Prager Neustadt – von Karl IV. geplant und einzigartig im Mittelalter
Kaum eine andere Persönlichkeit hat das Antlitz von Prag so geprägt wie er: Karl IV. verwandelte die Stadt an der Moldau in ein blühendes Zentrum des Handels, der Kultur und der Bildung. Prag sollte eine repräsentative Metropole des Heiligen Römischen Reichs sein. Deswegen wurde auf dem Hradschin intensiv gebaut. Im Schatten dieses Vorhabens steht aber die Gründung der Prager Neustadt durch Karl IV.
Symbolische Verbindung mit europäischen Städten
Die Neustadt umfasste eine Fläche von rund 250 Hektar. Sie war etwa doppelt so groß wie die Prager Altstadt. In Nord-Süd-Richtung hatte sie eine Ausdehnung von rund 5 Kilometern, in Ost-West-Richtung von 800 Metern bis zu 1,2 Kilometern. Die Stadtmauer der Neustadt begann beim Vyšehrad. Seine Befestigung wurde damals gerade erneuert. Die Stadtmauer führte von dort entlang des Steilabfalls am Bach Botič bis zum höchsten Hügel in der Umgebung. Dort wurde später der Karlshof / Karlov mit der Kirche der Jungfrau Maria und Karls des Großen errichtet. Beachtenswert seien nicht nur die Zahlen und die Fläche der Neustadt, sagt Kučera, sondern auch die Symbolik:
„Denn Karl IV. gründete in der Neustadt zehn Kirchen und Kirchenareale. Jede der Kirchen hatte eine spezifische Aufgabe. Die Orte, an denen die Kirchen erbaut wurden, und die Heiligen, denen sie geweiht waren, wurden nicht zufällig gewählt. Die Sakralbauten waren mit Ravenna, Rom oder Mailand verbunden. Die symbolische Verbindung mit anderen europäischen Städten geriet jedoch mit der Zeit in Vergessenheit. Aber eben diese Symbole sollten Prag in das ideelle neue Jerusalem – ein Zentrum des christlichen Abendlands – verwandeln. So hat es Karl IV. vermutlich geplant.“ Es ist schwierig zu beschreiben, wie Prag zu Karls Zeiten ausgesehen hat. Denn das älteste Bild von Prag stammt von 1493, sagt Architekt Kučera. In der Ausstellung findet man trotzdem einige Zeichnungen, die dem Besucher das Prag des 14. Jahrhunderts näher bringen.„Bei der Arbeit an diesem Projekt entstanden zahlreiche Skizzen, mit denen wir versuchten zu zeigen, wie die mittelalterliche Neustadt aussah, wie sie funktionierte und was für Dimensionen die neuen Sakralbauten hatten. Wir haben die Skizzen mit Historikern und Denkmalschutzexperten konsultiert, um möglichst präzise zu sein.“
Bewohner von Steuern befreit
Das Vorhaben, die Prager Städte um die Neustadt zu erweitern, gab Karl IV. in einer Urkunde vom 3. April 1347 bekannt. Die Gründungsurkunde der Prager Neustadt wurde am 8. März 1348 herausgegeben. In einem anderen Dokument vom selben Tag ordnete der Herrscher an, dass innerhalb eines Jahres die ‚lauten‘ Handwerker wie Wagner oder Schmiede in die Neustadt umziehen sollen. Die neuen Einwohner wurden für zwölf Jahre von den Steuern befreit. Die Beweggründe für die großzügig geplante Stadtanlage seien klar, meint Petr Kučera:„Für Karl IV. war Prag aus einigen Gründen wichtig. Erstens war Prag der Sitz der Dynastie der Luxemburger. Es war notwendig, den Aufstieg der Luxemburger zu zeigen. Zweitens sollte Prag zur repräsentativen Hauptstadt des Königreichs Böhmens sowie des Heiligen Römischen Reichs werden. Die Neustadt entstand also aus persönlichen und staatlichen Gründen.“
Vor der Entstehung der neuen Stadtanlage bestand Prag aus der Altstadt und der heutigen Kleinseite und dem Hradschin. Vor der Stadtmauer der Altstadt gab es Wiesen, Gärten und Felder, die dem Orden der Kreuzherren mit dem roten Stern gehörten. Vor der Stadtmauer – beispielsweise in Na Poříčí oder Podskalí – lebten auch deutsche Kaufleute, erzählt der Architekt.„Karl IV. hat die bestehenden Siedlungen zwischen der Altstadt und dem Vyšehrad, den Vyšehrad selbst und viele Grundstücke des Kreuzherrenordens in die Neustadt mit einbezogen. Er hatte die Vorstellung, dass sich die Altstadt mit der Neustadt in die sogenannte ‚Größere Prager Stadt‘(Větší Město pražské) zusammenschließen könnte. Diese sollte ein Gegenpol zur ,Kleineren Prager Stadt´ (Menší Město pražské) am linken Moldauufer sein. Die Größere Prager Stadt existierte jedoch nur zehn Jahre lang, dann zerfiel sie. Der Name der Kleineren Prager Stadt wurde durch den Begriff Kleinseite ersetzt. Diese Bezeichnung wird bis heute genutzt.“
Heilige Aureole Prags
In der Neustadt ließ Karl IV. insgesamt zehn Kirchen erbauen. Das Patrozinium der Kirchen sollte Prag mit anderen europäischen Städten verbinden.„Der heilige Apollinaris erinnert an die gleichnamige Kirche in Ravenna. Die Maria-Schnee-Kirche erinnert an dieselbe Kirche in Rom. Damit stärkte Karl IV. die heilige Aureole Prags. Dies wird auch in der Ausstellung beschrieben.“
„Es war ein Versuch, die östliche und westliche Kirche miteinander zu verbinden. Neben der Cosmas-und-Damian-Kirche ließ Karl IV. ein Kloster errichten und holte kroatische Benediktiner nach Prag. Sie haben im Kloster die slawische Liturgie benutzt.“
Mehr über das Kloster Emmaus sowie andere Sakralbauten, die Karl IV. in Prag bauen ließ, werden wir in den nächsten Ausgaben des Spaziergangs durch Prag bringen. Die Ausstellung über die Prager Neustadt ist auf dem oberen Teil des Wenzelsplatzes zu sehen, und zwar bis Anfang Juni.