Personalrochade an der Spitze der Zeitung Mlada fronta Dnes: War politischer Druck im Spiel?

Wenn der Chefredakteur einer einflussreichen Tageszeitung völlig unerwartet abberufen wird, dann sorgt das fast immer für Aufsehen und ruft Spekulationen hervor. Diesmal vielleicht umso stärker, als dass mit Pavel Safr ein Journalist die Chefetage der Mlada fronta Dnes verlässt, der aus seiner Kritik an den regierenden Sozialdemokraten keinen Hehl machte.

Dieser Vorgang wäre an sich nicht ungewöhnlich, wenn dem Land in genau vier Monaten nicht Parlamentswahlen ins Haus stehen würden - ein Ereignis also, welches gerade für die Medien traditionell ein ganz großes Thema darstellt. Außerdem konnte sich die Zeitung in den vergangenen Monaten relativ erfolgreich als Enthüllungsmedium profilieren, das maßgeblich an der Aufdeckung einiger großer Affären beteiligt war, die zum Beispiel zum Rücktritt des damaligen Regierungschefs Stanislav Gross führten.

Die Spekulationen, dass die Personalrochade in der Mlada fronta Dnes in Wahrheit auf politischen Druck aus dem Umkreis von Regierungschef Jiri Paroubek zurückzuführen war, wurden noch dadurch verstärkt, dass genau an jenem Tag, als die Neubesetzung des Chefredakteurspostens verkündet wurde, in der Zeitung ein fast schon programmatischer Kommentar Safrs erschienen ist. In dem kritisierte der Chefredakteur die Vorgehensweise von Premier Jiri Paroubek gegenüber den Medien, wie auch dessen immer öfter geäußerte Bereitschaft auf die Unterstützung der Kommunisten zu setzten und warnte die Leser relativ offen davor, Paroubek bei den bevorstehenden Wahlen ihre Stimme zu geben.

Der 38-jährige Pavel Safr leitete die Mlada fronta Dnes fünf Jahre lang und war zuvor Chefredakteur einer anderen Zeitung, der Lidove noviny. Beide Blätter werden seit Ende der 90er Jahre von der Düsseldorfer Rheinisch-Bergischen Druckerei- und Verlagsgesellschaft verlegt. Kritiker werfen Safr vor, er hätte mit den Veränderungen, die er in beiden Titeln initiierte und auch vollzog, einen maßgeblichen, wenn nicht gar entscheidenden Anteil an der so genannten "Boulevardisierung" der tschechischen Presselandschaft. Diese äußert sich insbesondere darin, dass die Zeitungen versuchen, den Trends der gegenwärtigen Massenkultur gerecht zu werden, dadurch aber gleichzeitig das Niveau nach unten drücken.

Sollte sich bestätigen, dass bei der Abberufung Pavel Safrs politischer Druck im Spiel war, würde das bedeuten, dass auch im Jahr 17 nach der Wende politisch motivierter Druck auf die Medien fruchten kann. Heißt das, dass sich die Kultur des gegenseitigen Wahrnehmens von Politikern und Medien in den vergangenen Jahren fast nicht verändert bzw. weiterentwickelt hat? Darüber unterhielten wir uns mit dem Publizisten Petr Holub, dessen Beiträge in der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny erscheinen:

Petr Holub selbst war einige Jahre Chefredakteur der kritischen Wochenzeitschrift Respekt, und zwar gerade in einer Zeit, als der damalige sozialdemokratische Regierungschef Milos Zeman Journalisten verbal verunglimpfte. Auch gegen den Respekt, der immer wieder auf Fälle von Korruption im engsten Umfeld der Regierung hinwies, zog der Regierungschef mehrmals in den Kampf. So wollte Zeman zum Beispiel erreichen, dass die Zeitschrift mit Schadenersatzklagen zugedeckt und somit in den wirtschaftlichen Ruin getrieben wird. Verlaufen die heutigen Versuche, die Medien politisch zu beeinflussen, immer noch so direkt?

"Der Angriff gegen Respekt, als ich noch Chefredakteur war, war sehr brutal, und es stimmt, dass wir das nur durchgestanden haben, weil die Position von Respekt nicht nur ausländische Medien, sondern auch Diplomaten unterstützten. Die Politiker sind gewiss schlauer geworden und wissen nun, dass man nicht so direkt angreifen darf, sondern das zunächst mit denjenigen besprechen muss, die diese Zeitungen herausgeben. Das wurde auch durch eine andere Entwicklung in den tschechischen Medien begünstigt, nämlich der, dass in den vergangenen Jahren sehr stark die Unabhängigkeit der Redaktionen eingeschränkt wurde. Das bedeutet, dass die Herausgeber meist direkten Einfluss darauf haben, was geschrieben wird. Es kommt dabei nicht so sehr auf den Inhalt an, sondern eher darauf, ob das Geschriebene nicht das Leben der Herausgeber komplizieren könnte, egal, ob es sich um das Verhältnis zu Inserenten oder zu wichtigen Politikern handelt. Es ist ja so, dass vor allem im Bereich der elektronischen Medien die entsprechenden Gesetze von den Politikern erst geschaffen oder formuliert werden, also will man sich mit keinem der zuständigen Politiker anfeinden."

Normalerweise könnte man annehmen, dass die ausländischen Verlagshäuser, die in Tschechien die meisten überregionalen Tageszeitungen herausgeben, immun sein müssten gegenüber Versuchen von Politikern, den Inhalt zu beeinflussen. Bedeutet also der Fall Safr, dass selbst diese ausländischen Unternehmen versuchen, sich den landesspezifischen Gegebenheiten anzupassen? Hören Sie dazu noch einmal den Publizisten Petr Holub:

"Leider ist die Rolle der ausländischen Herausgeber in diesem Zusammenhang keine gute. Sie versuchen nämlich, sich den Regeln des tschechischen Marktes anzupassen. Noch zu meiner Zeit als Chefredakteur von Respekt hatte ich verschiedene Konflikte mit den Inserenten, wobei die ausländischen Auftraggeber oft noch arroganter waren, als ihre tschechischen Kollegen. Ein zweiter Punkt ist der, dass die ausländischen Eigentümer hier leider keine Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit wahrnehmen und sich dieser nicht bewusst sind. Die Medien dienen dann nur zur Gewinnmaximierung. Die Redaktionen sind wiederum zu schwach und die einzelnen Journalisten schaffen es dann nicht diese Rolle zu erfüllen."