NS-Opfer bei deutschem Botschafter: Zusammenkunft gegen das Vergessen
Živá páměť – „Lebendiges Erinnern“ heißt eine Organisation, die sich um tschechische Opfer des nationalsozialistischen Regimes kümmert und ihre Lebensgeschichten aufzeichnet. Sie hat am Dienstag dieser Woche eine Begegnung mit NS-Verfolgten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs veranstaltet, die auf Einladung des deutschen Botschafters Helmut Elfenkämper und seiner Frau stattfand. An dem Treffen nahmen zudem junge Deutsche teil, die bei ´Živá paměť´ ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren. Till Janzer war ebenfalls bei der Veranstaltung in der deutschen Botschaft in Prag.
Sternsinger der deutschen katholischen Gemeinde Prag sowie Kaffee und Kuchen – damit erhielt die Begegnung einen angenehmen Rahmen. Doch im Mittelpunkt stand natürlich das Erinnern, und das ist häufig sehr schmerzlich. Miloš Dobiáš zum Beispiel musste knapp ein Jahr Sklavenarbeit in den Farbenwerken im erzgebirgischen Aue verrichten – unter lebensgefährlichen Bedingungen allein wegen des mangelnden Schutzes. Ätzende Arsendämpfe verbrannten damals im Jahr 1944 sein Gesicht. Auch weil er sein Schicksal als Warnung betrachtet, hat er die Einladung des deutschen Botschafters ohne Zögern angenommen:
„Das ist eine sehr schöne Geste und in der jetzigen Zeit auch sehr wichtig. Wir sind ja auch entschädigt worden. Aber darum geht es mir gar nicht mehr, sondern viel mehr um die Annäherung und das Kennenlernen, damit wir aus der Vergangenheit lernen. Ein sehr wichtige Schritt wurde jetzt hier gemacht.“
Doch nicht alle Opfer nationalsozialistischer Verfolgung aus Tschechien stimmen mit Miloš Dobiáš überein und sind bereit zu Treffen mit Deutschen. Eine junge Freiwillige aus Deutschland berichtet:
„Zum größten Teil wird man sehr dankbar und liebevoll empfangen, und viele haben mir auch schon gesagt, dass ich wie eine Enkelin oder wohl eher Urenkelin für sie bin. Aber mir zumindest ist es passiert, dass ich einen Herrn besucht habe und er mir seine Geschichte aus Deutschland erzählt hat. Danach sagte er, dass er durch meine Anwesenheit zu sehr an die Zeit erinnert werde, ihn das zu sehr psychisch belaste und er mich danach lieber nicht mehr wieder sehen wolle.“
Das erzählt Miriam Gossen aus Aachen, die seit September bei ´Živá paměť´ alte Menschen betreut. Dennoch waren etwa 40 Überlebende der Einladung in die deutsche Botschaft gefolgt. Dort war es bereits das zweite Treffen dieser Art. Im Herbst vergangenen Jahres war eine Gruppe von 15 bis 20 Frauen, die als junge Mädchen in einem gemeinsamen Zimmer im KZ Theresienstadt festgehalten wurden, in die deutsche Vertretung gekommen. Botschafter Helmut Elfenkämper zu den Treffen mit NS-Verfolgten:
„Für mich ist dies eigentlich ein ganz selbstverständlicher Teil der Arbeit einer Botschaft in einem Land, in dem Deutschland als Besatzungsmacht und Angreifer gewirkt hat. Es ist ein Teil der Aufarbeitung unserer Geschichte.“