23 Vereine und keine Angst vor Investitionen: Ein Besuch im tschechischen „Dorf des Jahres“
Ostrožská Lhota / Ostralhota ist kein Dorf wie jedes andere. Nicht nur, dass auf knapp 1500 Einwohner ganze 23 ehrenamtliche Vereine kommen. Der Ort, der südlich von Zlín und nur knapp zehn Kilometer vor der Grenze zur Slowakei liegt, hat zudem eine außergewöhnlich gute Infrastruktur – und sie wird immer weiter ausgebaut. Denn in Ostrožská Lhota wird Geld in die Hand genommen und nicht gespart. Weil man dort offenbar mehr an das öffentliche Leben denkt als an eine vermeintliche öffentliche Ruhe, ist die Gemeinde in diesem Jahr zum Dorf des Jahres in Tschechien gewählt worden.
Wenn man mit Roman Tuháček durch Ostrožská Lhota läuft, vergehen keine fünf Minuten, ohne dass er jemanden herzlich grüßt oder selbst angesprochen wird. Der Bürgermeister scheint jede und jeden zu kennen in dem kleinen Ort, der in diesem Jahr zum Dorf des Jahres in Tschechien gewählt wurde. Die Urkunde hängt gut sichtbar im Flur des Stadtamtes, direkt gegenüber Tuháčeks Büro. Gefragt, womit die Gemeinde den Titel denn verdient habe, antwortet der Bürgermeister ohne zu zögern:
„Ich würde sagen, es ist ein schöner Ort, in dem es alles gibt, was in einem Dorf nötig ist. Damit meine ich die Grundausstattung durch Stadtamt, Schule, Kindergarten, Kirche, Post und Gesundheitszentrum. Es gibt eine Wasseraufbereitungsanlage, einen Recyclinghof und verschiedene Geschäfte, man kann zur Massage gehen oder auch Blumen kaufen. Außerdem gibt es hübsch gestaltete öffentliche Flächen, die mit Blumen und Bäumen bepflanzt sind. Aber vor allem sind die Gemeinschaft und die Zusammengehörigkeit der Menschen wirklich vorbildhaft. Dies zeigt sich schon daran, dass es hier 23 Vereine gibt. Sie gestalten das sportliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben im Ort, sowohl für die Bewohner von Ostrožská Lhota, als auch für die Besucher.“
Die Freude und eine gesunde Portion Stolz sind Tuháček noch anzumerken an diesem Spätsommertag, keine zwei Wochen nach der Titelverleihung. Bereitwillig lädt er ein zu einer Führung durch das Dorf, und fast wie bestellt herrscht dazu schönster Sonnenschein. Die erste Station ist das Gemeindemuseum…
„Alles, was man drinnen sehen kann, ist die Arbeit des hiesigen Klubs der Geschichtsfreunde. Die Mitglieder haben die Exponate zusammengetragen. Dabei handelt es sich um archäologische Funde, angefangen bei der Bronzezeit. Das nötige Baumaterial, die Vitrinen und die Ausstattung wurden von der Gemeinde finanziert. Die Vereinsmitglieder kümmern sich um das Museum. Sie machen das in ihrer Freizeit und kostenlos, als Hobby und mit Freude. Wir sind sehr froh darüber, dass es im Ort solche Menschen gibt. Denn das Museum ist wirklich das Schmuckstück von Ostrožské Lhota. Auch die Kommission des Wettbewerbs zum Dorf des Jahres war, sowohl auf Kreis- als auch auf Landesebene, davon begeistert.“
Die zweistöckigen Museumsräume wurden im Jahr 2011 eröffnet. Keramikscherben, Gürtelschnallen, Münzen, Äxte, der Stoßzahn eines Mammuts und sogar ein gut erhaltenes menschliches Skelett – alles stammt aus der Gegend um Ostrožská Lhota. Die Exponate sind gut sortiert hinter Glas platziert und die Wände mit passenden Motiven bemalt. Im Erdgeschoss zeigt Tuháček zudem auf ein besonderes Ausstellungsstück:
„Erstmals schriftlich erwähnt wurde Ostrožská Lhota im Jahr 1371. Dies hier ist ein Modell des Dorfes von 1827. Damals gab es ein paar Häuser weniger, die Kirche steht immer noch am selben Ort, und die Straße Dědina, in der sich das Stadtamt befindet, ist nach wie vor die Hauptverbindung. Damals gab es hier zwei Mühlen, der Bach ist jetzt begradigt, und heute ist die Siedlungsfläche größer als noch 1827. Das Modell hat der leider schon verstorbene Josef Páč angefertigt, der in Ostrožská Lhota geboren wurde und dann auch Mitglied im Klub der Geschichtsfreunde war.“
Der Seitenflügel des Gebäudes beherbergt einen geräumigen Klubraum. Er werde vom Gärtnerverein genutzt, informiert Tuháček. Die Gruppe feiere demnächst ihr 60. Gründungsjubiläum.
„Den Flügel haben die Hobbygärtner selbst saniert. Dafür haben sie kostenlos gearbeitet oder etwas Geld bei Ausstellungen gesammelt. Auch das sind Menschen, die ihre Freizeit dafür widmen. Auf den Fotos an den Wänden ist zu sehen, wie das Gebäude vorher aussah. Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es hier eine alte Brennerei und später eben den Umbau. Die Gutherzigkeit der Menschen ist der Mehrwert unseres Ortes. Wir schaffen es, uns für eine Sache zusammenzutun. Das ist das Größte und durch nichts zu ersetzen.“
Viele freiwillige Helfer
Am idyllischen Bach Okluky entlang führt Roman Tuháček zu einem weiteren Vorzeigeprojekt von Ostrožská Lhota. Über eine kleine Brücke geht es zum begrünten Spiel- und Erholungsplatz. Zwischen den Sträuchern ist eine Frau gerade dabei, die Erde vom Unkraut zu befreien. Dies sei genau das, wovon er rede, freut sich Tuháček. Die Nachbarin würde sich aus freien Stücken um die Beete kümmern. Wo sie doch gerade nichts zu tun habe, scherzt die Dame dazu und erlaubt, dass ich ein Foto mache.
Auf dem langgestreckten Platz laden eine Hollywoodschaukel und Bänke zum Verweilen ein. Für Kinder gibt es Kletter- und Spielmöglichkeiten sowie einige Wasserelemente. Der Bürgermeister erzählt:
„Früher waren hier nur Bäume und Rasen. Als ich Kind war, haben wir hier gezeltet und Lagerfeuer gemacht. Mein Amtsvorgänger Jelének rief die Väter aus der Gegend dann in Aktion, einen Spielplatz anzulegen. Das Baumaterial dafür stellte die Gemeinde. Als dann um 2010 oder 2011 herum die Subventionsfonds populär wurden, entstand das Projekt für die Relax-Zone.“
Diese grenzt am hinteren Ende an den Sportplatz, der im Winter auch als Eisfläche zum Schlittschuhlaufen dient. Hier trifft Tuháček auf einen weiteren guten Bekannten… Stanislav Dufka sei der Reporter des Ortes, stellt Tuháček vor. Gut und vor allem schnell würde Dufka über alles berichten, was in Ostrožská Lhota vor sich geht. Zudem schreibe er in der Lokalzeitung „Slovácký deník“ über Sport. Genau deswegen sei er auch gerade auf dem Weg zu einem Fußballspiel, bestätigt der Hobbyjournalist. Und Tuháček fügt noch hinzu, dass Dufka das alles neben seinem eigentlichen Beruf tue.
Erfolgreicher Bürgermeister
Roman Tuháček ist Anfang vierzig und schon in der zweiten Amtszeit der Bürgermeister von Ostrožská Lhota. Bei der Frage, wie er dazu gekommen sei, lacht er erst einmal:
„Gute Frage. Ich bin in Ostrožská Lhota geboren. Irgendwann wurde ich einfach gefragt. Und so habe ich 2018 zum ersten Mal in meinem Leben kandidiert und mich auf den ersten Platz der Liste der neugegründeten Vereinigung der unabhängigen Kandidaten setzen lassen.“
Eigentlich sei er Bauingenieur, fährt Tuháček fort. Für das Bürgermeisteramt sei er nun freigestellt und habe im Rathaus eine Buchhalterin und die Standesbeamtin an seiner Seite.
„Mit den Wahlen zur zweiten Legislaturperiode war ich dann über die Maßen zufrieden, denn wir haben mit Abstand gewonnen. Ich verstehe das als eine Art Anerkennung der ersten vier Jahre meiner Arbeit in der Gemeinde als Bürgermeister.“
Auf diesen Rückhalt konnte Tuháček auch bei der Bewerbung zum Dorf des Jahres zählen. Die Idee kam von ihm selbst, und das schon im vergangenen Jahr. Damals sei es noch eher ein Schnuppertest gewesen, aber immerhin kam eine besondere Erwähnung des Gemeindemuseums als einmalige archäologische Sammlung dabei heraus.
„Die Anmeldung nahm recht viel Zeit in Anspruch. Diesmal verlief sie schon vermehrt digitalisiert, während voriges Jahr noch viele Angaben schriftlich gemacht werden mussten. Ich hatte letztes Jahr auch den Gemeinderat und die Gemeindevertretung darüber informiert, es dann aber nicht weiter verfolgt. In diesem Jahr habe ich den Kolleginnen angekündigt, dass wir uns wieder bewerben und diesmal auch wirklich gewinnen. Nun wussten wir ja schon, worauf es bei dem Wettbewerb ankommt. Das heißt, wir haben alle Anforderungen entsprechend eingepasst und anhand der Kriterien gezeigt, wie die Gemeinde lebt. An der Präsentation haben sich viele Leute aus den einzelnen Vereinen beteiligt.“
Zahlreiche Bewohner reisten dann am 16. September auch zur Bekanntgabe des Ergebnisses nach Luhačovice / Luhatschowitz. Und wer nicht persönlich dabei sein konnte, der schaute im Livestream auf Facebook zu, den Reporter Stanislav Dufka eingerichtet hatte.
„Als also das Ergebnis verkündet wurde, gab es Freudenausbrüche in Luhačovice und in Ostrožská Lhota gleichzeitig. Das war wunderbar.“
Während Roman Tuháček von diesen noch frischen Erinnerungen berichtet, sind wir beim Spaziergang durch das Dorf am Denkmalhaus angekommen. Der längliche, beigefarbene Bau stammt aus den 1830er Jahren und gehörte der Familie Boček. Der letzte Bewohner, Jaroslav Boček, war Uhrmacher und wohl der bisher erfolgreichste Amateursportler, den Ostrožská Lhota hervorgebracht hat. Als er 2003 starb, überließ er das Haus der Gemeinde. Weiter schildert der Bürgermeister:
„Die Gemeindevertreter überlegten damals, ob das Haus abgerissen und stattdessen Garagen gebaut werden sollten. Aber es gibt im Ort die Folkloregruppe Háječek, und deren Mitglieder setzten eine Petition auf, damit dieses Denkmalhaus entsteht. Dafür konnten EU-Gelder organisiert werden, und herausgekommen ist etwas so Hübsches. Schon wenn man hineinkommt, spürt man die Ruhe vergangener Zeiten oder auch älterer Menschen, so eine Behaglichkeit. Und dies wieder einmal dank jener Einwohner, die Folklore mögen und das Potential dieses Gebäudes erkannt haben. Es heißt jetzt Volkstümliches Denkmalhaus Háječek (Lidový památkový dům Háječek, Anm. d. Red.), und der Verein kümmert sich darum – allen voran die Leiterin Ludmila Hájková, die ich auch gern als die Ikone und Folklorelegende von Ostrožská Lhota bezeichne.“
Das Denkmalhaus ist dann auch mit einigen Folkloreelementen verziert, etwa um die Eingangstür und die Fenster herum. Drinnen gibt es bestickte Wandbehänge, eine historische Küche und die hergerichteten Wohnräume zu sehen: Holzmöbel, Butterbottiche, Ikonenbilder, Kinderspielzeug von vor einhundert Jahren. Roman Tuháček:
„Als die Gemeinde das Haus übernahm, sah es noch nicht so aus wie heute. Mein Großvater war ein Freund von Jaroslav Boček und kam hier häufig zu Besuch. Ein paar Mal hat er mich auch mitgenommen. Damals war hier noch ein Lehmfußboden. Boček führte ein bescheidenes Leben. Er war ein toller Mensch mit einem großen Herzen.“
Und mit Ausdauer. Jaroslav Boček war nämlich Marathonläufer und trainierte gemeinsam mit der tschechoslowakischen Olympia-Legende Emil Zátopek. Bočeks extra schwere Trainingsschuhe werden im Denkmalhaus darum wie auf einem kleinen Altar präsentiert.
Lebendige Dorfgemeinschaft
Bürgermeister Roman Tuháček kennt die meisten Leute, die er beim Spaziergang durch Ostrožská Lhota auf der Straße trifft, mit Namen. Mit vielen hat er gleich noch etwas zu besprechen, oder er hält ein kurzes Schwätzchen. Freundschaftlich grüßt er im Vorbeigehen auch den Jugendlichen Saša. Dieser sei, so berichtet Tuháček sogleich, einer von zwei Söhnen, die mit ihrer Mutter aus der Ukraine geflohen sind und nun vorübergehend in der Pension am Fußballplatz wohnen.
Eben das Sportareal dürfe bei der Führung durch den Ort nicht fehlen, meint der Bürgermeister. Es wurde in den 1970er Jahren unter Mithilfe der Bewohner angelegt. Die gesamte Anlage scheint für das kleine Dorf fast riesig. Der Sportverein würde sich selbst darum kümmern und immer wieder Lob ernten, wie gut der Rasen gepflegt sei, sagt Tuháček und fährt fort:
„Hinter den Tennisplätzen sind noch Volleyballfelder und ein Beachvolleyballplatz. Gerade haben wir Gelder von der Sportagentur bekommen, mit denen wir neue Anstriche des Hauptgebäudes finanziert haben. Zudem wurden die Fenster ausgetauscht, die neuen werden gerade eingesetzt. Das Dach ist frisch gestrichen, und im Rahmen dieses kleinen Projektes wird auch die Auffahrt erneuert. So arbeiten wir also nach und nach daran, alles instand zu halten. Bei dieser Größe ist das kein Spaß, deshalb kümmern sich auch die Sportvereine darum. Natürlich hilft die Gemeinde dabei und unterstützt das Ganze finanziell. Ohne das geht es nicht.“
Gegenüber dem Sportplatz zeigt Tuháček auf den Zugang zur Hütte des Jägervereins. Im zugehörigen Garten würden nicht nur Fasane gezüchtet, sondern ebenso die Prüfungen für Jagdhunde abgehalten oder auch mal ein Fußballturnier der Alten Herren veranstaltet.
„Das Dorf ist also wirklich sehr lebendig“, freut sich der Bürgermeister. Lebendig ist auch jener Ort, an dem es nun entlang geht – der Kindergarten von Ostrožská Lhota nämlich. Auch hier kommt Tuháček nicht vorbei, ohne kurz etwas zu regeln. Die Leiterin Lenka Kadlčková steht auf dem Balkon und bereitet die Beflaggung für den bevorstehenden Staatsfeiertag vor. Auch sie sei ein toller Mensch, und alle würden sie gern haben, bemerkt im Weitergehen der Bürgermeister.
Mehr Zeit zum Schwatz mit Lenka Kadlčková bleibt im Moment nicht, denn Tuháček will unbedingt noch in der Konditorei Halt machen. Das Familienunternehmen Budař sei weit über das Dorf hinaus bekannt, und ein Blick in die Vitrine lässt erahnen, warum…
„Die Törtchen sind genau das, was die Konditorei Budař einzigartig macht. Ich kaufe sie mir, seit das Geschäft eröffnet hat, und ich habe sie immer noch nicht über.“
Tuháček und auch die Verkäuferin empfehlen unisono die Likörtörtchen. Tatsächlich ist das länglich gefüllte Gebäck außerordentlich lecker. Und wie sollte es anders sein – auch in der Konditorei trifft der Bürgermeister wieder einige Bekannte und gratuliert bei der Gelegenheit einer der Anwesenden zum Namenstag.
Beim Verlassen der Konditorei macht Tuháček auf das kleine Gärtchen vor dem Eingang aufmerksam. Es sei eines seiner ersten Projekte als Bürgermeister gewesen. Damals rottete an dieser Stelle ein altes Feuerwehrhaus vor sich hin. Nach dessen Abriss stehen hier nun Bänke, umgeben von Blumenbeeten. Besonders gut gedeihe der Lavendel, der auch zahlreiche Bienen anlocke, ist Tuháček zufrieden.
Viele kleine Projekte mit unmittelbarer Wirkung
In Sichtweite des Gärtchens vor der Konditorei ist am Rande des Gehwegs vor der Post schon eine weitere Stelle abgesperrt worden, an der demnächst ebenfalls eine Sitzbank und neue Sträucher stehen werden. In Ostrožská Lhota ist also immer etwas in Bewegung, an vielen Stellen wird saniert oder entsteht etwas Neues. Offenbar herrscht hier keine Angst, Geld in die Hand zu nehmen. Das in anderen Gemeinden oft gehörte Argument, es gebe keine Finanzen für Bauvorhaben oder andere Projekte, scheint hier nicht zu gelten. Roman Tuháček:
„Schauen Sie, Geld ist ein Zahlungsmittel. Und das muss in Bewegung bleiben. Wozu ist Geld auf dem Konto gut? Wozu soll es dort nur liegen und an Wert verlieren? Finanzen muss man investieren, und erst dadurch wird dem Geld ein Wert verliehen. Anders hat es keinen Sinn.“
Die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde würden aktuell bei 28 bis 30 Millionen Kronen (1,1 bis 1,2 Millionen Euro) liegen, ergänzt der Bürgermeister. Zusätzliche Finanzen beantrage man regelmäßig auch aus EU-Fonds, so etwa für die Verkehrsinfrastruktur:
„Erst im letzten Jahr konnten wir zwei Millionen Kronen für neue Gehwege gewinnen. Wir behalten die Ausschreibungen öffentlicher Gelder im Auge und setzen dann entsprechend kleine Projekte auf. Dabei geht es immer um Verbesserungen in der Gemeinde. Und wie es so ist: Man fängt an der einen Seite an, und wenn man durch ist, kann man gleich wieder von neuem beginnen.“
Ostrožská Lhota scheint also ein Beispiel dafür zu sein, dass es immer Wege gibt, wenn nur der Wille da ist. Jegliche Subventionen könnten einer Gemeinde helfen, wenn die Gelder nur gut investiert würden, so die Philosophie von Roman Tuháček. Außerdem sei vieles, was das Dorfleben heute ausmacht, über einen langen Zeitraum entstanden…
„Die Infrastruktur ist zwar für solch einen Ort ungewöhnlich, aber an ihr wird ja seit vielen Jahren gearbeitet. Schon vor 80 Jahren entstand die Schule. Der Kindergarten ist aus dem Jahr 1912, und auch die Kirche stammt aus dieser Zeit. Unsere Vorfahren hatten einen guten Plan und wollten, dass es in Ostrožská Lhota eine angemessene Versorgung für die Bewohner gibt. Das baut man natürlich nicht von heute auf morgen auf. Alles hier ist ein Zusammenspiel von Vergangenheit und Gegenwart.“
Und dabei wird durchaus auch an die jüngeren Generationen gedacht. Gerade wird das Fitnessstudio ausgebaut, und der Keller des Kindergartens dient an den Wochenenden als Proberaum für die ortsansässige Rockband. Momentan sei die Bevölkerungsentwicklung im Ort auch wieder im Positivbereich, freut sich Tuháček. Zuletzt seien 1488 Einwohner gezählt worden:
„In Ostrožská Lhota haben auch schon einmal über 1600 Menschen gelebt. Die Zahl ging nach unten, weil die Geburtenquote im Laufe der Zeit nicht konstant geblieben ist. 2020 gab es in der hiesigen neunten Klasse nur sechs Schüler. Aber in diesem Jahr sind 22 Schulanfänger in die erste Klasse gekommen. Die Geburten ergeben also eine Sinuskurve. Aber auch die Eigenheime, die derzeit neu gebaut werden, sind ein Merkmal dafür, dass die Zahl der Einwohner wieder steigt.“
Das Durchschnittsalter liegt in der Gemeinde aktuell bei 44 Jahren. Die zahlreichen Vereine bemühten sich zwar um den Nachwuchs, schildert Tuháček. Aber etwa zum Roten Kreuz kämen neue Leute erst, wenn sie schon in ihren 30ern sind. Und der Jägerverein sei noch weniger attraktiv für junge Menschen. Dafür habe aber der Folkloreverein auch eine Jugendgruppe namens „Kameňáček“, und die Schule würde verschiedene Projektangebote zum Beispiel zum Thema Ökologie machen, so der Bürgermeister.
Etwa 120 Kinder und Jugendliche besuchen derzeit die Schule in Ostrožská Lhota. Tuháček führt auf den Schulhof:
„Hier verbringen die Kinder die Pausen, spielen Fußball und vielleicht auch Verstecken. Daran erinnere ich mich auch selbst noch aus den Jahren, als ich in diese Schule gegangen bin. Das Dachgeschoss ist 1996 angebaut worden. Es beherbergt das ‚Zentrum Offene Schule‘, manchmal dienen die Räume auch als Hort, und dort befindet sich außerdem die Ortsbibliothek. Heute Nachmittag gibt es zum Beispiel einen Vortrag über die Beatles. Dort finden verschiedene Veranstaltungen statt, zu denen immer interessante Leute eingeladen werden, die Vorträge halten für die Menschen aus Ostrožská Lhota oder auch von anderswoher.“
Und wieder kommt gerade zufällig jemand vorbei, den der Bürgermeister gut kennt… Barunka Pokorná sei auch eine sehr fleißige Bewohnerin, stellt Tuháček vor. Sie engagiere sich sowohl bei der Feuerwehr und im Tennisklub als auch im besagten „Zentrum Offene Schule“. Die Dame grüßt fröhlich und setzt ihren Weg in die Bibliothek fort.
Das Grundstück direkt neben der Schule ist laut Tuháčeks Ausführungen ein weiteres schönes Beispiel dafür, dass eine länger ungenutzte Fläche im Dorf wiederbelebt wurde – in diesem Fall durch die Imker. Vereinsmitglieder aus Ostrožská Lhota und aus dem Nachbarort Ostrožská Nová Ves haben hier 2020 eine Bildungsstation eingerichtet. Sie biete Lehrpfade zum Thema Pflanzen, sagt Tuháček, Platz für Kinderfeste – und noch eine Besonderheit:
„Außerdem wurde dort ein kleines Apihäuschen errichtet. In zwei gegenüberliegenden Wänden sind drei Bienenstöcke eingefasst. Und darüber ist ein Lattenrost angebracht, auf dem man liegen und entspannen und dabei die Energie der Bienen tanken kann. Das ist auch eine tolle Sache.“
Imkerstation und Apihäuschen
Beim Rundgang durch Ostrožská Lhota wird deutlich, dass dort viele kleinere Projekte angepackt werden, die einen unmittelbaren Nutzen haben. Aber es gibt auch längerfristige Pläne. Roman Tuháček führt an einem alten Industriegebäude am Rande des Ortskerns vorbei…
„Dieser ehemalige Getreidespeicher ist in Privatbesitz des Ehepaares Vrba. Ich habe ihnen angeboten, dass die Gemeinde Interesse hätte, falls sie ihn zufällig verkaufen wollen. Es ist so ein schönes Gebäude, und drinnen befindet sich sogar eine offizielle Brennerei. Diese könnte noch für die Öffentlichkeit genutzt werden. Wir würden uns gern darum kümmern, denn das Objekt hat ein großes Potential.“
Auch einige Holzförderbänder seien innen noch erhalten, ebenso wie ein bisschen Technik, fügt Tuháček hinzu. Er spricht von einem Café, das im Gebäude entstehen könnte. Und weiter:
„Es wäre natürlich gut, den Charakter als Getreidespeicher zu erhalten. Schon im Dorfmodell von 1827 findet sich dieses Gebäude, das die Geschichte der Gemeinde mitgestaltet hat. Der andere Gebäudeteil ließe sich prima für Wohnungen nutzen. Also könnte das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden werden.“
Dieses Motto findet ganz offensichtlich vielfach Anwendung in Ostrožská Lhota. Und die proaktive Haltung – man möchte es fast schon eine Lust am Investieren nennen – war sicher ein Grund dafür, dass dem Ort der Titel Dorf des Jahres verliehen wurde. Hinzu kommt eine funktionierende Dorfgemeinschaft, in der das Leben nicht nur in den eigenen vier Wänden abläuft.
Und für nicht wenige der Bewohner zählt dazu offenbar auch eine geistliche Komponente. Die römisch-katholische Kirche des heiligen Jakob jedenfalls ist laut dem Bürgermeister zur Sonntagsmesse immer gut gefüllt, und zu Feiertagen sogar überfüllt.
„Die Kirche ist innerhalb von anderthalb Jahren erbaut worden. 2018 wurde der Innenraum restauriert, in dem ein schöner neuer Marmorfußboden angelegt wurde. Auch die Bänke und der Wandanstrich sind neu. Die Kirche ist die Dominante unseres Ortes, sie findet sich auch im Gemeindewappen.“
Tuháček öffnet die schwere Tür…
„Wenn die Heilige Messe läuft, entsteht eine zauberhafte Atmosphäre. Dann ist der Raum erleuchtet. Und wir haben einen tollen Orgelspieler. Wenn er das Instrument mit seiner Kunst erklingen lässt, ist es eine wahre Pracht. Eine solch schöne Kirche ist im Verhältnis zur Dorfgröße besonders. Sie hat natürlich auch ihre Historie. Aber die können wir dann beim nächsten Mal erzählen.“
Falls also Ostrožská Lhota im nächsten Jahr wieder am Wettbewerb zum Dorf des Jahres teilnimmt und erneut gewinnen sollte, gibt es noch vieles, was man bei einem weiteren Besuch besprechen könnte. Einige Ecken werden dann schon wieder ganz anders aussehen. Aber an der lebendigen Atmosphäre im Ort wird sich sicher so schnell nichts ändern.