Weihnachts-Markt Tschechien

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Wie überall ist Weihnachten auch in Tschechien ein Fest zwischen Tradition und Konsum. Und letzteren können sich auch hierzulande immer mehr Menschen leisten. Über böhmische Weihnacht in Zeiten des Wirtschaftswachstums erfahren Sie mehr im folgenden Forum Gesellschaft von Thomas Kirschner.

Wie echte böhmische Weihnachten auszusehen haben, daran gibt es seit den naiv-bunten Bildern von Josef Lada keinen Zweifel. Lada hat nicht nur dem braven Soldaten Schwejk sein dumm-schlaues Aussehen mit der aufgeworfenen Stupsnase gegeben, sondern mit liebevoll-schlichtem Strich auch das böhmische Volksleben festgehalten: Weihnachten in Böhmen, das ist ein tief verschneites Dorf mit pastellfarbenen Häuschen in der einbrechenden Dämmerung eines Winterabends, dicke Schneeflocken fallen, die Kinder rodeln noch am Kirchhügel oder laufen auf dem Dorfteich Schlittschuh, während sich der Großvater bereits am Ofen die Pfeife stopft und die Mutter im Lampenschein den Plätzchenteig ausrollt. Unter dem stubenhohen Weihnachtsbaum liegen die Geschenke, ein Steckenpferd und eine Lumpenpuppe, und im Ofen schmort der unvermeidliche Heilig-Abend-Karpfen.

Die altmodisch-idyllischen Motive von Josef Lada stellen bis heute einen Großteil der tschechischen Weihnachtskarten. Und manchmal ist tatsächlich auch im gegenwärtigen Tschechien mitten im Großstadttreiben noch ein Stückchen dieser naiven Kinderweihnacht zu finden - so etwa bei diesen Eltern, die mit vollen Taschen aus einem Prager Spielzeuggeschäft kommen.

"Das sind schon die Weihnachtsgeschenke! Wir haben viele Kinder, da gibt es auch viele Geschenke! Hier haben wir Plüschtiere und Brettspiele, Drachen und Ritter - und außerdem Schneewittchen und die sieben Zwerge!"

Von der Illusion einer dörflichen Weihnacht mit Zimt- und Mandelduft leben auch die Weihnachtsmärkte mit ihren bunten Auslagen in den kleinen Holzbuden. Manche der Stände wirken tatsächlich, als hätte man sie aus einem der Bilder Josef Ladas in die Prager Gegenwart abgepaust.

"Wir haben hier verzierte Honiglebkuchen im Angebot, das ist eine alte tschechische Weihnachtstradition. Aber auch Touristen kaufen die Lebkuchen gern. Wir haben hier verschiedene Formen, zum Beispiel Krippen, Sterne, Glocken, aber auch Schweinchen und Fische. Am liebsten kaufen die Leute die Glocken und die Sterne als traditionellen Schmuck für den Weihnachtsbaum"

Die meisten anderen Stände bieten aber nur die üblichen Souvenirs an: Biergläser, T-Shirts, bunte Tassen. Und der große Weihnachtsbaum ist zumindest am Mustek, dem unteren Ende des Prager Wenzelsplatzes, nur noch aus künstlichen Tannengirlanden zusammengewickelt und strahlt überhell in einem schmerzhaften Blau. Aus dem Weihnachtsmarkt ist auch in Tschechien schon längst der Weihnachts-Markt geworden. Und die Tschechen haben zunehmend das Geld, um daran teilzunehmen: Die Löhne sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen, das Wirtschaftswachstum liegt weit über dem EU-Durchschnitt und während man anderswo über steigende Steuerlasten klagt, erwartet die Arbeitnehmer in Tschechien im kommenden Jahr eine Senkung der Einkommenssteuer. Beste Voraussetzungen also für einen blühenden Weihnachts-Markt? Nicht ganz, wenn man Martina Rubasova und den Untersuchungen der Marktforschungsagentur Factum Invenio glauben darf.

"Die Ausgaben für Weihnachtsgeschenke stagnieren in Tschechien in den letzten Jahren. Am meisten haben die Menschen 2001 für Geschenke ausgegeben. Seitdem sinken die Ausgaben langsam, aber kontinuierlich. Die Zahlen für dieses Jahr stellen nur eine Fortsetzung der vorangehenden Entwicklung dar. Alles in allem: der Trend ist sichtbar, aber verhältnismäßig schwach, und wir müssen abwarten, wie er sich weiter entwickeln wird."

4600 Kronen wollen die Tschechen in diesem Jahr durchschnittlich für Weihnachtsgeschenke ausgeben, das sind rund 150 Euro. Vor vier Jahren waren es noch 5200 Kronen. Kein unerheblicher Unterschied, wenn man berücksichtigt, dass die Gehälter damals noch um einiges niedriger waren. Anzeichen von Konsumverzicht? Keineswegs, meint Martina Rubasova, die für Factum Invenio die tschechischen Weihnachtsgewohnheiten bereits seit einigen Jahren beobachtet. Die Tschechen haben vielmehr gelernt, mit Ihrem Weihnachts-Markt preisbewusst umzugehen.

"Ein wichtiger Faktor ist dabei die zunehmende Konkurrenz innerhalb des Einzelhandels, der den Beginn des Weihnachtsverkaufs schon in den Herbst vorverlegt hat und sich mit Sonderangeboten und Preisnachlässen überbietet. Wir können immer stärker feststellen, dass die Weihnachtsgeschenke erst sehr spät gekauft werden, oftmals erst kurz vor dem Heiligen Abend. Viele Leute setzen darauf, dass die Händler kurz vor Weihnachten noch mit Preisnachlässen kommen und sie so noch etwas sparen können."

Nicht ausschließen will Rubasova allerdings, dass das Kalkül der Einzelhändler letztlich doch aufgeht und der eine oder andere sich von den vermeintlich oder wirklich günstigen Angeboten noch zu zusätzlichen Käufen verlocken lässt:

"Wir fragen die Menschen, welchen Betrag sie in diesem Jahr ausgeben wollen. Keinesfalls können wir aus dieser Untersuchung aber vorhersagen, wie hoch die Ausgaben für Weihnachten dann wirklich sein werden. Nicht zuletzt durch die Sonderangebote kann es auch leicht dazu kommen, dass die Leute mehr ausgeben, als ursprünglich beabsichtigt."

Dass die finanzielle Zurückhaltung unterm Weihnachtsbaum nicht der Sparsamkeit entspringt, belegt die Studie unter mehr als 1100 Tschechen in einem anderen Punkt, so Martina Rubasova weiter.

"Im Gegensatz zu den sinkenden Ausgaben für Geschenke steigen die Aufwendungen für Lebensmittel. Das ist also ein wenig widersprüchlich: An Geschenken wollen die Tschechen sparen, aber im Vergleich zum Vorjahr wollen sie für weihnachtliches Essen und Getränke mehr ausgeben."

3700 Kronen, gut 120 Euro will sich der durchschnittliche Tscheche das Weihnachtsessen in diesem Jahr kosten lassen, ein guter Wein oder ein Cognac eingeschlossen. Das sind rund 20 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Für die Marktforscherin Rubasova klare Zeichen eines steigenden Lebensstandards:

"Die Leute haben sich schon weitgehend an teurere und luxuriösere Lebensmittel gewöhnt und können sie sich auch erlauben."

Nicht zuletzt scheinen die Tschechen in diesem Jahr auch mehr Rücksicht darauf zu nehmen, was sie sich denn mit dem Blick auf den Kontostand tatsächlich erlauben können. Immer noch sind die Privathaushalte im Land überdurchschnittlich hoch verschuldet, und in der Fernsehreklame schließen bereits kleine Kinder Verbraucherkredite ab, um Mama zu zeigen, wie einfach das geht. Dennoch: einen Kredit für die Weihnachtsgeschenke aufnehmen, das wollen laut Factum Invenio in diesem Jahr nur knapp drei Prozent der Tschechen.

Wie also wird die Weihnacht 2005 in Tschechien? Die Leute auf der Straße sind sich einig: Genau so schön wie im letzten Jahr!