Prager Oberbürgermeister abgewählt – Verstimmung bis in die Regierung
Die Demokratische Bürgerpartei (ODS) und die Partei Top 09 buhlen um dieselben Wählerschichten: um liberal oder konservativ denkende tschechische Bürger. Beide Parteien koalieren auf gesamtstaatlicher Ebene, unterstützt durch die Partei Lidem als Juniorpartner. In Prag aber ist die Zusammenarbeit am Ende: Die Top 09 ließ Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda von der ODS abwählen. Beim Sturz von Svoboda halfen die Sozialdemokraten, mit ihnen will die Top 09 jetzt die Geschicke der Hauptstadt führen. Deshalb hängt jetzt auch der Haussegen in der Regierungskoalition schief.
Wie schwer die Entzweiung der beiden rechtsgerichteten Parteien in Prag wiegt, zeigten die Reaktionen aus ODS und Top 09. Der entmachtete Oberbürgermeister gibt Vizepremier und Finanzminister Miroslav Kalousek die Schuld, die Fäden in der Hauptstadt gezogen zu haben. In die gleiche Kerbe schlug Premier Nečas, Parteichef der ODS:
„Die Abwahl des guten, kompetenten und anständigen Oberbürgermeisters Svoboda ist ein Fehler. Sie zeigt klar die Tendenz der Top 09 zu einer destruktiven und intriganten Politik. Da dieser Schritt offenbar mit Billigung der Parteispitze geschehen ist, lässt sich auch nicht ausschließen, dass dies gesamtstaatliche Folgen hat.“Nečas und weitere ODS-Politiker denken, die Top 09 will sich vor den Parlamentswahlen im kommenden Jahr als die stärkere Partei rechts der Mitte positionieren. Tatsächlich gehen bereits seit geraumer Zeit die Umfragewerte für die ODS in den Keller, wohingegen die Top 09 eher leicht zulegen konnte.
Doch diese Überlegungen verschleiern, dass es auch eine Reihe hausgemachter Probleme gibt, über die die Koalition letztlich gestolpert ist. Denn Prag ist die reichste Region des Landes, hier entsteht ein Viertel des Bruttoinlandsproduktes. Zugleich aber fehlen mehrere Milliarden Kronen im Haushalt der Stadt. Misswirtschaft ist das Stichwort. Dadurch sind wichtige Investitionen bedroht wie vor allem der Ausbau der Metro und der Kauf von neuen Straßenbahnen. 80 Milliarden Kronen (3,2 Milliarden Euro) soll dies kosten, doch die Verkehrsbetriebe sind auf Zuschüsse auf dem Stadtsäckeln angewiesen:„Dies ist eine Zeitbombe für die Prager Verkehrsbetriebe, das Unternehmen kann diese Bombe aber aus eigenen Mitteln nicht beseitigen lassen“, klagt der stellvertretende Oberbürgermeister Tomáš Hudeček; der Top-09-Politiker leitet nach der Abwahl von Svoboda geschäftsführend den Prager Stadtrat.
Ebenso aus dem Ruder gelaufen sind die Kosten für den Bau des Autotunnels Blanka, mithin der größte Tunnelkomplex, der in Tschechien jemals geschaffen wurde. Die endgültige Rechnung dafür ist noch nicht ausgestellt.
Hintergrund der Misswirtschaft sind häufig korrupte Strukturen, die sich in Prag über Jahrzehnte etabliert haben. Oberbürgermeister Svoboda hatte als erster Stadtvater versucht, diese Strukturen zu zerschlagen – eine Herkulesaufgabe. Viele politischen Beobachter hierzulande glauben, dass er auch daran gescheitert ist.