Prager Verkehrsbetrieb vor dem Bankrott - Mitarbeiter drohen mit Streik

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Er ist – nach Post und Eisenbahn - einer der größten Arbeitgeber des Landes. Bis zu drei Millionen Menschen nutzen jeden Tag seine Dienstleistungen: der Verkehrsbetrieb der Hauptstadt Prag, kurz DPP. Mit Schulden von zweieinhalb Milliarden Kronen, umgerechnet fast 100 Millionen Euro, steht das Unternehmen knapp vor dem finanziellen Kollaps. Das Girokonto ist mit einer halben Milliarde Kronen im Minus und mittlerweile gesperrt, fast 900 Millionen Kronen machen unbezahlte Rechnungen für neue Straßenbahnen aus. Stünden nicht 100 Prozent der Aktien im Besitz der Hauptstadt Prag, wäre der Verkehrsbetrieb wohl längst ein Fall für den Konkursrichter. Politiker und Management geben sich gegenseitig die Schuld an der Misere. Die Angestellten drohen indessen mit Streik. Patrick Gschwend hat mit Radio-Prag-Redakteur Daniel Kortschak über die Hintergründe gesprochen.

Verkehrsbetriebe-Chef Martin Dvořák  (links) und Oberbürgermeister Pavel Bém  (Foto: ČTK)
Daniel, die Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe drohen mit Streik, die Stadtpolitiker versuchen, in Verhandlungen den Protest abzuwenden. Wie ist der Stand der Dinge, droht Prag der Verkehrskollaps oder nicht?

"Nun, die Gewerkschaften haben mit dem eigens eingerichteten Krisenstab, der aus Stadtpolitikern, Vertretern des Verkehrsbetriebs und externen Experten besteht, verhandelt. Insidern zufolge soll es nicht sehr vornehm zugegangen sein; hinter den verschlossenen Türen war ein lautstarker Streit zu hören und Oberbürgermeister Pavel Bém hat kurz nach 10 Uhr eilig die Sitzung verlassen. Die Verhandlungen sind unterbrochen und sollen – wenn überhaupt - am Mittwoch fortgesetzt werden."

Die Streikdrohung ist also noch nicht vom Tisch. 2,5 Milliarden Kronen, oder 100 Millionen Euro ist eine Menge Geld. Wie kommt es denn dazu, dass der Verkehrsbetrieb innerhalb eines Jahres solche Schulden anhäuft?

"Das hat mehrere Gründe. Der gewichtigste ist, dass die Stadt beim Verkehrsbetrieb Leistungen im Wert von 9,1 Milliarden Kronen bestellt, aber nur 7,2 Milliarden Kronen bezahlt hat. Die Stadt wiederum rechnet vor, das private Busunternehmen weit billiger fahren, als die städtische Firma und fordert Kostensenkungen."

Stimmt das? Fahren die Privaten wirklich billiger?

"Ja, der gefahrene Bus-Kilometer kostet beim Prager Verkehrsbetrieb mehr, als bei der privaten Konkurrenz. Aber man muss auch die Qualität der Leistungen betrachten: Da gibt es zum Beispiel jene private Firma, die schon jetzt im Auftrag des Verkehrsbetriebs Busse einsetzt. In Anspielung an ihren ähnlich klingenden echten Namen wird sie von Insidern nur 'Schrottliner' genannt, was den Zustand der teilweise über 20 Jahre alten Gebrauchtwagen sehr treffend charakterisiert. Außerdem, so argumentiert der Verkehrsbetrieb, kümmert man sich um die Reinigung der Haltestellen, die Erstellung der Fahrpläne oder etwa den Betrieb der Leitstelle zum Störungsmanagement. Aber natürlich gibt es Dinge, über die man diskutieren kann, etwa darüber, warum alle Familienangehörigen der Angestellten des Verkehrsbetriebs Freifahrt genießen."

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Die Streichung dieser Privilegien ist ja eine Forderung der Stadt.

"Nicht nur das. Oberbürgermeister Bém verlangt auch Gehaltskürzungen von 30 Prozent für das Management. Verkehrsbetriebe-Chef Martin Dvořák hat schon angekündigt, dass er damit leben kann und auch auf die Auszahlung der Boni wollen die Führungskräfte verzichten. Aber für die übrigen Mitarbeiter wäre eine Gehaltskürzung – man spricht von sieben Prozent - natürlich ein schwerer Schlag. Denn ein Busfahrer verdient mit 26.000 Kronen brutto (1000 Euro) ohnehin schon um 3.000 Kronen weniger als der Durchschnitts-Prager. Und das bei einer Arbeit mit viel Stress, großer Verantwortung und unangenehmen Dienstzeiten."