Prager Nationalgalerie zeigt Meisterwerke aus der Wiener Albertina

Andy Warhol: Elektrischer Stuhl

Zehntausende Besucher aus Tschechien zählt die Wiener Albertina jedes Jahr. Besonders an den Wochenenden vor Weihnachten und an tschechischen Feiertagen ist Tschechisch eine der meistgehörten Sprachen in dem traditionsreichen Museum neben der Wiener Staatsoper. Zurzeit müssen Kunstinteressierte aus Tschechien aber nicht einmal nach Wien fahren, um Meisterwerke aus der Albertina und der von ihr verwalteten Sammlung Batliner zu sehen. Bis Anfang Januar zeigt die Prager Nationalgalerie rund 80 Werke von Monet bis Warhol.

Andy Warhol: Elektrischer Stuhl
Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Mario Merz, Anselm Kiefer, Richard Serra, Georg Baselitz und Claude Monet. Das ist nur ein Auszug aus der langen Liste jener Stars der modernen Kunst, deren Werke bis Januar des kommenden Jahres im Prager Messepalast zu sehen sind. Die Ausstellung unter dem Titel „Monet – Warhol. Meisterwerke aus dem Albertina-Museum und der Sammlung Batliner“ kann man getrost unter dem Schlagwort „Alles, was gut und teuer ist“ zusammenfassen:



Milan Knížák
„Die Nationalgalerie möchte sicher nicht nur die teuren Sachen zeigen, nicht nur die Popstars der Kunst. Aber manchmal ist das auch gut. Die Nationalgalerie möchte alle verschiedenen Ebenen der Kunst zeigen, weil die Kunst ein großer Teil unserer Geschichte ist. Vielleicht sogar besser als die richtige, die geschriebene Geschichte, weil die Kunst ein anderes Gedächtnis hat. Und deshalb möchten wir den Leuten dieses Gedächtnis in möglichst großer Vielfalt bieten“, so der Generaldirektor der Prager Nationalgalerie, Milan Knížák, der betont, dank der jahrelangen Kooperation mit der Wiener Albertina habe man die Meisterwerke kostenlos ausleihen können. Die Zusammenarbeit mit der Prager Nationalgalerie sei seit Jahren außergewöhnlich intensiv, sagt auch Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder:

Klaus Albrecht Schröder
„Für so eine Kooperation gibt es immer mehrere Gründe. Zum einen sind das ganz persönliche Gründe: Es verbindet mich mit Milan Knížák eine persönliche Freundschaft, eine tiefe Vertrauensbasis. Es gibt aber auch Gründe, die in den Institutionen liegen: Die Národní galerie und die Albertina arbeiten seit Jahren eng zusammen und tauschen sich aus. Und drittens gibt es Gründe, die in der Schwesternstadt-Position zwischen Wien und Prag, zwischen Österreich und Tschechien liegen. Alle drei sind gute Gründe, dass die Albertina hier zu Gast sein darf.“

Klaus Albrecht Schröder sieht die Ausstellung in der Prager Nationalgalerie als eine Art Botschafterin für die Erneuerung der historischen Beziehungen zwischen Wien und Prag, die jahrzehntelang unterbrochen waren:

Claude Monet: Wasserlilien
„Noch sind wir schon in einer Zeit, wir alle, in der wir uns immer noch wundern dürfen. Darüber, dass heute Wien ganz selbstverständlich ausstellt. Und da kommt noch eine neue Facette hinzu: Auch die Beziehungen zwischen Liechtenstein und Tschechien sind neue, die ganz rezent erst entstanden sind. Der Sammler, der uns seine Sammlung gestiftet hat, Herbert Batliner und seine Frau Rita, sind Liechtensteinische Anwälte. Und so bitte ich Sie, diese Ausstellung auch ein bisschen als Reverenz an ein neues, offenes Europa zu sehen. An eines, bei dem in der Mitte wieder alles zusammenwächst, was lange Zeit zusammen war.“

René Magritte: Golconda
Zu diesem neuen, offenen Europa gehört auch, dass jedes Jahr zehntausende Tschechen nach Wien fahren, um dort einzukaufen und die großen Museen zu besuchen. Gerade die Albertina wirbt intensiv um Besucher aus den Nachbarländern und kooperiert dazu unter anderem seit einiger Zeit mit den Tschechischen Bahnen (ČD), deren Fahrgäste ermäßigten Eintritt in die Albertina haben.

„Die Albertina zeigt etwas in der Nationalgalerie und gibt der Nationalgalerie etwas. Keine Frage, eine große Ausstellung mit so vielen Hauptwerken, das ist ein Geben. Aber wir erhalten dafür unendlich viel zurück. Ein wichtiger Teil unserer Besucher kommt aus Tschechien. Wir möchten daher so eine Ausstellung sehr selbstsüchtig oder im Eigennutz sehen, als eine Art Botschafter für uns, als Werbung. Also bin ich unglaublich dankbar, dass die Narodní galerie bereit war, unsere Sammlung zu übernehmen.“

Francis Bacon: Sitzende Figur
Nationalgalerie-Direktor Knížák betont, auch sein Haus habe schon namhafte Werke an die Albertina ausgeliehen. Die nun rund drei Monate im Prager Messepalast gezeigten Meisterwerke aus Wien sehe er als eine adäquate Gegenleistung, wie sie unter Freunden und befreundeten Museen eben üblich sei. Dem stimmt Albertina-Direktor Schröder zu:

„Die Kooperation zwischen der Albertina und der Nationalgalerie in Prag hat ursprünglich begonnen mit der sehr großzügigen Unterstützung von wichtigen Ausstellungen in unserem Haus durch die Nationalgalerie. Sie wissen vielleicht, dass wir vor drei Jahren in nicht einmal zwölf Wochen 600.000 Besucher bei unserer großen Van-Gogh-Ausstellung hatten. Und die Nationalgalerie hat uns damals ein Hauptwerk aus ihrer Sammlung Van Gogh geliehen. Sie hat uns jetzt zu dieser großen Picasso-Ausstellung, die gerade läuft - der politische Picasso – den „Raub der Sabinerinnen“ geliehen. Das ist ein Austausch, der auf Kollegialität, auf jahrelanger Zusammenarbeit basiert.“

René Magritte: The Enchanted Spot
Bei der Zusammenstellung der Werke aus den Beständen der Albertina habe man den Kollegen in der Prager Nationalgalerie freie Hand gelassen, so Klaus Albrecht Schröder. Es sei die Entscheidung von Milan Knížák und seiner Kuratoren gewesen, die jüngsten Sammlungsbestände nach Prag zu holen. Dazu sagte Nationalgalerie-Chef Knížák im Gespräch mit Radio Prag:

„Das ist eine ganz besondere Ausstellung, weil Batliner die Hauptwerke vom Ende des 19. Jahrhunderts und vor allem aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gesammelt hat. Diese Hauptwerke, diese ganz wichtigen Sachen haben wir mit nicht so bekannten Werken vermischt. Das ist immer gut so, denn die Leute haben dann keine Angst, in die Ausstellung zu kommen. Die Hauptwerke sind bekannt, die kennen die Besucher. Aber sie können gleichzeitig auch neue Sachen entdecken, und das ist immer gut und immer wichtig.“

Henri Matisse: Das gestreifte Kleid  (Foto: ČTK)
Die Sammlung Batliner zählt zu einer der bedeutendsten europäischen Sammlungen der Klassischen Moderne. In eine Stiftung eingebracht, wird sie seit Anfang 2007 von der Wiener Albertina verwaltet. In Prag präsentiere man die Werke nun erstmals in größerem Umfang außerhalb des Stammhauses in Wien, sagt Albertina-Chef Schröder:

„Doktor Batliner ist heute 82 Jahre alt. Er hat in den frühen Fünfzigerjahren als Anwalt begonnen zu sammeln, zuerst Giacometti, dann Toulouse-Lautrec und einige damals zeitgenössische Künstler, die heute längst tot sind. Und er hat eigentlich nicht die Absicht gehabt, eine Sammlung zusammenzutragen, sondern er hat Werke erworben für sich und nach einigen Jahren und Jahrzehnten festgestellt, dass es eine ganz starke Klammer zwischen all diesen Werken gibt. Diese Klammer ist die Vitalität der Farbe.“

Alex Katz: Trio  (Foto: ČTK)
Von den Impressionisten über die Wilden, die Fauves, in Frankreich, die deutschen Expressionisten wie Kirchner oder Schmidt-Rottluff, Kokoschka und andere bis in die Vierzigerjahre spielten die Farbe und das Gegenständliche eine große Rolle. Dieses Phänomen der Kunstgeschichte werde anhand der Sammlung Batliner besonders deutlich, so Klaus Albrecht Schröder. Konzeptkunst oder Minimal Art seien hingegen in der Sammlung Batliner nicht vertreten. Einen zweiten Schwerpunkt in der rund 500 Kunstwerke umfassenden Sammlung bildet laut Schröder die russische Avantgarde von Malewitsch über Suetin bis Goncharova.

Max Ernst: Blumen auf gelbem Grund  (Foto: ČTK)
„Und in den letzten 15 Jahren hat sich Batliner der zeitgenössischen Kunst mit einigen wenigen Schwerpunkten gewidmet: Anselm Kiefer, Georg Baselitz, Alex Katz, Arnulf Rainer. Auch daraus haben die Prager Kuratoren ja einiges ausgewählt“, so Albertina-Chef Schröder, der sich mit der Auswahl und der Präsentation der Meisterwerke von Monet bis Warhol in der Prager Nationalgalerie zufrieden zeigt:

„Ich kenne jedes einzelne dieser Gemälde sehr, sehr gut. Ich kenne jede einzelne dieser Grafiken sehr, sehr gut. Was aber für mich so spannend ist, das ist, wenn man ein vertrautes Bild auf einmal durch einen Dritten interpretiert sieht. Und jede Hängung eines Bildes, jede Präsentation eines Werkes ist eine Interpretation. Es verändert sich ein Lucio Fontana, wenn er neben einem Karel Appel hängt oder wenn er gegenüber von Hans Hofmann häng, in einen Dialog tritt mit Robert Longo, völlig. Und darum liebe ich diese und vergleichbare Ausstellungen. Sie erlauben uns immer wieder einen überraschenden, einen neuen Blick auf bekannte Werke.“


Robert Longo: Namenlos  (Foto: ČTK)
Die Ausstellung „Monet – Warhol. Meisterwerke aus dem Albertina-Museum und der Sammlung Batliner“ ist bis 7. Januar 2011 im Prager Messepalast im Stadtteil Holešovice zu sehen. Geöffnet ist täglich außer Montag von 10 bis 18 Uhr. Nähere Informationen dazu finden Sie auf den Internetseiten der Nationalgalerie unter: http://www.ngprague.cz/en