Am falschen Ende gespart? Südmähren schafft auf einigen Strecken Zugbegleiter ab
In einigen Regionalzügen in Tschechien werden die Reisenden ab dem Jahresende keine Zugbegleiter mehr antreffen. Eine entsprechende Regelung plant nämlich der Kreis Südmähren. 210 Angestellte verlieren dadurch ihre Arbeit oder müssen sich einer Umschulung unterziehen. Und nicht nur deshalb gibt es viel Kritik an der Neuregelung. Denn viele sehen die Sicherheit auf der Schiene gefährdet.
Eliška ist 23 Jahre alt und Zugchefin. Zu ihren Aufgaben zählt bei Weitem nicht nur das Kontrollieren der Fahrkarten, wie sie in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks am Beispiel der Zugabfertigung erklärt:
„Ich kontrolliere, dass niemand angerannt kommt, Hilfe beim Einsteigen braucht oder in den Türen steht. Dann pfeife ich und gebe dem Triebfahrzeugführer das Signal zur Abfahrt. Er kann sich ganz auf das Losfahren konzentrieren, was gar nicht so einfach ist. Oft hat er gar keine Zeit, nach hinten zu schauen – ganz abgesehen davon, dass er bei langen Zügen nicht alles überblicken kann.“
Eliškas Arbeitsplatz ist zuletzt aber unsicher geworden. Denn der Kreis Südmähren will ab dem Fahrplanwechsel im Dezember keine Zugbegleiter mehr einsetzen. Dies geht aus einem Vertrag zwischen dem Kreis und den Tschechischen Bahnen (ČD) hervor. 200 Millionen Kronen (acht Millionen Euro) sollen so eingespart werden, heißt es. Doch Zugchefin Eliška hält wenig von dieser Neuerung.
„In den Zügen können zwar aus der Ferne Ansagen gemacht werden. Oft funktioniert dieses System aber nicht. Manche Leute tragen zudem Kopfhörer und bekommen das dann nicht mit. Zudem gibt es in den Wagen SOS-Knöpfe. Der Lokführer kann aber erst im nächsten Bahnhof zu der betroffenen Person. Das kann zu spät sein, wenn jemand stürzt oder ihm unwohl ist. Aber ein Zug kann nun einmal nicht wie ein Bus am Straßenrand anhalten.“
Auch Lokführer Michal Vonderka ist skeptisch, was die Änderung angeht. Zusätzlich zum Eisenbahnbetrieb noch weitere Aufgaben zu übernehmen, das sei kaum realistisch, sagt er:
„Wenn es zu einer Unregelmäßigkeit kommt, muss ich mich vor allem um mich und mein Fahrzeug kümmern. Ich muss den Zug etwa zum Halten bringen und auf der Strecke sichern. Außerdem stehe ich mit dem Fahrdienstleiter in Kontakt und melde den Vorfall. Bei einem tödlichen Personenunfall muss ich das Areal absuchen und die Einsatzkräfte benachrichtigen. Der Zugchef hat in diesem Fall die Aufgabe, die Reisenden zu informieren. Wenn den Leuten dann etwa übel oder schwindelig wird, kann ich mich nicht darum kümmern.“
Allerdings sollen die Zugbegleiter in den Waggons teils durch Mitarbeiter des südmährischen Verkehrsverbundes Kordis ersetzt werden. Ausgebildete Fachkräfte sollen hingegen nur auf wenigen, ausgewählten Linien eingesetzt werden. Aber kann auf diese Weise ein sicherer Eisenbahnbetrieb gewährleistet werden? Ja, sagt Martina Žídková, die Sprecherin des südmährischen Kreishauptmanns.
„Was die Sicherheit angeht, sind die Züge so ausgestattet, dass sie von einem Lokführer gesteuert werden können, ohne dass eine weitere Person dabei sein muss. Zu diesem Zweck gibt es Kommunikationsschnittstellen zwischen Reisenden und Triebfahrzeugführer sowie ein Kamerasystem.“
Und was meint der Experte? Martin Vojtek forscht an der Verkehrsfakultät der Universität in Pardubice / Pardubitz…
„Wenn der Lokführer mehr Aufgaben hat, kann es leichter zu Fehlern kommen. Die Abfahrt des Zuges muss er allerdings schon jetzt über die Kameras verfolgen. Das größte Problem sehe ich in dem sinkenden Sicherheitsgefühl für die Reisenden. Es gibt niemanden mehr, an den sie sich wenden können. Es kann auch vermehrt zu Vandalismus kommen. In Westeuropa gibt es diesen generellen Trend aber bereits, und von dort kommt er nun zu uns.“
Für Eliška und die anderen Zugbegleiter auf den betroffenen Strecken gibt es immerhin einen schwachen Trost: Entlassen werden von den Tschechischen Bahnen wohl nicht alle Angestellten im betroffenen Bereich. So sind Umschulungsprogramme geplant – etwa zum Triebfahrzeugführer oder zum Instandhaltungstechniker.