„Die Inspiration kommt beim Spülen“ – Sängerin Emily Brandi über den Start ihrer Musikkarriere in Prag
Vor fünf Jahren zog sie nach Prag, nun arbeitet die deutsche Musikerin Emily Brandi in der tschechischen Hauptstadt als Sängerin. Neben vielen Auftritten als Vorband für bekannte Künstlerinnen nimmt sie gerade ihr erstes Album auf.
Hallo Emily, vielen Dank, dass Du Dir heute die Zeit nimmst. Stell Dich doch einmal selbst vor…
„Ich heiße Emily und komme aus Deutschland, aus der Stadt Dortmund. Seit fünf Jahren wohne ich in Prag und mache seit zwei Jahren Musik. 2021 habe ich eine EP mit vier Songs aufgenommen und 2022 begonnen, Konzerte zu spielen. Aktuelle nehme ich mein erstes Album auf.“
Vielleicht kannst Du kurz erklären, was man unter einer EP versteht?
„Das ist eine kürzere Version eines Albums. Alben sind meist in der Anzahl der Songs nicht begrenzt. EPs haben in der Regel nur drei bis fünf Songs.“
Wie kommt es, dass Du Dich dazu entschieden hast, Sängerin zu werden?
„Musik war schon immer sehr präsent in meinem Leben. Ich habe das nicht studiert oder professionell gelernt, aber Musik war immer um mich herum. Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie. In den letzten drei Jahren habe ich angefangen, mich zu trauen, zu sagen: ‚Das versuche ich jetzt.‘ Und jetzt bin ich Musikerin.“
Warum bist Du nach Prag gezogen?
„Nicht weil ich hier Musik machen wollte, sondern weil ich hier auf die Filmschule FAMU gegangen bin. Das war 2017. Ein Jahr lang habe ich dann an der FAMU studiert. Anschließend bin ich in Prag geblieben, weil ich die Stadt sehr mag und mir hier ein Netzwerk und ein Leben aufgebaut habe. Dass ich angefangen habe zu musizieren, ist dann eher zufällig passiert. Und da ich hier lebe, habe ich versucht, in der tschechischen Musikszene Fuß zu fassen.“
Du wohnst seit fünf Jahren in Prag und hast in dieser Zeit auch Tschechisch gelernt. Hast Du das Gefühl, dass Dich die Sprache bei der Arbeit hier als internationaler Künstlerin unterstützt?
„Ja schon. Also das Gute an der Musikszene – oder überhaupt in künstlerischen Szenen – ist, dass die meisten Leute perfekt Englisch sprechen. In dieser Sprache kommuniziere ich auch immer noch am meisten, zum Beispiel mit meiner Booking-Agentin, mit meinem Produzenten und mit meiner Band. Es hilft aber dennoch, Tschechisch zu sprechen, weil ich vieles dann verstehe. Ich bin nicht so außen vor, wie ich es vielleicht vor fünf Jahren noch war, als ich immer jemanden brauchte, der übersetzt. Trotzdem besteht immer noch eine kleine Sprachbarriere.“
Du hattest einen sehr erfolgreichen Sommer und durftest bei verschiedensten Künstlern als Vorband auftreten. Performst Du diese Shows als Solokünstlerin, oder arbeitest Du mit einer Band zusammen?
„Ich bin Solokünstlerin. Mein Projekt heißt ‚Fourtuna‘, und es ist ein Dreampop-Projekt. Meine Musik wird oft mit Lana Del Rey oder Wise Blood verglichen. Ich habe angefangen, Solo-Songs zu schreiben und aufzunehmen. Die erste EP, also diese vier Songs, die jetzt schon veröffentlicht sind, habe ich selbst produziert. Dabei hat mir nur ein Mix- und Master-Engineer geholfen, ansonsten habe ich alles selbst gemacht. Im letzten Jahr habe ich Jakub Kaifosz kennengelernt. Sein eigenes Projekt heißt Lazer Viking, und er ist seit Jahrzehnten in der tschechischen Musikszene aktiv und bekannt. Er hat mich entdeckt und hat gesagt, dass er gerne mit mir zusammenarbeiten möchte. Seitdem produzieren wir gemeinsam Songs und spielen auch in einer Band zusammen. Die Band probt gerade mit mir, und wir versuchen ein Set für gemeinsame Auftritte zusammenzustellen. Mein Fokus liegt trotzdem darauf, als Solokünstlerin aufzutreten. Irgendwann wird es hoffentlich beides geben – dass ich solo auftreten kann und dass ich von einer Band unterstützt werde.“
„Wenn man ein paar Leute kennt, dann ist man schnell in Prag integriert.“
Wie funktioniert Prag im Vergleich zu anderen Metropolen für einen Karrierestart in der Musikbranche?
„Prag ist eine sehr dankbare Musikszene. Zwar handelt es sich um eine Hauptstadt, um eine große, internationale Stadt, aber Prag ist nicht so groß und so unübersichtlich wie andere Hauptstädte in Europa. Deswegen hat man schnell einen guten Überblick über eine bestimmte Szene. Wenn man ein paar Leute kennenlernt, dann ist man schnell integriert – und das ist sehr dankbar. Ich habe mich in der Musikszene direkt willkommen gefühlt, das ist nicht selbstverständlich. In New York, London oder Berlin ist man viel länger ein kleines Licht. Da muss man sehr viel härter arbeiten, um Fuß zu fassen. Ich glaube zwar, dass man dann auch mehr Chancen hat, wenn man Fuß gefasst hat. Es fühlt sich aber mehr nach einem Kampf an, und hier ist es weniger ein Kampf.“
Was war Dein letzter Auftritt in Prag? Welcher Auftritt war bisher Dein liebster?
„Mein letzter Auftritt war im Club Malostranská Beseda. Da war ich die Vorband der tschechischen Band Nano. Das hat sehr großen Spaß gemacht. Ich glaube, mein Lieblingskonzert, dass ich letztes Jahr gespielt habe, war im Café V lese als Vorband von Shi Shi. Das ist eine Band aus Litauen, die sehr schönen und nicht so ernsthaften Pop im Beach Rock Style macht.“
„Wenn ich auf der Bühne stehe, bin ich jedes Mal überrascht, wie schnell der Auftritt vorbei ist.“
Bei diesen großen Auftritten spielt Nervosität bestimmt eine Rolle. Wie geht es Dir, wenn Du auf der Bühne stehst?
„Wenn ich auf der Bühne stehe, bin ich jedes Mal überrascht, wie schnell der Auftritt vorbei ist. Ich habe die letzten Tage vor dem Auftritt geprobt, das Set zusammengestellt und an den Details gearbeitet – und vor dem Auftritt fühlt es sich wie ein Marathonlauf an. Wenn man aber auf der Bühne steht und auf diese Welle aufspringt, ist es jedes Mal schneller vorbei, als man erwartet hat.“
Bei diesen Auftritten spielst Du Deine eigenen Songs. Woher nimmst Du die Inspiration für Deine Lieder?
„Die Inspiration kommt aus allen möglichen Ecken. Alles, was einen beschäftigt, kann verarbeitet werden. Oft sind das Dinge, mit denen ich selbst zu kämpfen habe. Es ist eine gute Art, seine eigenen Dämonen zu bearbeiten oder Gefühle auszudrücken, von denen man gar nicht so richtig wusste, dass man sie hat. Wenn man sich erlaubt, das alles einmal rauszulassen, dann kommen da manchmal halt Songtexte heraus.“
Hast Du in Prag einen Ort, zu dem Du gehst, wenn Du Inspiration suchst?
„Ja, mein Spülbecken. Meistens kommen mir die Ideen, wenn ich abspüle.“
Gibt es hier in Tschechien Künstler, die Dich begeistern oder inspirieren, oder deren Werdegang Du verfolgst?
„Ich bin großer Fan von Lazer Viking. Nicht nur, weil wir zusammenarbeiten und eine Band haben, sondern weil ich ihn für einen großartigen Musiker halte, der mich bei jeder Liveshow beeindruckt. Außerdem bin ich Fan von Ai Fen. Sie ist eine Musikerin und Sängerin, die sehr experimentelle Musik macht. Ihr letztes Album heißt ‚Daily Grief‘. Auf diesem dufte ich sogar auf einem Song mitsingen, also mit ihr und einer zweiten Sängerin kollaborieren. Das war sehr schön. Ich kann beide – Lazer Viking und Ai Fen – nur empfehlen.“
Was würdest Du denn sagen, war für Dich bisher die größte Herausforderung?
„Es ist die, die den meisten Menschen begegnet, die Kunst machen wollen: Wie arbeite ich weiter an meiner Musik und bin beständig, während ich gleichzeitig auch noch meinen Lebensunterhalt verdienen muss? Beides hat bei mir gerade noch nichts miteinander zu tun. Ideal wäre, wenn ich mit meiner Kunst auch meinen Lebensunterhalt verdienen könnte. Die Realität ist aber leider anders, und manchmal ist es sehr herausfordernd, die Energie aufzubringen, um weiterzumachen. Es lohnt sich trotzdem.“
Was ist aktuell Dein Wunsch für die Zukunft oder für Dich und Deine Karriere?
„Ich würde mir wünschen, einfach weitermachen zu können. Ich wünsche mir, dass ich weiterhin die Möglichkeit und die Kapazität habe, Musik zu machen und besser zu werden, und mit den Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, noch weiter zusammenzuarbeiten. Ich wünsche mir, dass alles irgendwie weitergeht.“
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