrontiert, dass das Festival für den Ort eine Belastung darstellt. Es gibt aber auch Leute wie die Bürgermeisterin oder den Kastellan des Schlosses. Sie sagen uns, dass das Povaleč der Gemeinde über die Jahre sehr geholfen und auch zu Einnahmen geführt hat. Valeč wurde durch das Festival einer großen Zahl von Leuten bekannt, die auch hierher fahren, wenn gerade nicht das Povaleč stattfindet.“
Ohne die Unterstützung der Entscheidungsträger vor Ort könne und wolle man das Festival auch gar nicht organisieren, sagt Špinka. Außerdem würde über die Veranstaltung hinaus eine Verbindung mit der Gemeinde Valeč bestehen:
„Zwei studierte Architekten aus unserem Team haben beispielsweise die Pläne erstellt für den Umbau der Umkleidekabinen auf dem Fußballplatz. An diesem Projekt haben wir uns also etwa beteiligt. Wir versuchen, außerhalb des Festivals Verbindungen zu schaffen und den Ort nicht nur für unsere Zwecke zu gebrauchen und dann wieder abzureisen.“
