Zu Ehren der Republik: Schicht-Epos im tschechischen Senat ausgestellt
Neben dem Slawischen Epos von Alfons Mucha gibt es hierzulande auch das weniger bekannte Schicht-Epos von Maler Emanuel Boháč. Am Mittwoch wurde eine Auswahl von Bildern aus diesem Epos in den Räumlichkeiten des tschechischen Senats feierlich eröffnet.
„Die Ankunft von Präsident Masaryk in Prag im Dezember 1918“ – so heißt jenes Gemälde, das sich inmitten einer neu eröffneten Ausstellung im tschechischen Senat befindet. Auf beiden Seiten des Raumes sind weitere Bilder mit Motiven aus der tschechischen Geschichte zu sehen. Sie gehören alle zum sogenannten „Schicht-Epos“, den die Industriellen Georg und Heinrich Schicht 1928 malen ließen. Initiator der Ausstellung im Prager Senat ist Martin Krsek (parteilos). Der Historiker vom Museum in Ústí nad Labem / Aussig wurde im vergangenen Jahr zum Senator gewählt.
„Als Senator habe ich die Möglichkeit, einmal im Jahr meine Region im Gebäude des Senats mit einer Ausstellung zu präsentieren. Ich bin weiterhin ein Mitarbeiter des Museums. Mir schien nun eine gute Gelegenheit gekommen, um die berühmte Tradition der Fabrik Schicht aus meiner Heimatstadt Ústí zu präsentieren. Die Firma produzierte Seife mit dem Hirsch im Zeichen und weitere Erzeugnisse. Da sich der Gründungstag der Tschechoslowakei näherte, fand ich es spannend, auf die Rolle des Schicht-Epos als Geschenk deutscher Industrieller zum zehnten Jubiläum der Tschechoslowakischen Republik aufmerksam zu machen.“
Die Unternehmer Schicht beauftragten laut Krsek damals Emanuel Boháč, 22 Gemälde zu erschaffen. Boháč galt als Maler, der Vorlagen für Bilder für Schulen schuf. Die Schichts konsultierten mit ihren tschechischen Mitarbeitern von der Reklame-Abteilung die Auswahl der Themen. Die Sujets hätten die Geschichte entsprechend bunt darstellen sollen, sagt der Historiker:
„Das Epos bestand aus zwei Teilen. Der eine, den Boháč gemalt hat, war für tschechische Schulen bestimmt. An der Entstehung von Bildern, die für deutsche Schulen bestimmt waren, beteiligten sich hingegen mehrere Künstler. Uns ist es gelungen, den Maler Richard von Marientreu zu identifizieren. Er schuf den Großteil der Gemälde für die deutschen Schulen. Diese Bilder zeigen Momente aus der tschechischen Geschichte, die jedoch mit der deutschen Geschichte enger zusammenhingen. Dazu gehört beispielsweise die Darstellung der Ankunft von Bischof Thietmar in Prag. Er war der erste Bischof in den Böhmischen Ländern. Interessant sind beim deutschen Epos auch einige lokalpatriotische Themen der Familie Schicht. Dazu gehört beispielsweise die Erhebung von Ústí zur königlichen Stadt.“
Das Geschenk der Industriellen Schicht an die Republik bestand nicht nur in den Originalgemälden. Anhand der Ölbilder entstanden auch großformatige Drucke, die an alle Schulen in der Tschechoslowakei geliefert wurden. Tschechischsprachige Schulen erhielten eine zwölfteilige Reihe und deutschsprachige eine achtteilige. Martin Krsek schildert die Beweggründe für das Geschenk:
„Wir denken, dass die Schichts mit diesem Gemäldezyklus auch betonen wollten, dass sie loyale tschechoslowakische Bürger waren. Das war für die Stabilität der Fabrik bedeutend. Sie waren bemüht, keine nationalen Streitigkeiten zu unterstützen. Die Nationalität spielte in ihren Fabriken keine Rolle. Eine Nationalität vergaßen die Schichts allerdings, und zwar die slowakische. Deswegen wurde Boháč beauftragt, nachträglich noch zwei große Gemälde mit slowakischen Motiven anzufertigen. Von diesen Bildern wissen wir jedoch nichts mehr. Vermutlich wurden aus ihnen keine Drucke für die Schulen angefertigt.“
Die Schichts ließen außerdem noch eine Serie von Ansichtskarten mit patriotischen Motiven produzieren. Diese bekamen die Kunden als Bonus beim Kauf einer bestimmten Warenmenge.
Für die Ausstellung im Senat hat Martin Krsek fünf Drucke aus dem tschechischen und fünf aus dem deutschen Teil des Epos ausgesucht, aber nicht nur das:
„Ich fand es spannend, auch ein Originalbild im Senat vorzustellen. Es ist das wohl bekannteste Gemälde aus dem ganzen Zyklus: die Ankunft von Masaryk in Prag im Dezember 1918. Das Motiv ist sehr bekannt, zahlreiche Kopien wurden von ihm gemacht. Heute weiß kaum jemand mehr, dass der Initiator des Bilds ein deutscher Unternehmer aus Ústí nad Labem war.“
Das Gemälde repräsentiert laut Martin Krsek zudem im Senat auch die Dauerausstellung ,Unsere Deutschen‘, die im Museum von Ústí zu sehen ist. Diese dokumentiert die Geschichte der deutschsprachigen Bevölkerung in den Böhmischen Ländern von der Zeit vor der Kolonisierung im Mittelalter bis zur Gegenwart.
„Eben dieses Bild wird in dem Teil der Schau gezeigt, der das Leben in der Ersten Republik beschreibt. Es belegt die enge Beziehung des Unternehmers Schicht zur Tschechoslowakischen Republik.“
Unter den Bildern, die für deutschsprachige Schulen bestimmt waren und derzeit im Senat gezeigt werden, sind auch jene, die ein Minnesängertreffen in Jihlava / Iglau oder die Zusammenkunft von Goethe und Beethoven in Karlovy Vary / Karlsbad darstellen.
„An diesen Drucken ist interessant, wie mit ihnen nach dem Kriegsende umgegangen wurde. Sie wurden weiterhin in den Schulen beim Geschichtsunterricht benutzt. Der deutsche Name des Bildes wurde jedoch mit einer tschechischen Übersetzung überklebt. Und bei allen Drucken wurde die Bemerkung ,Geschenkt von Firma Schicht, Ústí nad Labem‘ mit einem Papierstreifen überklebt. Die deutschen Spuren sowie die Spuren des Bürgertums wollte man nach 1948 beseitigen. Die Schüler durften nicht erfahren, dass das Gemälde ein Geschenk der Firma Schicht war.“
Wie der Historiker berichtet, sind die Drucke des Schicht-Epos sogar bis heute noch in Lehrerzimmern zu finden. Als er 2018 eine große Ausstellung über die Firma Schicht im Museum in Ústí nad Labem zusammenstellte, suchte Krsek an mehreren Schulen nach den Bildern des Schicht-Epos. Direkt aus Lehrerzimmern konnte er damals einige Drucke ins Museum bringen, die einige Jahr zuvor noch im Unterricht genutzt worden waren. Aber nicht nur die Bilder sind in der Ausstellung im Senat zu sehen…
„Ein weiterer Bestandteil der Schau ist ein großes Modell einer Seife von Schicht mit dem Hirsch. Ergänzend werden Filmaufnahmen mit alten Reklamen der Firma gezeigt. Dem heutigen Publikum dürften sie vermutlich zu lang und langweilig erscheinen. Damals waren sie jedoch ein Phänomen. Schicht war der größte Auftraggeber im Werbebereich in der Zwischenkriegszeit in der Tschechoslowakei.“
Außerdem habe das Unternehmen neue Maßstäbe gesetzt bei der Reklame, schildert Martin Krsek:
„Die Schichts benutzten Luftballons, Kunstflieger sowie Züge zu Werbezwecken. Die Firma organisierte auch mehrere Wettbewerbe ihrer Kunden. Schicht war zudem ein Vorreiter bei modernen Technologien. Schon 1913 sponserte er den ersten großen Fliegerwettbewerb in Österreich-Ungarn. Und auch die Premiere des ersten Tonfilms in der Tschechoslowakei fand dank der Familie Schicht statt. Dazu kam es im April 1929 in Ústí, also vier Monate vor der Tonfilmpremiere in Prag.“
Die Ausstellung über das Schicht-Epos ist noch bis 5. November im tschechischen Senat zu sehen.