O du fröhliche Einkaufszeit
Bald ist Weihnachten. Vorfreude herrscht, aber auch Stress macht sich breit. Einkaufsstress nämlich. Ein paar Gedanken dazu macht sich unser freier Mitarbeiter Alexander Schneller im nachfolgenden Radiofeuilleton:
Hatten wir im Oktober, aber auch im November die Vorboten des Fests noch kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen mit der Bemerkung:"Die fangen jedes Jahr früher an!", so stimmen uns jetzt die vielen Lichter, die Weihnachtsbäume allenthalben und der Duft nach Mandarinen und Glühwein so richtig auf das kommende Fest ein. Während die Herzen der Kinder schon heftiger pochen in Erwartung all der Dinge, die da kommen werden, erinnern wir Erwachsenen uns an eben diese Kinderzeit mit mehr oder weniger Melancholie. Dazu haben wir aber auch kaum Zeit, denn jetzt gilt es, all die Geschenke zu organisieren, die dann am Heiligabend unter dem festlich geschmückten Baum liegen sollen. Und damit wir ja nicht unschlüssig sind, was wir kaufen könnten oder sollten, werden wir mit Werbeprospekten geradezu bombardiert. Jetzt ist auch die Zeit der Sonderangebote, die man auf keinen Fall verpassen sollte. Und sind die Wünsche eigentlich grösser als das Portemonnaie, so ist "prodej na splátky", Verkauf mit Ratenzahlung, das Zauberwort. Warum, meint eine Bank in ihrer Werbung, warum gönnen Sie sich nicht einen Fernseher mit Grossbildschirm, DVD Player und Heimkinosound? Oder wie wärs mit einem neuen Computer mit allen Schikanen? Wenigstens ein neues Handy mit integriertem Fotoapparat sollte doch drin liegen.
Nun ist die Weihnachtszeit vor allem für den Detailhandel die wichtigste Zeit. Mit guten Verkaufszahlen kann man ein ganzes Geschäftsjahr retten. Und da inzwischen auch die Tschechische Republik, wie die meisten ehemaligen sogenannten Ostblockstaaten, ein Land der Konsumentinnen und Konsumenten und zumindest Prag ein Einkaufsparadies ist, wird gekauft, was das Zeug hält, auf Teufel komm raus, pardon: auf Herrgott komm raus, wäre in diesem Fall wohl passender.
Deshalb wird die eigentlich friedlich gestimmte Vorweihnachtszeit zum Stress, zum Einkaufsstress nämlich. Und so sieht man in den Strassen all die von Geschäft zu Geschäft hetzenden Väter und Mütter, Onkel und Tanten, Brüder und Schwestern, Freunde und Freundinnen. Kurzum: Die ganze Nation befindet sich in einem einzigen Konsumrausch. Zwar werde heuer eher weniger gekauft, heisst es, will man einer Tageszeitung Glauben schenken, dafür aber darfs teurer sein. Und das wiederum bedeutet mehr Ratenzahlung und letztlich mehr Verschuldung.
Nun verstehe man mich nicht falsch. Ich will hier nicht den moralischen Zeigefinger heben, ich will auch niemandem die Freude am Schenken und Beschenktwerden vermiesen. Ich denke nur, dass wir gerade in dieser Zeit auch einmal innehalten sollten, uns fragen sollten, was wir da tun, ob wir das aus eigenem Antrieb tun oder ob wir nicht schon irgendwie fremdbestimmt sind.
Wie dem auch sei. Ich jedenfalls gehe in dieser Zeit gern durch die Strassen, gerade auch durch die Einkaufsstrassen. Mitten im Gewusel der mit unzähligen Einkaufstaschen behängten Konsumentinnen und Konsumenten fühle ich mich wohl, beobachte ich gern, atme die kühler werdende Luft ein und habe es wirklich nicht eilig, denn ich habe schon alles fürs Fest besorgt. Allerdings kann es dann schon passieren, dass ich an einer Schaufensterscheibe hängen bleibe, dass meine Begehrlichkeit wächst oder dass ein plötzlicher Gedanke dazu führt, mich in den Reigen der Käuferscharen einzureihen und mich todesmutig in das Getümmel der Einkaufstempel zu stürzen.
Ein schönes und ruhiges und friedliches Weihnachten wünscht Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, Alexander Schneller.