Präsident Zeman tritt sein Begnadigungsrecht bis auf Ausnahmen ab
Die Begnadigung ist ein Überbleibsel mittelalterlichen Rechtsverständnisses, im Sinne dass Autoritäten dabei geltende Regeln außer Kraft setzen. Dabei lassen sie „Gnade vor Recht“ walten. Diese Befugnis haben heutzutage meist nur noch die Staatsoberhäupter. So war es auch in den vergangenen 95 Jahren in der Tschechoslowakei und später in Tschechien. Der amtierende Staatspräsident Miloš Zeman will jedoch von diesem Recht kaum noch Gebrauch machen.
„Ich für meinen Teil werde dieses Recht freiwillig abtreten“, sagte Zeman zu der ihm gesetzlich zustehenden Möglichkeit, rechtskräftig verhängte Strafen zu erlassen, umzuwandeln, zu ermäßigen oder auszusetzen.
Jetzt, gut acht Monate später, ließ er diesen Worten auch Taten folgen. Am vergangenen Freitag hat er sein Recht aufgegeben, Begnadigungen auszusprechen. Dieses Recht ging an das Justizministerium über. Lediglich aus humanitären Gründen wolle er noch selbst entscheiden, zum Beispiel in Fällen von Strafverurteilten, die eine schwere oder unheilbare Krankheit haben, erklärte Zeman. Interims-Justizministerin Marie Benešová bestätigte gegenüber dem Nachrichtenserver Novinky.cz, dass ihr Ressort bereits über 500 Gnadengesuche von der Präsidentenkanzlei erhalten habe. Nach Aussage von Benešová kehre man damit nur zu der gängigen Praxis zurück, die sich in der Vergangenheit bewährt habe. Der Jurist Jiří Hřebejk verweist darauf, dass ein Präsident noch nie allein die bei ihm eingegangenen Gnadengesuche bearbeitet habe. Daher werde sich auch in Zukunft nichts Wesentliches ändern, so Hřebejk:
„Es besteht kaum ein Unterschied, ob die Gesuche nun von den Mitarbeitern der Präsidialkanzlei oder den Beamten des Justizministeriums bearbeitet werden. Aber richtig ist, dass der Präsident immer dann, wenn er letztlich die Entscheidung trifft, auch die Verantwortung trägt.“
Politiker aller Parteien haben deshalb auch schon an Zeman appelliert, diese Verantwortung nicht so einfach abzugeben. Und sie verweisen darauf, dass der Präsident seine Befugnis ohne eine Änderung im Grundgesetz nicht auf andere übertragen könne. Sozialdemokrat Jiří Dienstbier:„Die finale Entscheidung bleibt ohnehin ihm vorbehalten, ob jemand begnadigt werden soll.“
Gegenüber dem Tschechischen Fernsehen (ČT) sagte Jurist Hřebejk, dass das geltende Strafgesetzbuch es dem Präsident erlaube, sein Entscheidungsmonopol in dieser Sache abzugeben. Der Bürgerdemokrat und ehemalige Justizminister Jiří Pospíšil ist gegenteiliger Meinung:
„Sollten der Justizminister oder Beamte seines Ressorts über bestimmte Formen der Begnadigung direkt entscheiden dürfen, könnte dieses Vorgehen meiner Meinung nach im Widerspruch zum Grundgesetz stehen.“
Präsident Zeman hatte von Anfang an nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die Gnadenbefugnis für „ein überflüssiges Relikt aus der Kaiserzeit“ halte. Medienvertreter aber meinen, er wolle damit auch der Kritik entgehen, die seine beiden Vorgänger im Amt, Václav Havel und Václav Klaus, für ihre Gnadenentscheidungen häufig bezogen haben. Havel begnadigte als tschechoslowakischer und später als tschechischer Staatspräsident zwischen 1990 und 2003 insgesamt rund 1900 Menschen. Er stand jedoch zu jeder seiner Entscheidungen und sagte noch als Alterspräsident:
„Mit dem zeitlichen Abstand, den ich jetzt zu meinen Präsidentschaften habe, würde ich die öffentliche Meinung wohl weit weniger fürchten. Folglich würde ich noch mehr Menschen begnadigen.“Vor diesem Hintergrund ist man Tschechien nun noch etwas gespannter auf den Jahreswechsel und die erste Neujahrsansprache von Präsident Zeman. Zu diesem Anlass haben seine Vorgänger relativ oft von ihrer Gnadenbefugnis Gebrauch gemacht.