Prag in den Top 10 der europäischen Businesscenter - Testlauf des Mautsystems startet im Dezember
Wirtschaftswachstum, Weihnachtsbäume und Lkw-Maut - wie geht das zusammen? Ganz einfach: Im heutigen Wirtschaftsmagazin können Sie einiges dazu nachlesen.
Ups and downs in der tschechischen Wirtschaft
Anfang November hat die Europäische Kommission in Brüssel die Wachstumsprognose für alle 25 EU-Mitgliedsländer bekannt gegeben. Dieser Prognose zufolge wird sich das Wirtschaftswachstum in Tschechien, das in diesem Jahr bei ca. sechs Prozent liegt, im kommenden Jahr auf 5,1 Prozent verringern. Mit dieser Einschätzung stimmt auch die Tschechische Nationalbank überein. Pavel Sobisek, der Chefökonom der HVB Bank in Prag, hält jedoch eine etwas pessimistischere Prognose dagegen:
"Ich erwarte im kommenden Jahr ein langsameres Wachstum der tschechischen Wirtschaft, und zwar von rund 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dafür gibt es sowohl externe als auch interne Gründe. Zu ersterem gehört das geringere Wachstum innerhalb der Europäischen Union. Zum anderen wird der Anlauf für neue Produktionskapazitäten gegenüber vorangegangenen Jahren langsamer vonstatten gehen. Und schließlich bleibt die Frage offen, ob nicht auch die Aktivität im Investitionsbereich zurückgehen wird, denn es scheint, dass sie in diesem Jahr auf ihrem Höhepunkt angelangt ist."
Der Analyst der Tschechoslowakischen Handelsbank (CSOB), Petr Dufek, geht sogar noch einen Schritt weiter. Er kritisiert, dass man es in der Periode des wirtschaftlichen Booms in Tschechien versäumt habe, die Konjunktur für die überfälligen Reformen der öffentlichen Finanzen sowie des Renten- und Gesundheitssystems zu nutzen:
"Tschechien hat seine öffentlichen Finanzen in der Zeit des größten Wachstums nicht reformiert - umso schwieriger wird eine Reform bei einem geringeren Wirtschaftswachstum und den sich dann auch langsamer vollziehenden Steuereinnahmen."Die EU-Kommission schätzte ferner ein, dass das tschechische Defizit im Bereich der öffentlichen Finanzen - die so genannten Maastricht-Kriterien - in diesem Jahr 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen wird. Da man in Brüssel nicht erwartet, dass Tschechien sein Defizit bis zum Ende des Jahres 2008 auf unter drei Prozent drücken kann, wird auch von internationaler Seite bestätigt, was man hier bereits zur Kenntnis nahm: Vor dem Jahr 2010 ist die Einführung des Euro in Tschechien so gut wie ausgeschlossen.
Erfreulicher ist da schon das Ergebnis, das eine an der britischen Sheffield Universität vorgenommene Expertenstudie hervorgebracht hat: Prag und Bratislava gehören zu den Top 10 der konkurrenzfähigsten Regionen in Europa! Unter den zehn neuen EU-Mitgliedsländern belegen die tschechische und die slowakische Hauptstadt sogar die beiden Spitzenplätze. In der Landes-Rangliste führt Finnland die Wertung an, unter den Regionen ist das Einzugsgebiet von Brüssel die Nummer eins in Europa. Was aber hat Prag zu seiner guten Bewertung verholfen? Eine Antwort darauf weiß der Ökonom der Gesellschaft Cyrrus, Jan Prochazka:
"Bei der Expertenstudie wurden Prag sicher die meisten Pluspunkte beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung gutgeschrieben. Das Gleiche gilt für die geringe Arbeitslosigkeit in der tschechischen Hauptstadt. Und ich denke, auch die gute Verkehrsanbindung Prags wurde positiv bewertet. Auf der anderen Seite kann man aus diesem Ranking auch herauslesen, wie stark Prag im eigenen Land herausragt, während die anderen Regionen Tschechiens eher am unteren Ende der Rangliste stehen. Demgegenüber werden sich die Firmen immer mehr auch der hohen Kosten in Prag bewusst und verlegen einige ihrer Produktionsstätten in kleinere Städte."
Wenn es um die Wirtschaftlichkeit ihrer Haushalte geht, dann sind die Tschechen allerdings nicht unbedingt die Vorreiter neuer Entwicklungen und Tendenzen. Bei der Messe für Heizungstechnik, die jüngst in Prag stattfand, wurde von den Ausstellern zwar einerseits ein reges Interesse für alternative Brennstoffe registriert, andererseits aber noch kaum ein Bedarf an einer entsprechenden Umrüstung der Heizkörper. Zum Beispiel für die umweltfreundlichen Kessel, in denen die aus Holzspänen produzierten Pellets verfeuert werden. Der Direktor der Firma Viadrus, Roman Boczek, hat sich darüber so seine Gedanken gemacht:"Das hängt auch mit den höheren Preisen dieser Heizkessel sowie mit der konservativen Einstellung der Tschechen gegenüber neuen Formen der Beheizung zusammen. Die tschechischen Verbraucher wollen nicht vorangehen und die Ersten sein, sondern sie warten erst ab und prüfen, wie eine solch alternative Heizungsmethode beim Nachbarn funktioniert. Von diesem holen sie sich dann die entsprechenden Erfahrungswerte ein."
In der jetzigen Vorweihnachtszeit machen sich die Tschechen natürlich auch Gedanken darüber, wie sie einen schönen Weihnachtsbaum erlangen können. Leider sind immer wieder einige unter ihnen, die ihn möglichst zum Nulltarif, sprich: direkt aus dem Wald beziehen wollen. Aber das nicht etwa bei öffentlichen Aktionen, bei denen man sein Bäumchen unter Anleitung selbst fällen kann, sondern auf illegale Weise. Um Diebstähle von Fichten, Kiefern oder Tannen zu verhindern, greifen die Forstarbeiter inzwischen auf ganz spezielle Methoden zurück. Jan Zasadil von der Forstverwaltung im südböhmischen Hluboka nad Vltavou / Frauenberg erläutert, welche das sind:"Wir bemühen uns die Bäume vor möglichen Dieben zu schützen, indem wir sie mit einem Präparat versehen, das sehr unangenehm riecht, wenn man den Baum in einem geschlossenen Raum aufstellt. Oder wir verunstalten die Bäume etwas, indem wir einige Zweige aussägen, so dass der mögliche Dieb das Interesse an ihnen verliert."
Hinter die Fassade geschaut
Auf dem noch unvollendeten Prager Autobahnring wurde in der Nacht zu Dienstag die letzte der insgesamt 167 Mautstellen für das neue elektronische Mautsystem in Tschechien installiert. Die österreichische Firma Kapsch, die mit dem Aufbau des Systems beauftragt wurde, hat somit nur noch rund einen Monat Zeit, um die Funktionalität ihrer Mikrowellentechnik vor Ort zu prüfen. Wegen mehrerer durch gerichtliche Einsprüche von Konkurrenzunternehmen hervorgerufener Verzögerungen war wiederholt bezweifelt worden, dass die Auftragnehmer die Anlage auf den insgesamt 970 Autobahn- und Schnellstraßenkilometern in Tschechien zum Laufen bringen werden. Aber Karel Feix, der Direktor der Kapsch-Niederlassung in Prag hat am Montag noch einmal versichert:"Am 1. Dezember beginnt der Probelauf des gesamten Systems. In der ersten Etappe wird rund die Hälfte aller Mautstellen in das Systems eingegeben, um den Prozess der Mautgebühr-Erhebung vor seiner späteren Inbetriebnahme zu simulieren. In einer weiteren Phase wird in terminlicher Absprache mit dem Verkehrsministerium die funktionelle Überprüfung des Systems sichergestellt. Wir tun also alles, dass das Mautsystems am 1. Januar 2007 seiner kommerziellen Nutzung zugeführt werden kann."
Mit dem tschechischen Verkehrsministerium hat Kapsch zudem die Verhandlungen über einen Zusatzvertrag aufgenommen, bei dem ersten Informationen zufolge vor allem die Verantwortlichkeiten bei einem technischen Ausfall des Systems geregelt werden sollen. Mit der Inbetriebnahme des Systems müssen mit Beginn des neuen Jahres auch in Tschechien alle Lastkraftwagen über 12 Tonnen eine Mautgebühr für die Autobahn- und Schnellstraßenbenutzung entrichten. Sie soll rund vier Kronen je Kilometer betragen. Für etwas Unruhe hat jedoch die Tatsache gesorgt, dass auch Autobusse von dieser Gebühr nicht ausgenommen werden sollen. Ihre Gebühr wird allerdings niedriger sein. Warum man sie für Busse überhaupt erheben will, dazu sagte Ex-Verkehrsminister Milan Simonovsky im Tschechischen Rundfunk:"Zwischen dem völligen Erlassen der Mautgebühr für Busse und einem für sie um ein bis anderthalb Kronen niedrigeren Tarif liegt der von mir eingebrachte Gedanke zugrunde, dass die Autobusse nicht gegenüber der Bahn begünstigt werden sollen."
Nun denn, ob mit oder ohne Maut: Auch im kommenden Jahr 2007 wird der Verkehr auf Tschechiens Schnellstraßen mit Sicherheit kaum nachlassen.