Farmářská škola: Neue Schule für Bio-Landwirtschaft in Prag eröffnet
Jedes Jahr können Abiturienten in Tschechien für ihren weiteren Bildungsweg aus einer Vielzahl von Schulen, Hochschulen und Kursen auswählen. In diesem Jahr ist ein neues Programm hinzugekommen: Tschechiens ersten Studiengang, der auf biologische Landwirtschaft spezialisiert ist.
Im Osten Prags unweit des Flughafens hat in diesem Lehrjahr eine neue Schule eröffnet. Die „Farmářská škola“ fokussiert sich vollends auf biologische Landwirtschaft. Als „Vyšší odborná škola“ reiht sie sich im hiesigen Bildungssystem zwischen Berufsschule und Hochschule ein. Nach der dreijährigen Ausbildung werden die Studierenden „diplomierte Spezialisten im Bereich der ökologischen Landwirtschaft“ sein, so der offizielle Titel. Der Fokus auf dieser Art von Landwirtschaft sei essenziell, besonders in Tschechien, betont Jan Valeška, Chef des Verbandes lokaler Lebensmittelinitiativen (Ampi) und Mitbegründer der Schule:
„In Tschechien gibt es viele Bio-Bauern, aber nur wenig Essen, das auch biologisch ist. Das hat eine lange Liste an Gründen. Es gibt hier auch nur sehr wenige Bauern, die tatsächlich Nahrungsmittel herstellen, denn die tschechische Landwirtschaft – so wie sie schon seit den 1960er Jahren existiert – hat sich auf den Anbau und die Produktion von Agrarerzeugnissen fokussiert und nicht auf Lebensmittel.“
Die Schlussfolgerung sei simpel, ergänzt Valeška: Es brauche mehr Landwirte, die Nahrungsmittel herstellen statt Exportgüter. So sieht es auch der Landwirt Jiři Prachař und hat vor einigen Jahren einen Lehrplan zu ökologischer Landwirtschaft entwickelt.
„Ursprünglich gab es nur einen nicht akkreditierten Kurs, keine Schule. Die Struktur dieses Kurses haben wir drei Jahre lang ausprobiert und erkannt, dass sie gut funktioniert. Wir hatten auch immer genügend Studenten, die ihn belegt haben. Deshalb haben wir uns nun für die Akkreditierung entschieden.“
Für diese Zulassung brauchte es aber zuerst eine Schule. Diese haben Jiři Prachař, Jan Valeška und ihre Mitstreiter gerade eröffnet. Der 31-jährige Student Honza war von Anfang an als Kursteilnehmer dabei und macht auch jetzt den Schritt zur Schule mit:
„Die letzten drei Jahre waren eine Art Vorbereitung für mich. Jetzt kann ich den Beruf in einem akkreditierten Programm erlernen. Das ist toll, denn auf diese Art kann ich eine offiziell anerkannte Ausbildung zum Landwirt machen.“
Genauer gesagt ist der Ausbildungsrang, den die Schüler nach den drei Jahren Lehre haben sollen, der eines „diplomierten Spezialisten im Bereich der ökologischen Landwirtschaft“. Schulleiter Jiři Prachař sagt, dass die Ausbildung bewusst praktisch ausgelegt wurde:
„Unsere Studenten verbringen 80 Prozent der Studienzeit mit Praxis, und 20 Prozent sitzen sie in den Seminarräumen und haben theoretischen Unterricht. Das wichtigste ist aber, dass die Studenten in verschiedenen Betrieben in Tschechien, der Slowakei und im dritten Studienjahr auch im Ausland, also etwa in Deutschland oder Österreich, praktisch arbeiten.“
Praktisches Teamarbeiten als Hauptbestandteil der Ausbildung
Zeitlich richtete sich der Kurs, wie jetzt auch die Schule, nach dem biologisch vorgegebenen Rhythmus der Landwirtschaft. In den Wintermonaten werden die Schüler theoretisch auf ihre landwirtschaftliche Arbeit vorbereitet. Und in der Saison, die von März bis Dezember dauere, seien sie auf verschiedenen Bauernhöfen, schildert Prachař. Aber auch in den Betrieben findet theoretischer Unterricht statt. Angeboten werden Pflicht- und Wahlfächer zu Themen wie Bodenkunde, Tierhaltung, Pflanzenbau oder der Geschichte der Landwirtschaft. Auf ein Fach scheint der Schulleiter besonders stolz zu sein:
„Wir haben auch ein Fach zur Selbstentwicklung der Studenten. Heutzutage gehen viele Höfe in Tschechien zugrunde – aber nicht, weil das nötige Know-how fehlen würde. Das Problem ist, dass es in diesen Betrieben zwischenmenschlich nicht funktioniert. Viele unterschätzen, wie wichtig die Beziehungen untereinander sind. Wenn diese nicht stimmen, gehen die Menschen auseinander.“
Wie er an diesem Problem arbeiten möchte, weiß Prachař auch schon:
„Wir ermuntern unsere Schüler bereits in der Ausbildung, sich selbst verstehen zu wollen. Das Ziel ist, dass sie die Konflikte, die in landwirtschaftlichen Betrieben auftreten können, besser verstehen und reflektiert betrachten. Der Teamarbeit hilft das sehr.“
Zusammenhalt im Team sei unerlässlich, wenn es etwa um die Frage gehe, wer den Hof übernimmt, schildert Prachař:
„Einerseits sind Familienhöfe super. Andererseits haben Höfe, auf denen eine echte Gemeinschaft herrscht, ein viel höheres Potential. Wenn etwa ein Familienmitglied den Betrieb nicht mehr weiterführen will, muss der Hof verkauft oder verpachtet werden. Wenn aber die gleiche Situation auf einem Hof mit einer starken Arbeitsgemeinschaft eintritt, dann übernimmt einfach eine andere Person.“
Eine Ausbildung, die harmonische Arbeitsgemeinschaften schaffe und hilfreiche Kontakte biete – darin sieht Mitinitiator Valeška die Stärken der Schule:
„Die zukünftigen Schulabgänger werden ein stark verzweigtes Netzwerk haben. Zu ihren Kontakten werden Akademiker dieses Gebiets sowie Pioniere der biologischen Landwirtschaft gehören, und sie werden Verbindungen zu bereits existierenden Betrieben haben. Das ergibt ein dichtes Netz aus Beziehungen und Wissen, das über die Grenzen Tschechiens hinaus reicht. Wir kennen etwa auch deutsche und französische Gemeinschaften der biologischen Landwirtschaft.“
Viele der Studierenden möchten auch nach dem Studium tatsächlich Bio-Landwirte werden – aber nicht alle, erzählt der Schüler Honza:
„Die meisten meiner Freunde wollen eigene kleine Höfe gründen oder in sozialen Kommunen arbeiten, etwa bei Kooperationen mit Menschen mit Behinderung. Da gibt es tolle Projekte, die zeigen, was die Landwirtschaft zu bieten hat. Andere wollen das Leben von Landwirten leben. Ich wiederum möchte Bio-Bauernhöfe und Pädagogik verbinden und zu dem Thema unterrichten, am liebsten bereits in Kindergärten. Wenn diese Kinder schon früh in Kontakt mit der Landwirtschaft und der Natur kommen, könnte sie das nachhaltig prägen.“
Durch Menschen wie Honza könnte es in Tschechien bald mehr Bildungsmöglichkeiten wie die Prager Schule für Bio-Landwirtschaft geben. Diese Hoffnung teilt auch Jan Valeška:
„Ich hoffe, dass der Effekt der Schule eine höhere Anzahl an Landwirten sein wird – vor allem solcher, die weitergeben, was sie durch ihre tägliche Arbeit lernen. Diese Landwirte sollten idealerweise auf solche treffen, die mehr erfahren wollen. Vielleicht werden bald schon in mehr Betrieben auch Lehrangebote gemacht. Ich habe die Hoffnung, dass es in Zukunft mehr Schulen in landwirtschaftlichen Betrieben geben wird.“
50 statt 30 Studenten wurden angenommen
Ab sofort werden an der Farmářská škola Schüler zu Bio-Landwirten ausgebildet. Das erste Schuljahr habe gleich mit einer Überraschung für die Schulleitung begonnen, erläutert der Leiter Jiři Prachař:
„Eigentlich können wir nur 30 Schüler aufnehmen. Es sind aber 50 geworden. Wir haben nicht damit gerechnet, dass so viele Menschen Interesse haben. In der nicht akkreditierten Version waren jedes Jahr etwa 25 Studenten dabei. Ich dachte in meiner Naivität, dass es so weitergehen würde. Dabei war es aber das Doppelte.“
In Zukunft sollen es wiederum nur noch 30 Schüler sein, so Prachař, die jährlich ihre dreijährige Ausbildung starten. Mit einmalig 50 Schülern habe man sich schon an die eigenen Grenzen gebracht, erzählt der Schulleiter. Der nächste Bewerbungszeitraum beginnt im Januar kommenden Jahres und dauert bis Mai. Prachař schildert, wie die erste Bewerbungsphase verlief:
„Die Bewerber schicken natürlich einen Lebenslauf und ein Motivationsschreiben. Aber für mich ist das persönliche Gespräch wichtiger. Dabei geht es mir vor allem um die Motivation. Erfahrungen sind nicht das Ausschlaggebende, sondern dass die Person dieses Leben wirklich will. Diese Begeisterung ist mir am wichtigsten.“
Dieses Prinzip möchte man beibehalten, so Prachař. Aber nicht nur Motivation, sondern auch Verständnis für den Arbeitsalltag in der Landwirtschaft sollten die Bewerber mitbringen. Denn dieser werde oft romantisiert:
„Natürlich ist es schön, bei Sonnenuntergang Wein zu ernten. Aber wenn bei Regen im Winter nachts die Tiere ausbrechen und man sie einfangen muss, dann ist das weder schön noch einfach. Es muss der Person bewusst sein, dass auch dies Teil des Berufs ist. Dieses Leben ist nicht immer romantisch, sondern bedeutet schwere Arbeit.“
Menschen wie Honza zeigen, dass die Bio-Bewegung durch mehr Bildungsarbeit in Zukunft an Momentum gewinnen könnte. Dass dies jedoch kein einfacher Weg sein werde, da sind sich alle Beteiligten der Farmářská škola einig.