Pavel Tigrid, 1917 - 2003
Wie Sie vielleicht schon in unseren Nachrichten gehört haben: Am Sonntag ist in Paris der bekannte tschechische Publizist und Politiker Pavel Tigrid verstorben, der unter anderem auch eine bedeutende Persönlichkeit in der Gestaltung der tschechisch-deutschen Beziehungen darstellte. Hören Sie mehr von Gerald Schubert:
Am Sonntag ist Pavel Tigrid im Alter von 86 Jahren in der Nähe von Paris gestorben. Tigrid verbrachte den größten Teil seines Lebens im Exil. Zunächst flüchtete er als Jude vor den nationalsozialistischen Besatzern, während des Krieges war er dann für das tschechische Programm des britischen Rundfunksenders BBC tätig. Als er nach dem Krieg während der kurzen abermals demokratischen Ära wieder in die Tschechoslowakei zurückkehrte, gehörte er, dessen Familie dem Holocaust zum Opfer gefallen war, zu den ersten, die die sogenannte wilde Vertreibung der Sudetendeutschen aus der damaligen Tschechoslowakei verurteilten. Das Prinzip der Kollektivschuld, die dieser zugrunde lag, lehnte er grundsätzlich ab. Genau damit machte er sich dann auch zum Staatsfeind, als im Jahre 1948 die Kommunisten an die Macht gelangten. Tigrid musste erneut fliehen. Für kurze Zeit arbeitete er bei Radio Freies Europa, das damals seinen Sitz in München hatte, dann zog er weiter in die USA und später, im Jahr 1960, nach Paris. In diesen Jahren gab er die Zeitschrift "Svedectvi" - zu deutsch etwa "Zeugenschaft" - heraus, die nicht nur für Exilanten, sondern auch für die Dissidenten in der Heimat zu einem publizistischen Brennpunkt wurde.
Nach der samtenen Revolution des Jahres 1989 kehrte Tigrid in die Tschechoslowakei zurück. Zunächst wirkte er als Berater von Präsident Vaclav Havel, im Jahr 1994 trat er in der Regierung von Vaclav Klaus das Amt des Kulturministers an, das er zwei Jahre lang bekleidete. Später kehrte Tigrid noch einmal in die Präsidentschaftskanzlei zurück, wo er sich vor allem den tschechisch-deutschen Beziehungen widmete.
Was Tigrids Beziehung zu seiner Heimat betrifft, die er für so lange Zeit verlassen musste, und der er doch auf seine Art gewissermaßen treu geblieben war, so meint Petr Pithart, der Vorsitzende des tschechischen Senats:"Er war ein Mensch, der uns in bestimmten historischen Situationen sehr kritisch gesehen hat. Aber ich betone: Es war das eine freundliche, verständnisvolle, großzügige Art der Kritik. Das ist glaube ich seine herausragendste Eigenschaft gewesen, und das war auch das, was ich an ihm immer am meisten geschätzt habe."
Was übrigens die tschechisch-deutschen Beziehungen betrifft, so war Tigrids Haltung durchaus von Optimismus geprägt. In der EU werde man nun, vielleicht zum ersten Mal überhaupt, Seite an Seite gemeinsame Werte verteidigen, so Tigrid.