Tschechiens Staatspräsident Petr Pavel erteilt seine ersten Begnadigungen
Tschechiens Staatspräsident Petr Pavel hat vier Begnadigungen ausgesprochen. Er hat somit zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt im März vergangenen Jahres von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch gemacht.
Das Begnadigungsrecht gehört zu den Kompetenzen des Staatspräsidenten in Tschechien. In der Vergangenheit wurden Begnadigungsanträge in der ersten Phase vom Justizministerium geprüft, und nur ein Teil davon an das Staatsoberhaupt weitergeleitet. Am Anfang dieses Jahres übernahm die Präsidialkanzlei ausschließlich die Agenda. Seitdem sind mehr als 700 Anträge dort eingegangen. Präsident Petr Pavel hat nun vier davon stattgegeben.
Bei den Begnadigten handelt es sich um zwei Mütter mit minderjährigen Kindern, einen Ausländer, der hierzulande lebt und arbeitet, und einen tschechischen Staatsbürger, der im Ausland wegen Drogenschmuggels zu 27 Jahren Haft verurteilt wurde.
Der Letztgenannte ist der 76-jährige Vladimír Švec aus Sušice / Schüttenhofen. Petr Pavel sei davon überzeugt, dass das Urteil für ihn eine lebenslange Haft bedeute, sagte der Sprecher des Präsidenten, Vojtěch Šeliga, gegenüber dem Tschechischen Rundfunk:
„Der Staatspräsident hat bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass die Strafe für dasselbe Delikt in Tschechien zwischen acht und zwölf Jahren beträgt. Der Antragsteller hat bereits sechs Jahre im Ausland verbüßt und wurde vor weniger als zwei Jahren nach Tschechien zurückverlegt, wo er die restliche Strafe absitzen sollte. Durch die Begnadigung wird die Gesamtstrafe auf acht Jahre herabgesetzt.“
Švec soll im November aus dem Gefängnis kommen. Nach seiner Freilassung hat nicht seine Familie, sondern der Rechtsverein „Šalamoun“ gestrebt. Dessen stellvertretender Leiter, Václav Peričevič, begrüßte die Entscheidung des Präsidenten:
„Es macht nichts, dass er erst im November entlassen wird. Wir haben bis dahin genug Zeit, uns darauf vorzubereiten und eine Unterkunft zu finden, damit der Mann nach der Verbüßung der Strafe nach acht Jahren nicht auf der Straße landet. Wir sind mit der Entscheidung zufrieden.“
Švec wurde 2016 am Flughafen in Hongkong mit drei Kilogramm Kokain festgenommen. Er bestritt seine Schuld und sagte damals, er habe nichts von den Drogen in dem Koffer gewusst. Peričevič erläuterte gegenüber dem Tschechischen Fernsehen:
„Herr Švec war ein naiver Senior, der zum ersten Mal in seinem Leben seine Heimatstadt verlassen hat. Er ist auf eine raffinierte, international organisierte Gruppe von Betrügern hereingefallen. Dies kann eine Warnung für alle Senioren sein.“
Nach Angaben von Radiožurnál, einem Inlandssender des Tschechischen Rundfunks, reiste Švec zunächst über Afrika nach Brasilien, um eine angebliche Erbschaft für eine Frau einzufordern, mit der er per E-Mail in Kontakt stand. Der Koffer, in dem die Polizei in Hongkong Drogen fand, soll ihm in Brasilien als Geschenk übergeben worden sein.
Zwei der anderen Begnadigungen betreffen Mütter, die wegen leichteren Eigentumsdelikten verurteilt worden sind. Beide haben bereits einen Teil ihrer Strafe verbüßt. Der Präsident berücksichtigte die Tatsache, dass sie sich um ihre minderjährigen Kinder kümmern müssen. Eine der Täterinnen habe drei, die andere sieben Kinder.
Pavel gab auch dem Antrag eines 36-jährigen Ausländers statt, der schon seit langem in Tschechien lebt und arbeitet. Er wurde wegen Trunkenheit am Steuer verurteilt. Zuvor war er gegen zwei geparkte Autos geprallt und hatte einen Schaden von umgerechnet rund 4400 Euro verursacht. Diese Summe hat er bereits beglichen. Der Präsident begnadigte ihn, weil ihm nun eine Ausweisung drohte. Der Kommentator des Tschechischen Rundfunks, Petr Hartman, denkt, dass die Begnadigung genau für solche Fälle gedacht sei:
„Sie hilft in Lebenssituationen, in die manche Verurteilte geraten, die die Gesetze und die Justiz aber nicht in Betracht ziehen können. Eben solche Fälle gehören in die Kategorie der Begnadigung, obwohl sich immer auch Kritiker an der Entscheidung des Staatspräsidenten finden.“
Mit einer Begnadigung kann das Staatsoberhaupt ein Strafverfahren einstellen, eine Strafe umwandeln oder erlassen oder eine Verurteilung aufheben. Von den Präsidenten nach der Wende von 1989 hat Václav Havel die höchste Zahl von Straftätern begnadigt, und zwar 1848. Václav Klaus begnadigte 412 Personen. Miloš Zeman erteilte insgesamt 26 Begnadigungen.