Drama um Tschechoslowakischen Rundfunk 1968: „Vlny“ soll Oscar für Tschechien holen
Vor rund einem Monat kam in Tschechien der Film „Vlny“ (Wellen) in die Kinos. Er erzählt von der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 und mehreren mutigen Mitarbeitern des Tschechoslowakischen Rundfunks, die damals unabhängig berichteten. Nun wurde bekannt, dass das Historiendrama für Tschechien ins Rennen um eine Oscar-Nominierung geht. Aber welche Chancen hat „Vlny“?
Der Historienstreifen „Vlny“ erzählt die Geschichte von der Niederschlagung der Reformbewegung Prager Frühling im Jahr 1968. Die Protagonisten sind dabei die damaligen Mitarbeiter des Tschechoslowakischen Rundfunks, der bei den historischen Ereignissen eine entscheidende Rolle spielte. Konkret stehen die Angestellten der Auslandsredaktion im Mittelpunkt der Handlung. Denn sie berichten selbst dann noch unabhängig über die Lage im Land, als draußen bereits die Panzer des Warschauer Paktes rollen.
In weniger als einem Monat wurde der Film hierzulande von über 350.000 Menschen im Kino gesehen und spülte über 60 Millionen Kronen (2,4 Millionen Euro) in die Kassen. Beim International Filmfestival in Karlovy Vary / Karlsbad erhielt „Vlny“ zudem den Publikumspreis.
Nun könnte es für den Film von Regisseur Jiří Mádl mit ein bisschen Glück einen weiteren und noch viel größeren Erfolg geben. Denn wie am Dienstag die Tschechische Film- und Fernsehakadamie (ČFTA) bekannt gab, geht das Historiendrama für Tschechien ins Rennen um eine Nominierung bei den Oscars, und zwar in der Kategorie Bester internationaler Film. Ausgewählt wurde „Vlny“ unter 13 Kandidaten, über deren Ranking eine unabhängige Jury in geheimer Wahl entschied.
Hinter „Vlny“ platzierten sich die Filme „Amerikánka“ von Viktor Tauš und „Mord“ von Adam Martinec. Dass am Ende der Historienfilm rund um den Rundfunk und das Umbruchsjahr 1968 gewonnen hat, überrascht Pavel Sladký nicht. Er ist Filmkritiker beim Tschechischen Rundfunk und sagt:
ZUM THEMA
„Ich denke, es war aus mehreren Gründen bereits klar, dass ‚Vlny‘ der Kandidat sein wird. Denn ‚Mord‘ ist etwa ein Film, den ich sehr schätze, er ist aber in kleinerer Produktion entstanden und hat eher lokale Bedeutung. ‚Amerikánka‘ kommt erst Ende des Monats in die tschechischen Kinos. Der Film wird zwar aufwendig gemacht sein, ich erwarte aber kein Werk, das die internationalen Parameter erfüllt – so wie ‚Vlny‘.“
Aber wird der tschechische Film auch bei der Jury der Academy Awards bestehen können? Sladký führt ins Feld, dass „Vlny“ ein geschichtliches Thema ins Zentrum rückt – was zuletzt immer gut ankam. Und weiter:
„Ich denke, dass ‚Vlny‘ zu Recht viel Erfolg beim Publikum in Tschechien hat, weil es sich um einen dynamischen Mainstream-Film handelt, der mit Hollywood-Standards mithalten kann. Aber ehrlich gesagt: Wenn man sich die anderen Filme anschaut, die in den letzten Jahren nominiert wurden, dann muss das nicht ausreichen.“
So würden häufig originellere Filme Erfolge feiern, die auch über die Geschichte des eigenen Landes hinausblickten, meint Sladký.
„Die internationalen Zeitschriften, wie etwa Variety, haben in den letzten Tagen bereits darüber spekuliert, wer für den Oscar in der Kategorie Bester internationaler Film nominiert werden könnte. Und ‚Vlny‘ wird dort nicht erwähnt.“
Gewissheit, ob der Film von Jiří Mádl ins Rennen um einen Oscar gehen kann, wird es am 17. Dezember geben. Dann wird die Shortlist der besten ausländischen Filme bekanntgegeben. Mitte Januar wird dann veröffentlicht, welche fünf internationalen Filme um eine der begehrten Statuen kämpfen dürfen. Die Verleihung der 97. Academy Awards findet am 2. März kommenden Jahres in Los Angeles statt.
Aus Tschechien hatte es zuletzt im Übrigen 2020 der Film „Šarlatán“ („Charlatan“) von Agnieszka Holland auf die Shortlist geschafft. Mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film, wie die Kategorie bis 2019 hieß, wurden bisher zwei tschechoslowakische und ein tschechischer Streifen ausgezeichnet. 1965 gewann „Obchod na korze“ („Der Laden auf dem Korso“ / „Das Geschäft in der Hauptstraße“) von Ján Kadár und Elmar Klos, 1967 der Kultfilm „Ostře sledované vlaky“ („Liebe nach Fahrplan“ / „Scharf beobachtete Züge“) von Jiří Menzel. Und 1997 siegte das Rührdrama „Kolja“ („Kolya“) von Jan Svěrák.