Prager Neustadt – von Karl IV. geplant und einzigartig im Mittelalter

Foto: milada13, CC BY-SA 3.0

Kaum eine andere Persönlichkeit hat das Antlitz von Prag so geprägt wie er: Karl IV. verwandelte die Stadt an der Moldau in ein blühendes Zentrum des Handels, der Kultur und der Bildung. Prag sollte eine repräsentative Metropole des Heiligen Römischen Reichs sein. Deswegen wurde auf dem Hradschin intensiv gebaut. Im Schatten dieses Vorhabens steht aber die Gründung der Prager Neustadt durch Karl IV.

Altstadt  (Foto: Martina Schneibergová)
In der Zeit, als Karl IV. 1333 nach Böhmen zurückgekehrt ist, bestand Prag aus drei Städten. Sie befanden sich zwischen zwei Burgen – der Prager Burg und dem Vyšehrad – an den beiden Moldauufern. Sie waren durch die romanische Judith-Brücke miteinander verbunden. Bald nach seiner Ankunft fing Karl an, die Prager Burg wiederaufzubauen, die 1303 durch einen Brand beschädigt wurde. Gemeinsam mit seinem Vater Johann von Luxemburg, seinem jüngeren Bruder Johann Heinrich und dem ersten Prager Erzbischof Arnošt von Pardubice (Ernst von Pardubitz) legte er 1344 den Grundstein für den Bau des Veitsdoms. Karl IV. ließ 1357 auch eine neue Steinbrücke über die Moldau errichten. Sie sollte die durch Hochwasser zerstörte Judithbrücke ersetzen. Wahrscheinlich im Zusammenhang mit seiner Krönung zum römisch-deutschen Kaiser am 26. November 1346, entschied sich der Herrscher eine neue Stadtanlage zu bauen. Er wollte nicht nur die existierende Altstadt erweitern, sondern die Prager Neustadt als eine unabhängige Königstadt mit eigener Rechtsordnung schaffen. Architekt Petr Kučera organisierte eine Ausstellung über die Gründung der Prager Neustadt. Diese ist auf dem Wenzelsplatz zu sehen.

Petr Kučera  (Foto: Martina Schneibergová)
„Die Prager Neustadt war die größte im mittelalterlichen Europa gegründete Stadtanlage. Dank der Neustadt ist Prag hinsichtlich der Fläche die drittgrößte Stadt Europas geworden – nach Rom und Konstantinopel. Die Grundstücke in der Neustadt waren für die damalige Zeit sehr groß, die Straßen ungewöhnlich breit. Die Straßen in Paris oder in Florenz waren im Mittelalter etwa 13 Meter breit. Dagegen ist die heutige Jindřišská-Straße schon seit dem Mittelalter gut 27 Meter breit. Der Wenzelsplatz ist der erste europäische Boulevard. Die Neustadt war in der Zeit ihrer Gründung wirklich einzigartig.“

Symbolische Verbindung mit europäischen Städten

Die Neustadt umfasste eine Fläche von rund 250 Hektar. Sie war etwa doppelt so groß wie die Prager Altstadt. In Nord-Süd-Richtung hatte sie eine Ausdehnung von rund 5 Kilometern, in Ost-West-Richtung von 800 Metern bis zu 1,2 Kilometern. Die Stadtmauer der Neustadt begann beim Vyšehrad. Seine Befestigung wurde damals gerade erneuert. Die Stadtmauer führte von dort entlang des Steilabfalls am Bach Botič bis zum höchsten Hügel in der Umgebung. Dort wurde später der Karlshof / Karlov mit der Kirche der Jungfrau Maria und Karls des Großen errichtet. Beachtenswert seien nicht nur die Zahlen und die Fläche der Neustadt, sagt Kučera, sondern auch die Symbolik:

Karlov / Karlshof  (Foto: milada13,  CC BY-SA 3.0)
„Denn Karl IV. gründete in der Neustadt zehn Kirchen und Kirchenareale. Jede der Kirchen hatte eine spezifische Aufgabe. Die Orte, an denen die Kirchen erbaut wurden, und die Heiligen, denen sie geweiht waren, wurden nicht zufällig gewählt. Die Sakralbauten waren mit Ravenna, Rom oder Mailand verbunden. Die symbolische Verbindung mit anderen europäischen Städten geriet jedoch mit der Zeit in Vergessenheit. Aber eben diese Symbole sollten Prag in das ideelle neue Jerusalem – ein Zentrum des christlichen Abendlands – verwandeln. So hat es Karl IV. vermutlich geplant.“

Foto: Martina Schneibergová
Es ist schwierig zu beschreiben, wie Prag zu Karls Zeiten ausgesehen hat. Denn das älteste Bild von Prag stammt von 1493, sagt Architekt Kučera. In der Ausstellung findet man trotzdem einige Zeichnungen, die dem Besucher das Prag des 14. Jahrhunderts näher bringen.

„Bei der Arbeit an diesem Projekt entstanden zahlreiche Skizzen, mit denen wir versuchten zu zeigen, wie die mittelalterliche Neustadt aussah, wie sie funktionierte und was für Dimensionen die neuen Sakralbauten hatten. Wir haben die Skizzen mit Historikern und Denkmalschutzexperten konsultiert, um möglichst präzise zu sein.“

Bewohner von Steuern befreit

Karl IV.
Das Vorhaben, die Prager Städte um die Neustadt zu erweitern, gab Karl IV. in einer Urkunde vom 3. April 1347 bekannt. Die Gründungsurkunde der Prager Neustadt wurde am 8. März 1348 herausgegeben. In einem anderen Dokument vom selben Tag ordnete der Herrscher an, dass innerhalb eines Jahres die ‚lauten‘ Handwerker wie Wagner oder Schmiede in die Neustadt umziehen sollen. Die neuen Einwohner wurden für zwölf Jahre von den Steuern befreit. Die Beweggründe für die großzügig geplante Stadtanlage seien klar, meint Petr Kučera:

„Für Karl IV. war Prag aus einigen Gründen wichtig. Erstens war Prag der Sitz der Dynastie der Luxemburger. Es war notwendig, den Aufstieg der Luxemburger zu zeigen. Zweitens sollte Prag zur repräsentativen Hauptstadt des Königreichs Böhmens sowie des Heiligen Römischen Reichs werden. Die Neustadt entstand also aus persönlichen und staatlichen Gründen.“

Vyšehrad | Foto: Kristýna  Maková,  Radio Prague International
Vor der Entstehung der neuen Stadtanlage bestand Prag aus der Altstadt und der heutigen Kleinseite und dem Hradschin. Vor der Stadtmauer der Altstadt gab es Wiesen, Gärten und Felder, die dem Orden der Kreuzherren mit dem roten Stern gehörten. Vor der Stadtmauer – beispielsweise in Na Poříčí oder Podskalí – lebten auch deutsche Kaufleute, erzählt der Architekt.

„Karl IV. hat die bestehenden Siedlungen zwischen der Altstadt und dem Vyšehrad, den Vyšehrad selbst und viele Grundstücke des Kreuzherrenordens in die Neustadt mit einbezogen. Er hatte die Vorstellung, dass sich die Altstadt mit der Neustadt in die sogenannte ‚Größere Prager Stadt‘(Větší Město pražské) zusammenschließen könnte. Diese sollte ein Gegenpol zur ,Kleineren Prager Stadt´ (Menší Město pražské) am linken Moldauufer sein. Die Größere Prager Stadt existierte jedoch nur zehn Jahre lang, dann zerfiel sie. Der Name der Kleineren Prager Stadt wurde durch den Begriff Kleinseite ersetzt. Diese Bezeichnung wird bis heute genutzt.“

Heilige Aureole Prags

Maria-Schnee-Kirche  (Foto:K. Maková)
In der Neustadt ließ Karl IV. insgesamt zehn Kirchen erbauen. Das Patrozinium der Kirchen sollte Prag mit anderen europäischen Städten verbinden.

„Der heilige Apollinaris erinnert an die gleichnamige Kirche in Ravenna. Die Maria-Schnee-Kirche erinnert an dieselbe Kirche in Rom. Damit stärkte Karl IV. die heilige Aureole Prags. Dies wird auch in der Ausstellung beschrieben.“



Kloster Emmaus  (Foto: Martina Schneibergová)
Neben Kirchen gründete Karl IV. auch einige Klöster. Eine besondere Stellung hatte das Kloster Emmaus, das auch slawisches Kloster genannt wird. Es sei eine Brücke zwischen Ost und West gewesen, sagt der Architekt:

„Es war ein Versuch, die östliche und westliche Kirche miteinander zu verbinden. Neben der Cosmas-und-Damian-Kirche ließ Karl IV. ein Kloster errichten und holte kroatische Benediktiner nach Prag. Sie haben im Kloster die slawische Liturgie benutzt.“


Ausstellung über die Prager Neustadt  (Foto: Martina Schneibergová)
Mehr über das Kloster Emmaus sowie andere Sakralbauten, die Karl IV. in Prag bauen ließ, werden wir in den nächsten Ausgaben des Spaziergangs durch Prag bringen. Die Ausstellung über die Prager Neustadt ist auf dem oberen Teil des Wenzelsplatzes zu sehen, und zwar bis Anfang Juni.