Prague Writers´ Festival

Salman Rushdie

Verehrte Hörerinnen und Hörer "Wo es nur eine einzige Stimme gibt und alle anderen sind still, herrscht kein Friede". Dieser Satz des Autoren Salman Rushdie dient und als Leitfaden für unseren heutigen Kulturspiegel über das diesjährige Prague Writers´ Festival, zur Sendung heißt Sie Marcela Pozarek am Mikrophon herzlich willkommen.

An seinem Kultbuch "Die satanischen Verse" würde er auch heute keinen einzigen Satz ändern, stellte Salman Rushdie knapp fest und wischte damit den sensationslüsternen Presseleuten ihr gefundenes Fressen vom Tisch. Der diesjährige, bereits 11. Jahrgang des Mitte April in Prag veranstalteten Schriftstellerfestivals stand unter Primo Levis Motto:

"Wann, wenn nicht jetzt ? ". Themen wie Vergangenheitsbewältigung und Geschichtsreflexion wurden von verschiedensten Autoren beleuchtet und so äußerte sich beispielsweise Salman Rushdie pointiert über Meinungsfreiheit.

"Ich denke, dass Menschen heute immer sehr stark ihre Meinung verteidigen. Es scheint so, als herrsche diesbezüglich sogar ein gewisser Stolz in dem Augenblick, wo man felsenfest überzeugt, etwas verteidigt. Man muss aber bedenken, dass immer dann, wenn Menschen frei ihre Meinung sagen, es immer solche geben wird, die ganz anderer Ansicht sind. So ist die Verteidigung der Meinungsfreiheit immer auch die Verteidigung des Rechts, etwas sagen zu können, was andere nicht hören wollen, Demokratie ist keine friedvolle Angelegenheit, sondern immer sehr konfliktreich. Es gibt viele verschiedene Stimmen und Meinungen, die können zu Konflikten führen und das ist letztlich eine Definition von Frieden."

Eine buntgefächerte Palette von Stimmen, Impressionen, Erinnerungsfragmenten, einen hoffentlich schillernder Abglanz der Lesungen bieten wir Ihnen anhand von Gesprächen mit den Autoren Peter Stephan Jungk, Erica Pedretti, Daniel de Roulet und Robert Menasse, alle diese Autoren verbindet etwas ganz einfaches: Sie kamen, sahen diese Stadt und lasen. Manche mit sichtlichem Vergnügen am Publikum, denn Schreiben ist ja bekanntlich ein einsames Geschäft, wie Robert Menasse erzählte...

Wie es sich so liest vor versammelter Hörerschaft, hören Sie bei Zoe Jenny, die einen Ausschnitt aus ihrem bekannten Debutroman " Das Blütenstaubzimmer" präsentierte:

Aus ganz anderem literarischen Holz geschnitzt ist das vielschichtige Werk der Autorin Erica Pedretti, deren sogenannt heimatliche Wurzeln in der Tschechoslowakei liegen.

"Wider Erwarten in Prag. Anna war kurzentschlossen, trotz eines väterlichen Verbots, heimlich abgefahren, Nach dreißig Jahren, acht Monaten und dreiundzwanzig Tagen, nach dreißigjährigem Abzählen der Zeit steht sie beim Dunkelwerden wieder auf dem Hradschin und schaut, so wie am 1. Dezember 1945, auf die Stadt. Ein erster euphorischer Abend: "Zu schön, um wahr zu sein.." Und darauf ein schwieriger Tag."

Mit diesen Sätzen beginnt im Roman "Engste Heimat" das Kapitel mit der Überschrift "1976". Dazu die Autorin selbst...

Nichts davon wissen wollen, das war und ist eine weitverbreitete Geisteshaltung gegenüber verschiedensten Greueltaten der Geschichte, in Pedrettis konkretem Fall, der Vertreibung der Sudetendeutschen aus ihrem Heimatdorf, dem mährischen Sternberg....

Die Beschäftigung mit Vergangenem, Verlorenem schärft bei Pedretti den Blick auf die poröse Oberfläche der Realität. So hat sie nicht nur in ihren Romanen einen guten Riecher für Wendehälse aller Art. Aber eine Moral aus der Geschichte, aus allen Geschichten gibt es letztlich vielleicht doch nicht.

Auf den Spuren einer verlorenen Zeit in Prag bewegte sich anlässlich des Autorenfestivals auch Peter Stephan Jungk, Autor unter anderem einer wichtigen Franz Werfel Biografie:

Eine kuriose Stadtbesichtigung, zwecks Erkundung des Wirklichen absolvierte übrigens Daniel de Roulet. Ein Schriftsteller aus der französischsprachigen Schweiz und passionierter Marathonläufer, was sich als Stoff auch in seinem Werk niederschlägt. Daniel de Roulet wagte sich bei seinem ausgiebigen Laufprogramm auch in unbekanntere Prager Zonen vor.

Unseren heutigen Kulturspiegel über das Prague Writers´ Festival runden wir für heute mit einer Passage aus Erica Pedrettis Erzählung "Harmloses, bitte" ab:

"....ein Fahrrad sollte man haben, damit durch die Gegend radeln, ziellos, an den Strassenrändern knospen gelbgrün die Ebereschen, Primeln gelb in den Wiesen, wir fahren Strassen entlang, inspizieren den Frühling, erkunden diese Gegend wo wir sie noch nicht kennen, jagen einander durch die schallenden Räume...."

Autor: Marcela Pozarek
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