Nicht-qualifizierte Bergführer: Zwei Todesfälle werfen Schlaglicht auf Rechtswirrwarr in Tschechien
In Tschechien wird über die Ausbildung von Bergführern und Bergwanderführern diskutiert. Hintergrund ist die Aufnahme eines Gerichtsverfahrens gegen zwei Männer aus Südböhmen, bei deren Touren in den österreichischen Alpen es zu zwei tödlichen Abstürzen kam.
Es geht um zwei junge Frauen, die bei Klettersteigtouren eines Veranstalters aus České Budějovice / Budweis abstürzten. Der erste Unfall geschah im Juli 2019 auf dem Wildfrauensteig in den Ennstaler Alpen, zum zweiten Unglück kam es 2020 in der Drachenwand im Salzkammergut. Das Problem: Der Hauptveranstalter hatte keine Ausbildung zum Bergführer, sondern nur zum Bergwanderführer – und sein Kompagnon sogar nicht einmal das.
Tomáš Cimr leitet Kurse zum Bergwanderführer gemäß des internationalen Verbandes UIMLA. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks schildert er, zu was diese befähigen sollen:
„Das Ziel ist, den Teilnehmenden das nötige Wissen zu vermitteln, damit sie sich sicher und verantwortungsvoll in den Bergen bewegen können. Im Fall des Bergwanderführers geht es um Wanderstrecken, bei denen keine Hilfsmittel wie Seile nötig sind und auch nicht geklettert werden muss.“
Für das Zertifikat eines internationalen Bergwanderführers muss man mehrere Kursmodule belegen, die Ausbildung findet auch in den Alpen statt und umfasst 600 Stunden. Allerdings sei dies nicht die einzige Art der Ausbildung hierzulande, sagt Michal Lolok. Er ist Vorsitzender des Verbandes der Bergwanderführer in Tschechien…
„In Tschechien gibt es im Prinzip zwei Ausbildungssysteme. Das eine ist das internationale, bei dem der Teilnehmer dasselbe Training erhält und dieselben Prüfungen ablegen muss wie seine Kollegen in der ganzen Welt. Und dann gibt es noch das tschechische System des Bergwanderführers, bei dem praktisch keine Anforderungen an die Teilnehmer gestellt werden“, so Lolok.
Im tschechischen System absolviert man einen Schnellkurs von 12 bis 20 Stunden Länge.
Doch einen Gewerbeschein kann man in beiden Fällen beantragen, denn der Begriff des Bergwanderführers ist nicht geschützt. Für den Schein wird außerdem nicht unterschieden, ob man nur Bergwander- oder doch Bergführer ist. Klára Dvořáková ist als Rechtsanwältin spezialisiert auf die Bereiche Reise und Sport. Sie erläutert:
„Egal ob man die Prüfung zum Berg- oder zum Bergwanderführer absolviert hat, erhält man einen Gewerbeschein. Und auf dem steht: Bergführertätigkeit.“
Verantwortlich für diesen Bereich des Gewerberechts ist das Ministerium für Regionalentwicklung. Dort heißt es, man sei sich des Problems bewusst und arbeite zusammen mit anderen Ressorts an Änderungen. Laut Dvořáková liegt dem Ministerium aber schon seit 2018 ein entsprechender Antrag vor. Und seitdem hat sich nichts getan, wie auch der Fall aus Budweis zeigt. Bei der ersten tödlichen Tour hatte der Bergwanderführer die Leitung seinem nicht ausgebildeten Kumpel überlassen. Keiner von beiden reagierte aber auf eine Schlechtwetterwarnung. Und die Gruppe war größer als die vorgeschriebene Höchstzahl von sechs Teilnehmern je Bergführer. Beim Abstieg glitt eine 24-jährige Frau auf dem nassen Untergrund aus und stürzte tödlich ab.
Die österreichische Polizei stellte später die Ermittlungen ein, weil der Veranstalter behauptete, man sei als Freizeitgruppe unterwegs gewesen. Dabei verschwieg er, dass er eigentlich eine geführte Tour angeboten hatte. Zwar schloss der tschechische Verband der Bergwanderführer den heute 35-Jährigen aus seinen Reihen aus, aber weiter besaß er den Gewerbeschein. Und so organisierte er ein Jahr später eine weitere Tour mit tödlichem Ausgang. Rechtsanwältin Dvořáková sieht da auch eine Verfehlung des Gewerbeamtes:
„Man könnte sagen: Hätte das Gewerbeamt die entsprechenden gesetzlichen Reglungen angewendet und dem Bergwanderführer den Gewerbeschein abgenommen, wäre dieser vielleicht nicht mehr unternehmerisch in dem Bereich tätig gewesen – und die zweite Frau würde vielleicht noch leben.“
Sowohl der Verband der Bergführer als auch jener der Bergwanderführer wollen eine bessere Kontrolle beider Tätigkeiten. Deswegen haben sie nun vorgeschlagen, eine Kammer einzurichten, die über den Entzug von Gewerbescheinen bei Verfehlungen entscheiden kann.