Politische Kommentare

Während es seitens Österreichs an die tschechische Adresse wegen Temelin seit längerer Zeit massive Proteste hagelt, stand am Tag der Inbetriebnahme die tschechische Politszene geschlossen hinter dem südböhmischen Kernkraftwerk. Grundsätzliche Zweifel am Sinn eines AKWs äusserte jedoch Staatspräsident Vaclav Havel. Marcela Pozarek fasste die Reaktionen zusammen.

"Was ich mir als meinen grössten Fehler, den ich während meiner Präsidentschaft begannen habe zum Vorwurf mache, ist die Tatsache, dass ich im Jahre 1990 nicht energisch gegen den Bau Temelins vorgegangen bin. Darüber habe natürlich nicht ich, sondern die Regierung zu entscheiden. Ich erinnere mich an den Augenblick, als man 1990 im Kabinett entschied anstelle von vier, nur zwei Reaktorblöcke zu bauen. Wenn ich damals geschrien hätte, dass dort einfach kein Temelin sein wird, dann hätte ich bei meinem damaligen Einfluss, die Sache verhindern können. Aber ich hatte so eine ungute Einstellung dazu, ich dachte mir: Sie wissen, was sie tun.... Jetzt bleibt nur fest zu hoffen, dass dieses Kraftwerk wirklich sicher ist, es zu keiner Havarie kommt. Ich bin fest davon überzeugt, dass das unser letztes AKW ist."

Havel meinte zudem, dass diese Art der Energiegewinnung aus der Mode komme.

Nachdem im ersten Reaktorblock in Anwesenheit von Ministerpräsident Milos Zeman und Industrieminister Miroslav Gregr der etwa 24 Stunden dauernde Aktivierungsprozess gestartet worden war, zeigte sich Premier Zeman hoch erfreut über das Anfahren des Reaktors und bezeichnete an einer Pressekonferenz den Start des Kraftwerks als einen grossen Erfolg seiner Regierung. Er fügte hinzu, dass er auf die österreichischen Proteste namentlich seitens des Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel erst eingehen werde, wenn die Blockaden der tschechisch- österreichischen Grenze ein Ende nehmen. Die politischen Druckmittel des Nachbarlandes lehnte Premier Zeman auf ganzer Linie ab, vor allem auch die Drohung Österreichs bei den EU-Beitrittsverhandlungen das Energiekapitel wegen Temelin nicht abzuschliessen:

"Ich glaube, dass ein solche Verbindung total unangemessen ist. Wenn Temelin die anspruchsvollen Sicherheitskriterien erfüllt, gibt es keinen Grund das Energiepolitik-Kapitel zu blockieren und schon gar nicht Tschechiens EU- Beitritt. Wenn ich mich nicht täusche, hat die internationale Atomenergieagentur ihren Sitz in Wien, die entsprechenden österreichischen Stellen haben es also nicht weit, um sich darüber zu informieren, ob dieses Kraftwerk den Sicherheitskriterien entspricht oder nicht."

Die österreichische Aussenministerin Benita Ferrero-Waldner brachte am Montag durch, dass man an der Verhandlung der EU Aussenminister in Luxemburg, Temelin auf die Tagesordnung setzt. Zu einer Debatte sei es aber nicht gekommen, man habe den österreichischen Standpunkt zur Kenntnis genommen, Ferrero-Waldner habe die Probleme, die nicht unwesentlich seien erläutert, bemerkte der französische Minister für Europafragen Pierre Moscovici. Gegen das Vorgehen der österreichischen Chefdiplomatin wandte sich aber der tschechische Parlamentspräsident Vaclav Klaus. Er halte die Reaktionen des Nachbarlandes für unangebracht, Klaus fühle sich dadurch persönlich verletzt. Einer längeren Analyse unterzog der tschechische Arbeits -und Sozialminister Vladimir Spidla die österreichischen Antiatomstandpunkte: "In einer freien Gesellschaft wie sie in Euoropa existiert, hat jeder das Recht seine Meinung durchzusetzen. Österreich hat eine sehr dezidierte Meinung zur Kernenergie und speziell zu Temelin. Ich bin überzeugt, dass die radikale Ablehnung von Atomenergie in eines Sackgasse führt. Es wird sich sehr schnell zeigen, dass das für Österreich ein unvorteilhafter Weg ist. Aber das Österreicher die Möglichkeiten und Rechte ausnutzen, die sie haben, stört mich nicht und ich halte das für normal."

Für den Leiter des Atommeilers Temelin Frantisek Hezoucky gehört sein Kraftwerk in die Familie der absoluten Weltspitze.

Temelingegner und Umweltschützer wie beispielweise die Bewegung Regenbogen, Hnuti Duha sind da nicht so optimistisch, man dürfe der Bevölkerung mit der Kernenergie keinen Sand in die Augen streuen, meinte Jan Beranek von Hnuti duha:

"Es ist wichtig das Temelin jetzt beispielsweise erneuerbare Energien nicht vom Markt drängt, darauf muss die Bevölkerung immer wieder hingewiesen werden. Wir möchten die Öffentlichkeit mehr darüber informieren, dass es ökologisch akzeptablere Energiegewinnung gibt als die Atomenergie."

Autor: Marcela Pozarek
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