Klima-Ziele der EU: Tschechien muss Ausbau der Erneuerbaren deutlich beschleunigen
Vergangene Woche haben die EU-Parlamentarier die vorgeschlagenen schärferen Klimaziele gebilligt. Das heißt, dass 2030 mindestens 42,5 Prozent der Energie in der Europäischen Union aus Erneuerbaren kommen soll. Stimmen dem auch die Mitgliedsstaaten zu, würde dies für Tschechien große Anstrengungen bedeuten, um da mithalten zu können.
Schon die bisherigen Klimaziele der EU sind eine Herausforderung für Tschechien. Doch im März hat sich die Union auf eine Verschärfung geeinigt, die vergangene Woche auch die Parlamentarier in Straßburg abgesegnet haben. Demnach soll der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch der EU bis 2030 auf 42,5 Prozent steigen.
Das bedeutet, dass die Mitgliedsstaaten die bisherigen Leistungen aus der Kraft von Sonne, Wind und Wasser verdoppeln müssen. So kamen 2021 in Europa rund 22 Prozent der Energie aus Erneuerbaren. Michal Macenauer leitet den Bereich Strategie beim Energieberater EGÚ in Brno / Brünn. Er nennt die Pläne der EU für sehr ambitioniert:
„In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil der erneuerbaren Energien in der EU am Endverbrauch durchschnittlich im Jahr um 0,7 Prozentpunkte angestiegen. Mit dem neuen Ziel soll das Tempo auf 2,3 Prozentpunkte pro Jahr hochgeschraubt werden. Das ist mehr als das Dreifache.“
Den Vorstellungen der EU nach sollen vor allem Hindernisse für den Ausbau der Erneuerbaren abgebaut werden. Dennoch sehen auch weitere Wirtschaftsexperten in Tschechien große Schwierigkeiten auf die Mitgliedsländer zukommen. Tomáš Cverna ist Analytiker beim Investmentberater XTB. Seinen Aussagen nach haben 2021 nur die beiden nordischen Länder Schweden und Finnland die verschärften Klimaziele erfüllt. Tschechien war davon weit entfernt mit einem Anteil von 17,7 Prozent Erneuerbarer am Energieverbrauch, wie aus den Daten des Industrie- und Handelsministeriums gemäß der Methodik von Eurostat hervorgeht. Laut Cverna muss hierzulande vor allem beim Bau großer Solar- und Windparks zugelegt werden…
„Derzeit verfügen wir nicht über genügend Produktionskapazitäten aus erneuerbaren Energiequellen. Und leider kann man der Sonne und dem Wind nicht befehlen, mehr zu scheinen oder mehr zu wehen, damit wir aus den bestehenden Anlagen mehr herausholen können“, so der Analytiker.
Die einzige Chance ist, auch in Tschechien den Ausbau deutlich zu beschleunigen. Der Verband moderner Energietechnik (Svaz moderní energetiky) schätzt, dass hierzulande der Anteil der Erneuerbaren bis 2030 auf mindestens 28 bis 30 Prozent steigen müsste, damit die EU-Ziele zu erreichen sind. Vor allem müsse Bürokratie abgebaut werden, sagt Zdeněk Sobotka, Eigentümer der Solek Holding, die Fotovoltaik-Anlagen in Europa und Lateinamerika projektiert:
„Bis in Tschechien ein Solarpark genehmigt wird, dauert dies häufig drei bis fünf Jahre. Aus unserer Erfahrung kann ich das mit anderen Ländern vergleichen. In Chile liegt das Genehmigungsverfahren bei größeren Projekten bei 18 Monaten. Und selbst das kommt uns lang vor.“
Immerhin ist hierzulande ein neuer Solarboom entstanden. So wurden in der ersten Hälfte dieses Jahres bereits deutlich mehr Fotovoltaik-Anlagen installiert als im gesamten vergangenen Jahr. Allerdings sind es eher kleinere Einheiten. Überhaupt nicht voran kommt hingegen die Windkraft. So beklagte Ex-Umweltminister Martin Bursík (Liberal-ökologische Partei) vor kurzem in einem Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Im vergangenen Jahr wurden zum Beispiel in Deutschland Windkraftanlagen mit einer Leistung von 2500 Megawatt installiert. In Polen waren es 2300 Megawatt, in Österreich immerhin noch 300 Megawatt. Die Windräder in Tschechien haben insgesamt nur 390 Megawatt Leistung. Das heißt, in Österreich wurde in einem Jahr fast so viel Windkraft neu installiert, wie unsere bestehenden Anlagen hergeben.“
Bursík sieht wie viele andere Ökologen in dem Bereich große Kapazitäten ungenutzt. Das hat Industrie- und Handelsminister Jozef Síkela (parteilos) mittlerweile auch als Fehler eingesehen. Er möchte nun Werbung betreiben für Windräder „Made in Czech Republic“ sowie die Genehmigungsprozesse deutlich vereinfachen und beschleunigen.
Luděk Niedermayer (Top 09) ist Europaabgeordneter der konservativen EVP. Er hält eine Trendwende auch in Tschechien für realistisch.
„Ich habe keine Zweifel daran, dass die Klima-Ziele der EU zu erreichen sind. Und nicht zuletzt zeigt die aktuelle Dynamik bei der Solarenergie in Tschechien den Weg auf“, sagt Niedermayer.