Portrait: David Koller
David Koller ist einer der populärsten tschechischen Rock-Musiker. Seinen musikalischen Durchbruch schaffte er vor 18 Jahren mit der Band Lucie, von der er sich kürzlich getrennt hat. Seitdem arbeitet er erfolgreich an seinem neuen Projekt Kollerband. Zur Musik kam David Koller schon als Kind. Mit 5 Jahren begann er einige Instrumente zu spielen. Sein musikalisches Talent verdankt er dem Vater, der auf jedem Instrument immer sofort spielen konnte. Über seinen musikalischen Werdegang und seine Zukunftspläne hat sich mit David Koller unser freier Mitarbeiter Jan Linek in einem Prager Café unterhalten.
"Einmal nahm er zu Hause eine alte Laute von der Wand, stimmte sie kurz und begann etwas von ABBA zu spielen. Dabei habe ich ihn noch nie mit einer Gitarre in der Hand gesehen. Er hat Akkorde gespielt, dazu gesungen und fragte mich: Na, kennst Du´s? Er hat irgendwie von Gott eine musikalische Gabe bekommen und etwas davon habe ich geerbt."
Seine ersten Töne spielt der kleine David auf seiner Geige, wenig später folgt das Klavier. Mit 9 Jahren tritt er dem bekannten Prager Kinderchor Bambini di Praga bei. In der Pubertät versucht er sich an der Trompete und der klassischen Gitarre, bis er mit 14 Jahren das Schlagzeug für sich entdeckt, dass ihm fortan am besten gefällt. Zuhause spielt David mit seinem Bruder Trompete und Schlagzeug, sehr zum Ärger der Nachbarn. In der achten Klasse gründet mit einem Mitschüler seine erste Band. Mit einem alten Lampenradio als Verstärker spielen sie den Rockklassiker Smoke on the Water von Deep Purple immer und immer wieder; den ganzen Tag. Dazu sagt David Koller:
"Als wir das dass erste mal auf Kassette hörten, schlugen wir mit dem Kopf auf den Asphalt. Wir konnten es einfach nicht glauben, dass bei uns im Radio ständig Karel Gott und Vondrackova im Kreis gespielt werden und daneben dann so ein Erlebnis!"
Während David Koller am Schlagzeug seine jugendliche Energie austobt, begeistert er sich immer mehr für Ray Charles, Jimi Hendrix, die Beatles, Police, Led Zepplin, aber für auch den Bassisten Jack Bruce von Cream.
"Mit 18 habe ich dann eine Band mitbegründet," sagt David, "die recht erfolgreich war. Das Projekt hieß Jastna Paka und wurde nach zwei Jahren von den Kommunisten untersagt. Die haben die Band vor allem wegen ihren Texten verboten. Wenn die den Inhalt nicht verstanden haben, dann war man, böse gesagt, am Arsch! Also habe ich angefangen professionell zu spielen. Ich tingelte von Band zu Band. Gerade in dem Augenblick, als ich alles hinwerfen wollte, weil man ständig den Kommunisten in den Hintern kriechen musste, traf ich ein paar Jungs und wir gründeten die Band Lucie."
Diese Band wird zu einer der erfolgreichsten Gruppen in Tschechien nach der Wende. Sie gibt acht Platten heraus, spielt auf hunderten Konzerten und tritt oft im Fernsehen auf. Einer ihrer großen Erfolge wird z.B. der Song Chci zas v tobe spat. Auf Deutsch: Ich will wieder in dir schlafen.
Egal bei welcher Band David Koller ist, er singt und spielt dazu, genau wie Phil Collins, am Schlagzeug. David sagt: "Das gibt es bei keinem anderen Instrument. Wenn man eine Phrase immer und immer wieder im Kreis spielt, vergießt man seine Umgebung. Über den Rhythmus kommt man in das Tempo des Songs und Dein ganzer Körper schwingt, egal was Du machst, in diesem Tempo. Du kannst die Phrase eine viertel Stunde spielen, eine halbe vielleicht oder zwei Stunden. Es weckt in dir immer neue Energie, weil der gesamte Ausdruck des Songs in dem einen Rhythmus läuft. Du spielst irgendwann wie eine Maschine und kommst in eine Art Trance-Zustand."
Seinen Fan gegenüber fühlte er sich verpflichtet, ihnen gute Energie, gute Melodien und gute Texte zu geben. Ihnen nahe, auf der Bühne fühlt er sich am wohlsten. Nach einem Konzert unterhält er sich mit einigen Konzertbesuchern. Sie erzählen ihm, wie sie die Musik erlebt haben und er bekommt dabei glänzende Augen. Bei seinen Konzerten kommt es auch durchaus vor, dass einige Fans auf die Bühne springen, tanzen und mitsingen.
Auch nach der Gründung der Band Lucie bekam David Koller wieder Probleme mit den Kommunisten, die von seiner Musik, den möglichen zweideutigen Texten und politischen Inhalten wenig angetan waren. Erst nach der Wende konnte die Band ihre Songs frei spielen und vertreiben. Das war der Anfang einer Kariere, von der die meisten tschechischen Musiker nur träumen können.
"Das Jahr 1989, kurz vor der Revolution," erzählt uns David Koller, "gehört eigentlich schon uns. In dem Jahr gaben wir bereits 60 Konzerte. Zudem haben wir an einer Platte gearbeitet, die uns die Kommunisten nicht veröffentlichen wollten. Diese kommunistischen Fieslinge haben uns ständig gesagt, nein, noch nicht. Lernt erst einmal richtig Tschechisch. Glücklicherweise kam dann die Revolution und wir waren eine bereits eingespielte Gruppe, die auch genug politische Texte hatte. Die politischen Texte waren immer lustig. Du kannst z.B. auf eine humorvolle Art jemanden dorthin schicken, wo Du anständige Leute nicht hinschickst."
Gleich nach der Revolution konnte sie ihre Platte dann doch veröffentlichen. 160 000 Stück wurden verkauft. Es folgten im gleichen Jahr 180 Konzerte und 40 Fernsehauftritte. So kam David Koller mit der Band Lucie von heute auf morgen nach ganz oben. Aber bereits bei der Arbeit an einer neuen Scheibe, gab es erste Probleme zwischen den Bandmitgliedern. Kein Wunder. Die Musiker haben während zwei Jahren fast ihre gesamte Zeit gemeinsam im Studio verbracht.
Trotzdem erinnert er sich gerne an die zweite Platte, die er mit Lucie herausgab. Dazu hat sich die Band ein Theater für zwei Monate geliehen, eine Konzert-Verstärkeranlage hereingestellt und auf sich gerichtet. So kam bei der Vorbereitung der Platte ein richtiges Konzertgefühl auf. Auch spricht David Koller gerne über den Soundtrack zu dem Film Amerika. Der gleichnamige Song wurde im Rudolphinum, einer großen Prager Konzerthalle, zusammen mit einem Symphonieorchester aufgenommen. Dieser Titel wurde einer ihrer größten Erfolge.
"Bei ihrer Platte Slunecnice" (auf Deutsch Sonnenblume), verrät uns David, "waren alle Bandmitglieder frisch verliebt. Plötzlich liefen alle mit diesem typischen leicht angetrottelten Gesicht eins Verliebten herum oder verzogen sich zum Telefonieren. Ich denke das hört man der Platte an."
Aber bereits bei der nächsten Platte war klar, dass die Bandmitglieder nicht mehr zusammenpassten und das eine Trennung ins Haus stehen würde. Er suchte nach Wegen um musikalisch etwas neues zu machen und gründete die Kollerband. Die Idee dazu kam bei einem Besuch seiner Schallplattenfirma in Amerika. Dort gab man ihm den Tipp, eine Platte mit dem Produzenten David Bianco aufzunehmen, der bereits den Grammy für das Album Whiteflowers von Tom Petty bekommen hat. Einem Monat arbeiteten die beiden an Kollers aktueller Platte. David wollte eine Scheibe, die sich weniger für´s Radio eignet, als vielmehr gut auf der Bühne gespielt werden kann. Insgesamt ist die Platte rockiger ausgefallen. Gerade so rockig, wie er es aus seiner Sicht noch vertreten kann.
Der neue Sound von David Koller klingt, man könnte sagen, "erwachsener". Der Einfluss des Produzenten David Bianco ist herauszuhören. Die Songs haben eine europäische Klasse erhalten. War die Musik der Band Lucie eher rein für den tschechischen Markt geeignet, so klingt seine Platte jetzt internationaler. Sie könnte genauso aus den Staaten, England oder Deutschland kommen. Vielleicht bereitet er mit diesem Projekt einen Sprung über die Grenzen des Landes heraus vor. Wer weiß? Bleibt ihm die Daumen zu drücken und noch eins zu sagen:
"Ich grüße alle deutschen Zuhörer. Ciao!"