Vor 85 Jahren: Abschied von Präsident Tomáš Garrigue Masaryk
Vor 85 Jahren starb Tomáš Garrigue Masaryk, der Gründer und erste Staatspräsident der Tschechoslowakei. Mehr als 500.000 Menschen aus dem ganzen Land kamen auf die Prager Burg, um ihn zu ehren und Abschied vom „Papa Masaryk“ zu nehmen. Im Archiv des Tschechischen Rundfunks wurden jüngst deutschsprachige Originalaufnahmen aus der Zeit gefunden und digitalisiert. Wir blicken anhand dieser Originaltöne auf die traurige September-Woche zwischen dem Tod und dem Begräbnis des Präsidenten zurück.
„Der erste Präsident der Tschechoslowakischen Republik, der Präsident-Befreier Tomáš Garrigue Masaryk, ist heute, Dienstag, den 14. September 1937, um 3 Uhr 29 Minuten morgens im Alter von 87 Jahren, sechs Monaten und sieben Tagen gestorben“,
so verkündete der tschechoslowakische Rundfunk in seinen deutschsprachigen Sendungen den Tod von Masaryk.
Masaryk, der dreimal hintereinander zum Staatsoberhaupt der neugegründeten Tschechoslowakei gewählt worden war, starb im Schloss Lány bei Prag. Dies hatte er als Landsitz der tschechoslowakischen Präsidenten gewählt und bewohnte es gern. Seine Kinder Alice, Jan und Olga, die Enkelinnen Anna und Herberta sowie seine Nichte Ludmila Lípová und ihr Mann versammelten sich in seinen letzten Stunden in seinem Schlafzimmer. Präsident Edvard Beneš und seine Frau Hana, Ministerpräsident Milan Hodža und weitere Personen standen vor der Tür. Um genau 3:29 Uhr morgens kam Masaryks Arzt aus dem Zimmer heraus und verkündete „T. G. Masaryk ist soeben gestorben.“
Masaryks einbalsamierter Leichnam wurde zunächst in Lány ausgestellt. In dem Zeitraum von 24 Stunden und 30 Minuten kamen 60.000 Menschen an dem Katafalk vorbei. Am 17. September wurde die Trauerhalle geschlossen. Der Sarg wurde mit der Nationalflagge verhüllt und in einem Leichenwagen nach Prag gebracht. Trauernde Menschenmassen begrüßten ihn auf dem letzten Weg.
Dieser endete auf der Prager Burg. Dort legte Präsident Beneš zu den Füßen seines berühmten Vorgängers einen Lorbeerkranz mit Bändern in den Nationalfarben nieder. Dieser trug die Aufschrift: „Dem Präsidenten-Befreier, meinem Lehrer und Freund – Der Präsident der Republik, Dr. Edvard Beneš“. Die Familienmitglieder legten ihre Blumen daneben. Tausende Menschen strömten in den nachfolgenden Tagen nach Prag, um von dem ehemaligen Staatsoberhaupt Abschied zu nehmen.
Der deutschsprachige Kurzwellensender des Tschechoslowakischen Rundfunks berichtete am 19. September 1937:
„Bereits mehr als 24 Stunden pilgern tags und nachts mächtige Menschenmassen aus der ganzen Republik auf die Prager Burg, wo die sterblichen Überreste des ersten Präsidenten der Tschechoslowakischen Republik, Tomas Garrigue Masaryk, aufgestellt sind. Gestern um neun Uhr öffnete sich der Säulensaal der Prager Burg, in dem auf einem Katafalk der Sarg mit der sterblichen Hülle des Präsidenten-Befreiers aufgestellt ist. Der Sarg ruht auf dem Katafalk so, wie er aus Lány überführt worden ist, ganz eingehüllt in einer mächtigen Staatsflagge. Beim Sarg steht die Militärehrenwache, die von der Prager Garnison gestellt ist. Und um eine Stufe tiefer wechseln die Ehrenwachen der Legionäre, der Turnorganisationen und Arbeiter ab, mit dem Hammer auf der Schulter zur Erinnerung daran, dass der Präsident der Befreier in seiner Jugend als Schmied gearbeitet hat. Besondere Aufmerksamkeit erweckt ein großer, vom Geburtsorte des Präsidenten, der Stadt Hodonín, gewidmeter Kranz, der mit dem Stadtwappen geziert ist. Tränen im Auge, mit kaum verhaltenem Schluchzen, ziehen Zehntausende Männer, Frauen und Kinder an dem Katafalk vorüber, auf dem der Sarg des Präsidenten des Befreiers ruht. Es ist dies tatsächlich eine Wallfahrt des ganzen Volkes zu dem mit asketischer Verehrung und Liebe umfangenen Präsidenten.“
Beschrieben wurde nicht nur das Geschehen auf der Burg, sondern auch die Atmosphäre in der Stadt:
„In der Hauptstadt Prag werden die Trauervorbereitungen zum Begräbnis des ersten Präsidenten der Republik, das im wahrsten Sinne des Wortes königlich gefeiert wird, beendet. Die Burg der böhmischen Könige, die ansonsten in heller Farbe erglänzt, ist nun in ein Trauerkleid eingehüllt. Zwei riesige Masten erzittern im Wind, und über der Burg ist ein schwarzer Baldachin gespannt. Von den Prager Kirchen, von jenen bekannten hundert Kirchentürmen wehen Trauerfahnen. Auch der Wilson-Bahnhof hat Trauerkleid angelegt. Von hier wird Präsident Masaryk seine letzte Reise nach dem ruhigen Láner Friedhof antreten. Alle Fassaden der Paläste der Stadt sind mit schwarzem Tuche behangen und mit den Initialen des großen Verstorbenen geziert. Es gibt fast kein Haus, von dem nicht eine Trauerfahne wehen würde. Die Bevölkerung erscheint auf der Straße teilweise im Trauerkleid. Sie trägt fast ausschließlich die Trikolore mit einem Bronzerelief des Präsidenten des Befreiers, mit schwarzem Flor bedeckt. Ähnlich wie Prag sind auch alle anderen Städte der Republik in tiefe Trauer gehüllt. Aber alle diese äußeren Trauervorbereitungen übertrifft der Ausdruck der Resignation und der Trauer, der aus den Augen und aus dem Antlitz der Menschen spricht.“
Über letzte Ruhestätte des ersten tschechoslowakischen Präsidenten wurde schon Jahre vor seinem Tod ausgiebig diskutiert. Er selbst nahm an der Debatte teil. Mehrere Orte in Prag wurden vorgeschlagen, unter anderem der Olšany-Friedhof, der Park am Lustschloss Hvězda und das neu errichtete Nationaldenkmal auf dem Vítkov-Hügel. Doch Masaryks Wunsch war, neben seiner Frau begraben zu werden. Charlotte wurde bereits 14 Jahre vor ihm auf dem Friedhof in Lány beerdigt.
Das Staatsbegräbnis für den ehemaligen Präsidenten begann am Dienstag, den 21. September 1937, in der Säulenhalle der Prager Burg, eingeleitet von den Klängen des St.-Wenzel-Chorals. Danach wurde der Sarg in einem Trauermarsch von der Prager Burg zum Wilson-Bahnhof und mit dem Zug zurück nach Lány gebracht. Nach mehr als neun Stunden ging das Begräbnis mit dem Vaterunser-Gebet und der Beisetzung in der Familiengruft zu Ende.
„Am Tage des Begräbnisses, am Dienstag, den 21. September, wird in der ganzen Republik auf einige Stunden der Betrieb eingestellt werden. Die Geschäfte bleiben geschlossen. Die Fabriken stellen auf zwei bis drei Stunden die Arbeit ein, damit die Arbeiterschaft den Verlauf der Begräbnisfeierlichkeiten, die durch den Rundfunk übertragen werden, verfolgen könne. Am Vorabend des Begräbnisses, das ist am Montag, werden in den Grenzgebieten Trauerfeuer lodern und in der Nacht vom Montag auf Dienstag nicht erlöschen.“
Die Beerdigung wurde vor dem Hintergrund der wachsenden nationalsozialistischen Gefahr in Europa zu einer der größten Demonstrationen nationaler Einheit. Masaryk war ein Mann von großer Autorität, der die Entstehung der Tschechoslowakischen Republik nach dem Ersten Weltkrieg maßgebend geprägt hat. Von seinen Bewunderern verehrt und von seinen Rivalen respektiert, wurde er als Stützpfeiler der Republik wahrgenommen.
Hören Sie die Sendung des Kurzwellensenders des Tschechoslowakischen Rundfunks vom 19. September 1937:
Kurzwellensender Praha 19. 9. 1937
Im Archiv des Tschechischen Rundfunks ist auch eine Aufnahme erhalten, die zehn Tage nach dem Tod des ersten Präsidenten aufgenommen wurde. Darin erinnert sich an Masaryk Walter Maras, der tschechisch-deutsche Literaturwissenschaftler und in den 1930er Jahren Redakteur des Tschechoslowakischen Rundfunks:
Erinnerung an Masaryk (Walter Maras)