Österreichische Winzer wollen tschechischen Weinmarkt für sich erschließen

"Zari vino vari" - der September kocht den Wein, besagt ein altes tschechisches Sprichwort und behauptet weiter, die Ernte sei erst an den Fässern zu bewerten. Es bleibt also noch abzuwarten, denn es ist noch nicht so weit, um die diesjährige Weinlese quantifizieren und die Qualität des neuen Weins preisen zu können. Hängt doch vieles noch vom Wetter in den nächsten Wochen ab. Der Wein ist aber trotzdem das Thema des nun folgenden Regionaljournals von und mit Jitka Mladkova:

Der neue Weinjahrgang dürfte hervorragend werden. So oder ähnlich titeln dieser Tage tschechische Zeitungen und geben damit zumindest dem Wunsch aller einheimischen Winzer und Weinliebhaber Ausdruck. Für die letzteren ist das zugleich ein Signal, dass die Vorbereitungen für die Weinlese 2005 auf vollen Touren laufen. "Freut euch!" könnte das Schlagwort dieser Tage lauten, und viele Tschechen freuen sich ganz bestimmt. Weinkeller in Böhmen und Mähren bzw. Weinberge und die mit Wein verbundenen Veranstaltungen wie Weinverkostung und Weinfeste locken jedes Jahr hunderttausende Besucher aus dem Inland an. Zu den wohl bekanntesten gehört das traditionsreiche Weinfest im südmährischen Znojmo/Znaim, bei dem das ganze Stadtzentrum für den gesamten Verkehr gesperrt bleibt, um die Weinliebhaber aus dem ganzen Land ungestört feiern zu lassen. Anders verhält es sich mit dem Interesse der ausländischen Tschechienbesucher. Nur wenigen von ihnen kommen des landeseigenen Weins wegen. Dafür aber verzeichnen immer mehr ausländische Weinproduzenten Erfolge bei der Eroberung des tschechischen Marktes. In letzter Zeit kann z.B. von einer Expansion österreichischer Winzer die Rede sein. Einer von ihnen, Hans Georg Hühnel aus Gumpoldskirchen, stellte in diesem Jahr seine Produkte in Tschechien bereits zweimal vor: Im Frühjahr beim so genannten Weinfestival PraVinum in Prag und vor kurzem auch im westböhmischen Kurort Marienbad. Dort bat ich ihn ans Mikrophon:

"Stichwort Expansion" österreichischer Winzer nach Tschechien. Was sagen Sie dazu?

"Ich denke schon, dass es hier in Tschechien einen guten Markt für Wein gibt. Wenn ich noch einmal auf die Pravinum-Revue zurückblicke, war schon damals für mich erkennbar, dass in Tschechien Interesse am hochqualitativen Wein da ist. Mit dieser Präsentation in Marienbad setzt sich jetzt diese Linie fort und ich denke, dass früher oder später auch in Tschechien das Erkennen für guten Wein noch größer wird und dass auch die Weinkultur als solche hier Zukunft hat."

Wie war es beim ersten Weinfestival im Frühjahr, als sich in Prag rund 150 österreichische Winzer in Prag vorstellten?

"Was mich sehr überrascht hat, war, dass damals ein gut vorbereitetes fachspezifisches Publikum kam. Vor allem Fachkenner aus den Bereichen Hotellerie und Restaurants, die sich über österreichischen Wein informieren und seine Qualität testen wollten. Sie waren auch angenehm überrascht und ein Aha-Erlebnis da hatten. Ich glaube, darauf sollten wir österreichische Winzer aufbauen und dementsprechend versuchen, den tschechischen Markt für uns zu erschließen."

Foto: Jana Sustova
Welche Chancen hat der österreichische Wein auf dem tschechischen Markt?

"Man muss vorsichtig sein. Tschechien ist als neues EU-Mitgliedland mit einer ausgeprägten Biertradition, was die Weinkultur betrifft, noch vorsichtig zu bewerten. Aber ich denke, dass es innerhalb der nächsten zwei Jahre hier ein starker Trend in Richtung hochqualitativen Weins weiter fortsetzen wird und es wird uns natürlich freuen, wenn auch der österreichische Wein einen Anteil auf dem Markt findet. Anhand statistischer Zahlen kann man in den letzten Jahren von einer rapiden Entwicklung der Weinexporte aus Österreich nach Tschechien sprechen. So denke ich, dass diese positive Entwicklung auch in Zukunft zu verzeichnen sein wird."

Glauben Sie, dass die Weinproduktion in Österreich einen Vorsprung im Vergleich zu Tschechien hat?

"Das auf alle Fälle. Man darf nicht vergessen, das Österreich das schärfste Weingesetz der hat. Wir haben auf diesem gebiet unheimlich große Fortschritte erzielt. Es gibt in Österreich fast keinen schlechten Wein. Insbesondere die weine, die in den Export gehen, die haben eine Topqualität. Da ist also schon ein gewisser Vorsprung gegeben. Aber ich bin überzeugt, dass auch die tschechischen Kollegen durch die EU-Förderungen neue Akzente setzen und sich bald auf demselben Niveau bewegen können."

Wie urteilen Sie über tschechische Weine?

"Ich habe einige Weine und muss sagen, dass es durchaus auch gute tschechische Weine gibt. Hierzulande waltet zum Teil noch die alte Tradition. Da haben sicher in der Vergangenheit entsprechende Mittel gefehlt, doch ich kann mir vorstellen, dass in Tschechien aufgeholt wird."

Können Sie sich vorstellen, dass tschechische Winzer gewisse Konkurrenz für ihre österreichischen Kollegen darstellen könnten?

"Ein gesunder Wettbewerb ist meiner Meinung nach nie schlecht."

Sie persönlich wollen auch eine Nische für Ihren eigenen Wein auf dem tschechischen Markt finden. Was erhoffen Sie sich für die Zukunft?

"Was meinen eigenen Wein betrifft, habe ich gewisse Schwerpunkte. Es geht mir vor allem um Gastronomieanteile, sprich gehobene Gastronomie und Hotellerie, und da erhoffe ich mir binnen kürzester Zeit dementsprechend Marktanteile zu erzielen. Ich bin davon überzeugt, dass auch meine Kollegen mit den anderen Produkten in kurzer Zeit hier auf diesem Markt punkten werden."

Nach der Weinpräsentation von Hans Georg Hühnl im Marienbader Hotel Monty wollte ich mich im Publikum umhören und bin dabei auf zwei fachkundige Herren gestoßen. Einer von ihnen: Jan Bena.

"Herrn Hühnl kenne ich von der Präsentation österreichischen Weins in Prag, und ich muss sagen, dass ich von seinem Wein begeistert bin. Ich bin zwar kein Profiwinzer, bin aber Mitglied des Sommelierklubs hier in Marienbad. Wein ist mein Hobby."

Herr Bena ist Weinkenner. Gerne trinkt er nach eigenen Worten französischen Wein, namentlich Burgunder und Bordeaux, doch am liebsten trinkt italienischen Rot- bzw. Roséwein. Dieser passe so gut zum guten Essen, zu warmen Sommerabenden und dem "Dolce far niente", schwärmt er. Doch auch für den tschechischen, sprich mährischen Wein, hat Bena nur lobende Worte. Namentlich der mährische Weißwein könnte seiner Meinung nach weltweit mit den bekannteren Marken konkurrieren.

Die heimische Weinproduktion deckt nur etwa 50 Prozent des Weinkonsums hierzulande ab, der Rest wird importiert. Wie sieht es umgekehrt mit dem Export aus? Könnten sich einheimische Winzer mit ihrer Weinproduktion auch über die Landesgrenzen hinaus durchzusetzen? Das fragte ich Jan Jonak vom Marienbader Klub der Sommeliers:

"Ich persönlich glaube, dass das nur sehr schwer geht. Weltweit gibt es einen Überschuss an Wein. Ich glaube auch nicht, dass im Ausland das Interesse an tschechischem Wein besonders groß ist, vielleicht mit Ausnahme unserer Nachbarländer. Ich halte es aber im Zusammenhang mit dem Umfang der Weinproduktion in Tschechien nicht für wichtig, den Wein zu exportieren. Am wichtigsten ist meiner Meinung nach, dass die Winzer ihren Wein hierzulande verkaufen."

Nach dem EU-Beitritt Tschechiens hat sich das Angebot an Weinsorten und Weinmarken aus den Mitgliedsländern vervielfacht, gleichzeitig aber werden tschechische Geschäfte von Wein aus aller Herren Länder buchstäblich überflutet: Australien, Südafrika, Chile, Argentinien, Moldawien und viele andere Länder sind durch ihre Weinproduktion vertreten. Dazu äußert sich Jan Bena recht kritisch:

"Da darf mir niemand böse sein. Ich will für keinen Wein Reklame machen, aber das, was hierzulande aus der ganzen Welt verkauft wird, das ist das Billigste vom Billigen. Die Handelsketten haben gar keine Ahnung von Qualität."

Vor dem EU-Beitritt hingegen gab es in Tschechien Befürchtungen, dass viele Weinliebhaber auf ausländischen Wein umsatteln und die einheimischen Weinproduzenten deshalb Absatzverluste verzeichnen könnten. Nun zeigt sich aber, dass der Großteil der Tschechen dem tschechischen Wein treu bleibt. Ob sich daran in Zukunft etwas ändern wird? Eine Frage an Jan Jonak:

"Ich fürchte, es wird sich schon ändern. Mit den Preisen und der Qualität unseres ganz gewöhnlichen Tafelweins können wir auf keinen Fall mit Italien, Spanien oder auch der 'Neuen Welt' konkurrieren. Deshalb sollten sich unsere Weinproduzenten lieber nur auf Spitzenwein konzentrieren."

Der sich abzeichnende Trend im Weinkonsum scheint Herrn Jonak Recht zu geben. Nach Erkenntnissen verschiedener Hersteller und Händler kennen sich tschechische Weinkonsumenten immer besser im angebotenen Sortiment aus, und mit dem zunehmenden Weinkonsum hierzulande steigt auch das Interesse an der Weinqualität. Diesem Trend entsprechen mittlerweile auch viele Winzer, indem sie mehr Qualitäts- oder Prädikatswein produzieren und die Tafelweinproduktion gleichzeitig senken.

Der Weinkonsum in Tschechien steigt. Allein in den zurückliegenden sieben Jahren hat er sich von 1,2 auf rund 1,7 Hektoliter jährlich erhöht. Mit 17 Liter Wein pro Kopf und Jahr erreichte der Weinkonsum in Tschechien etwa die Hälfte des EU-Durchschnitts. Die Tendenz ist steigend. Ob die tschechische Biernation mal auch die Weltspitze im Weinkonsum erobern wird, steht aber noch in den Sternen.