Tag der Opfer von Straftaten: Tschechische Gerichte verhängen bei Vergewaltigungen oft niedrige Strafen

Der 22. Februar ist der Europäische Tag der Opfer von Gewalttaten. Auch in Tschechien bietet die Organisation „Weißer Ring“ (Bílý kruh bezpečí) den Betroffenen kostenlose Hilfe an.

Die Einrichtung des Weißen Rings im Stadtzentrum von Olomouc / Olmütz bietet zweimal die Woche eine kostenlose Beratung an. 2022 sei dort eine deutliche Zunahme von Klientinnen und Klienten verzeichnet worden, so die Leiterin Petra Klevetová gegenüber dem Tschechischen Rundfunk: „Im vergangenen Jahr haben 69 Menschen wiederholt Kontakt zu unserer Beratungsstelle aufgenommen. Im Vergleich zum Jahr davor, als es nur 25 Personen waren, bedeutet dies einen Anstieg auf fast das Dreifache.“

Der Weiße Ring hilft Opfern jeglicher Art von Straftaten. Dazu zählen Diebstahl oder Betrug, aber ebenso häusliche oder sexualisierter Gewalt. Die Kampagne „Chce to souhlas“ (Es braucht eine Zustimmung) von Amnesty International Tschechien (AI) und der Organisation Konsent will beispielsweise erreichen, dass die Definition von Vergewaltigung im tschechischen Strafgesetzbuch verschärft wird.

Beide NGOs haben am Mittwoch auf dem Kleinseitner Ring in Prag ein Happening zum zweiten Jahrestag der Kampagne veranstaltet, bei dem etwa eine entsprechende Petition unterschrieben werden konnte. Ihr Aufruf richte sich aber auch an die Politik, so Irena Hůlová von AI gegenüber der Presseagentur ČTK. Denn zu einer Definitionsänderung haben sich die Parteien hierzulande Hůlovás Worten zufolge schon vor den Parlamentswahlen 2021 verpflichtet.

Die aktuelle Gesetzesvorgabe spricht von Vergewaltigung im Falle einer gewaltsamen Nötigung, einer Androhung von Gewalt und der Ausnutzung der Wehrlosigkeit eines Opfers. Menschenrechtsorganisationen wie AI und auch Experten fordern aber, dass eine Vergewaltigung durch das Fehlen eines Einverständnisses definiert werden solle. Die Petition von AI und Konsent haben laut Hůlová bereits über 16.000 Menschen unterschrieben.

Eine aktuelle Studie der Organisation proFem hat zudem ergeben, dass die tschechischen Gerichte in den allermeisten Fällen von häuslicher und sexualisierter Gewalt niedrige Strafsätze verhängen. Fast die Hälfte der Täter, denen sexueller Missbrauch von Kindern oder schwere Vergewaltigung nachgewiesen wird, bekommt eine Strafe unterhalb der Strafsatzgrenze. Diese Ergebnisse, die Soziologinnen der Masaryk-Universität in Brno / Brünn für proFem zusammengetragen haben, wurden am Dienstag bei einer Pressekonferenz vorgestellt. Für die Studie wurden 556 Urteile von Bezirks- und Kreisgerichten ausgewertet.