Ohne Worte: Deutsch-Tschechisches "Stumm(film)fest" in Prag

Eva Velicka (links)

Schwarz-weiß und ohne Ton: Stummfilme sind nicht jedermanns Sache, aber in Zeiten aufwendig und teuer produzierter Kinofilme gibt es Menschen mit einer Faszination für diese ganz besonderen Überbleibsel fast vergessener Filmgeschichte. Um diese Leidenschaft mit anderen zu teilen, bietet das Prager Stummfest allen Filmliebhabern vom 30. August bis 1. September tschechische und deutsche Stummfilme unter freiem Himmel.

Die Idee dazu entstand vor 2 Jahren: Eva Velicka, Kristin Vogelbein, Vera Zemanova, Ilona Stankova und Thomas Kirschner, der als Redakteur bei Radio Prag arbeitet, sind allesamt Mitglieder beim Kulturverein MitOst und wollten ein ehrenamtliches Projekt auf die Beine stellen, das den deutsch-tschechischen Kulturaustausch fördert. Und so kam es, dass man im letzten Jahr das erste "stummfest" nahe der Prager Burg veranstaltete. Eva Velicka erinnert sich:

"Natürlich hatten wir Angst. Wir wussten überhaupt nicht, ob jemand kommen würde. Wir hatten nicht so viel Geld für die Werbung, und an einem der beiden Tage hat es auch noch geregnet. Aber es ist wunderbar gelungen. Es kamen mehr als 300 Zuschauer und die Atmosphäre war einfach super."

Dank des Erfolges im letzten Jahr findet das Festival nun schon zum zweiten Mal statt und ist gewachsen: An nunmehr drei Mottoabenden werden deutsche und tschechische Filme gezeigt, die zwischen den Jahren 1914 und 1927 in beiden Ländern entstanden sind. Ein Handlungsort der Filme ist - wie soll es auch anders sein: Prag. Inhaltlich unterscheiden sich die Filme.

"Die drei Themen sind Liebe, Prag und Verbrechen. Wir werden lustige und komische Filme sehen, eine alte tschechische Komödie, aber auch einen Detektivfilm, wir werden einen Puppentrickdrama und auch einen Horrorfilm sehen - das Cabinet des Dr. Caligari."

Die Auswahl der Filme war schwerer als gedacht. Das Filmarchiv in Prag bot nämlich nur eine kleine Liste tschechischer Stummfilme. Und da etwas Passendes zum Thema zu finden, das war für die fünf Stummfilmfreunde gar nicht so leicht. Freuen darf man sich an den drei Abenden aber besonders auf die musikalische Begleitung, wie Eva Velicka erklärt:

"Die Musiker sind alle Profis. Die Tschechen spielen in der tschechischen Philharmonie und im Nationaltheater klassische Musik und Jazz. Aus Deutschland haben wir diesmal drei Musiker eingeladen: Jürgen Kurz - das ist ein Stummfilmmusiker, und dann kommen noch zwei junge Musiker. Sie werden die Geräusche auch teilweise elektronisch deformieren. Da sind wir schon ganz neugierig."

Ganz stumm und geräuschlos werden die Figuren also beim Stummfilmfestival nicht über ihre schwarzweiße Leinwand huschen. Musik ist dabei - wo sie stehen und gehen, was auch immer sie tun.

Der Eintritt ist an allen drei Tagen frei. Das heißt aber nicht, dass man mit leeren Taschen kommen sollte. Der eine oder andere Kronenschein sollte nämlich in der Spendensammlung landen. Das Geld fließt eins zu eins in die Kasse des größten tschechischen Kinderhilfswerks "Pomozte detem!" - zu Deutsch - "Helft den Kindern!".

"Das Festival findet im Hof vom ´Klub v Jeleni´ statt. In diesem Haus ist auch die Stiftung angesiedelt, die diese Spendenaktion fördert. Und da ein Mitglied von unserem Team bei dieser Stiftung arbeitet, war diese Idee eigentlich auch die erste, die wir hatten."

Wer schon einmal im Klub v Jeleni war, weiß, dass es kein üblicher Veranstaltungsort mit großer Bühne, vielen Strahlern oder endlosen Stuhlreihen ist. Der Innenraum ist anheimelnd eng und im Hof kann man gemütlich beisammensitzen. Eva Velicka erklärt, warum sich das Team gerade für diesen Klub nahe der Prager Burg entschieden hat:

"Wir haben eigentlich sehr lange nach einem passenden Raum in Prag gesucht. Man braucht einen sicheren Raum für die ganze Technik und es sollte nicht so groß sein, weil wir eine intime Atmosphäre schaffen wollen. Und die Kooperation mit dem Klub v Jeleni war ganz prima."

Es war das Schwarz-Weiß der Filme, das in diesem Jahr das Programm von "stummfest" inspiriert hat: Es geht um die lichten und die dunklen Seiten der menschlichen Seele - um das geheimnisvolle Zwielicht des alten Prags. Lachen und Weinen können beim Publikum dabei manchmal sehr nah beieinander liegen. Eva hat die Stummfilme für sich entdeckt und dafür gibt es einen ganz bestimmten Grund:

"Bei mir ist es ganz klar, ich habe mich total in einen Schauspieler verliebt. Das ist Conrad Veidt. Beim ersten Festival hat er in dem Film "Der Student von Prag" mitgespielt und ich war total fasziniert. Dieses Jahr wollen wir deshalb noch mal einen Film mit ihm zeigen. Bei mir war das Liebe auf den ersten Blick."

Das "stummfest" läuft vom 30. August bis 1. September und beginnt täglich um 18 Uhr. Die Stummfilme werden bei jedem Wetter über die Leinwand flimmern. Ein Regenschirm für den Notfall kann also nicht schaden. Im Klub v Jeleni gibt es außerdem eine Bar und ein Cafe. Bei Bier, Wein oder Sekt und vielleicht sogar einem eingelegten Camembert kann man dann noch über das stumme Erlebnis wortreich diskutieren. Vielleicht sogar mit Eva Velicka selber.

"Ich denke, es ist egal, ob man Film - oder Musikfan ist. Man kann dort einfach immer etwas erleben."

Fotos: www.stummfest.cz

Autor: Corinne Plaga
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