Nordmährisches Studénka: Ort des seit 1995 größten Bahnunglücks in Tschechien

Foto: ČTK

Wir haben bereits am Freitag darüber berichtet: Auf der Bahnstrecke Krakau – Prag kam es vormittags in der Nähe der nordmährischen Kleinstadt Studénka zu einem Eisenbahnunglück. Der Eurocity „Comenius“ war in eine Brückenkonstruktion gerast, die unmittelbar zuvor auf die Gleise stürzte.

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Freitag, 10.30 Uhr, der Eurocity rast mit etwa 135 Stundenkilometern auf den Ort des Unglücks zu. Wenige Sekunden vor dem Aufprall auf eine kurz davor eingestürzte Brücke zieht der schockierte Lokführer die Notbremse und reduziert im letzten Moment die Geschwindigkeit auf rund 90 Stundenkilometer. Immer noch zuviel, um eine Katastrophe zu verhindern. Fünf Waggons entgleisten, zwischen zweien von ihnen hatte sich die umgekippte Lokomotive verklemmt. Wo man auch hinschaute, ein einziger Trümmerhaufen. Binnen weniger Minuten ist ein erstes medizinisches Notdienstteam am Unglücksort, dem sehr schnell weitere folgen. Sechs Menschen können sie aber nicht mehr helfen: Fünf Frauen und ein Mann kamen direkt vor Ort ums Leben, das siebte Opfer – ein Mann – starb im Krankenhaus.

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Fast 70 Verletzte, davon 16 Schwerverletzte, wurden in insgesamt zehn Krankenhäuser transportiert. Die Frage, wer für das Unglück die Verantwortung trägt, ließ nicht lange auf sich warten. Der Baufirma „ODS Dopravní stavby“, die seit April dieses Jahres an der Rekonstruktion der über 40 Jahre alten Brücke arbeitet, schob die Eisenbahngesellschaft České dráhy (ČD) indirekt die Schuld zu. Sie sei nicht über die Vorgänge am Bauort informiert worden, sagte im Tschechischen Fernsehen Bahnsprecher Ondřej Kubala:

„Der Bahnbetreiber České dráhy hatte keine Ahnung, dass die Züge hier ihre Geschwindigkeit hätten reduzieren sollten. Den ganzen Tag verkehrten sie mit 140 Stundenkilometern.“

Und der Generaldirektor der Baufirma „ODS Dopravní stavby“, Tomáš Vítek, beteuerte:

Premier Mirek Topolánek mit  (links) seinem polnischen Amtskollegen Donald Tusk  (Foto: ČTK)
„Unser Staatsunternehmen ist der Bauträger, die Montage der Stahlkonstruktion wird allerdings von der Firma Begla Kreissl durchgeführt. Deren Arbeiter waren also heute auf der Baustelle.“

Vítek zufolge sind auf der Baustelle „nur“ Vorbereitungsarbeiten getätigt worden, und zwar für die am Abend geplante Bewegung eines sanierten Brückensegments in Richtung alte Brückenkonstruktion, die, wie bereits gesagt, auf die Gleise stürzte.

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Wer für das tragische Ereignis die Verantwortung trägt, muss nun die Polizei klären, die sofort ihre Ermittlungen vor Ort eingeleitet hat. Kurze Zeit nach dem Unglück besuchten der tschechische Premier Mirek Topolánek, zwei Minister und der polnische Premier Donald Tusk den Unglücksort. Topolánek erklärte, das sich sein Kabinett am 20. August mit dem Zugunglück befassen werde:

„Wir werden uns sowohl mit den materiellen als auch mit den persönlichen Folgen der Katastrophe beschäftigen.“

Seit Sonntag um Mitternacht können die Züge wieder auf zweien der insgesamt fünf Gleise verkehren. Da es aber bisher nicht möglich war, das Stromnetz am Unglücksort zu reparieren, werden die Züge von Diesellokomotiven gezogen. Ab diesem Montag können Hinterbliebene und Verletzte eine finanzielle Entschädigung bei der Tschechischen Bahn beantragen.