Bewährungsstrafe für mehrfache Vergewaltigung: Justizministerium prüft Gerichtsurteil

Demonstration Světlo pro oběti znásilnění

Justizministerium, Oberstaatsanwaltschaft, Amnesty International Tschechien – sie alle beschäftigt derzeit ein Urteil, das das Kreisgericht Brno / Brünn gefällt hat. Ein Mann, der seine Stieftochter wiederholt vergewaltigt hat, bekam lediglich eine Bewährungsstrafe.

Demonstration Světlo pro oběti znásilnění | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

Mehrere hundert Menschen sind am Dienstagabend vor dem Justizministerium in Prag zusammengekommen. Sie fordern mehr Gerechtigkeit für die Opfer von sexualisierter Gewalt. Anlass ist ein Gerichtsurteil, über das die tschechische Öffentlichkeit seit mehreren Tagen intensiv diskutiert. Ein Mann hat dabei für die mehrfache Vergewaltigung seiner Stieftochter nur eine Bewährungsstrafe erhalten. Diese Demonstrationsteilnehmerin wurde früher ebenfalls von ihrem Stiefvater missbraucht:

„In mir wurden die Erinnerungen wieder erweckt, und ich wurde sehr wütend. Es hat mich sehr berührt, und ich bin wirklich sauer. Ich verstehe es einfach nicht.“

Eigentlich hatte das Bezirksgericht in Vyškov / Wischau den Mann zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt. Medienberichten zufolge hatte er seine minderjährige Stieftochter über Jahre hinweg immer wieder vergewaltigt. Als er dann vor dem Kreisgericht in Brünn in Berufung ging, setzte dieses seine Haftstrafe auf Bewährung aus. Dies sei kein Einzelfall, sagt Johanna Nejedlová. Sie ist die Leiterin der NGO Konsent, die den Protest am Dienstag gemeinsam mit Amnesty International Tschechien organisiert hat:

Johanna Nejedlová | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

„Wir beobachten, dass 50 Prozent der Vergewaltigungsfälle, bei denen es ein Gerichtsurteil gibt, mit einer Bewährungsstrafe enden. Wir finden einfach, dass man da nicht mehr wegschauen darf.“

Auf das Urteil aus Brünn hatte das Nachrichtenportal Seznam Zprávy aufmerksam gemacht. Demnach begründete das Gericht seine Entscheidung damit, dass laut einem Gutachten die erlebte Gewalt bei dem Mädchen keine „grundlegend negativen Folgen“ verursacht habe. Gegenüber Seznam Zprávy sagte das Opfer allerdings aus, dass es seit langem mit psychischen Problemen zu kämpfen habe. Und auch Reporter des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens (ČT) konnten mit dem Mädchen sprechen. Ihre Stimme wurde auf ihren Wunsch hin verfremdet:

„Das belastet mich immer noch. Und etwa eine Woche nach dem Urteilsspruch habe ich einen Selbstmordversuch unternommen.“

Momentan werde das Mädchen in einer Klinik behandelt, heißt es weiter.

Demonstration Světlo pro oběti znásilnění | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

Ende vergangener Woche schaltete sich dann auch das tschechische Justizministerium ein und gab bekannt, dass es den Fall prüfe. Dafür habe man die schriftliche Urteilsbegründung vom Brünner Kreisgericht angefordert. Diesen Schritt hat auch die Oberste Staatsanwaltschaft in Brünn unternommen. Warum, das erläuterte deren Vertreter Michal Basík in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

Michal Basík | Foto: Oberste Staatsanwaltschaft

„In erster Linie gibt es einen sehr deutlichen Widerspruch bei der Einschätzung über ein angemessenes Strafmaß, einerseits von dem Gericht der ersten Instanz und andererseits von dem Berufungsgericht. Außerdem ist offensichtlich, dass die Problematik sexuell motivierter Straftaten derzeit einen relativ starken Widerhall in der Bevölkerung findet. Und auch die Schwere der Informationen, die im öffentlichen Raum aufgetaucht sind – nach denen es sich um eine sehr ernste Straftat handeln soll –, hat in uns den Eindruck geweckt, dass die Strafe wirklich sehr milde zu sein scheint.“

Am Dienstag gab das Justizministerium zudem eine Pressekonferenz. Bei dieser hieß es, dass eine Verbesserung im Umgang mit den Opfern von Straftaten zu den Prioritäten des Ressorts gehöre. Vizeminister Karel Dvořák (Stan) stellte zudem eine bessere Ausbildung der Richter in Aussicht:

„Wir würden uns wünschen, dass Richter – besonders jene mit einer Spezialisierung – zu Weiterbildungen verpflichtet würden, die von der Justizakademie organisiert werden.“

Dies war im Übrigen auch eine Forderung der Demonstranten am Dienstag. Ministerium und Oberste Staatsanwaltschaft werden sich nun wieder äußern, wenn ihnen die schriftliche Urteilsbegründung vorgelegt wird. Dies soll bis Ende der Woche geschehen.

Demonstration Světlo pro oběti znásilnění | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz
Autoren: Daniela Honigmann , David Schalek , Anna Horáčková | Quellen: Český rozhlas Plus , Česká televize
schlüsselwort:
abspielen