„Praxis aus der Ersten Republik“ – Begnadigungsverfahren in der Kritik

In der Tschechischen Republik hat der Staatspräsident durch die Verfassung das Recht, verurteilte Straftäter zu begnadigen. Vor einigen Tagen nun behauptete eine Frau, sich ihre Begnadigung erkauft zu haben. Die Frage, ob der Präsident käuflich ist, war relativ schnell vom Tisch. Die Causa löste aber eine generelle Debatte über die Kompetenzen des Präsidenten und die Modalitäten einer Begnadigung aus.

Lubomír Zaorálek
Am Dienstag erschien vor den Kameras des Tschechischen Fernsehens ein sichtbar empörter Sozialdemokrat und machte seinem Ärger über eine angeblich gekaufte Begnadigung Luft. Dabei verlangte der stellvertretende Parteivorsitzende Lubomír Zaorálek vor allem Aufklärung darüber, wie der Begnadigungsprozess abläuft:

„Wir wollen wissen: Wer schlägt eine Begnadigung vor, wer hat die Aufgabe, das auszuarbeiten? Wer war es, der dem Präsidenten diese Begnadigung empfohlen hat? War es Herr Weigl oder Herr Hájek? Oder Herr Jakl? Auf welche Art wird eine Begnadigung verhandelt? Und welche Haltung hat der Justizminister dazu?“

Hat sich Radka Kadlecová die Begnadigung gekauft?  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Die Debatte ausgelöst hatte der Fall einer Beamtin der Fremdenpolizei, die zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Sie hatte von Antragstellern für eine Aufenthaltsgenehmigung eine Extra-Gebühr verlangt. Ein Onkel hatte die Bitte an die Präsidentenkanzlei gerichtet, sie zu begnadigen – nach ihrer Freilassung berichtete sie, die Begnadigung sei gekauft. In die Schusslinie der Kritik ist nun der Beraterstab des Präsidenten geraten. Berater Ladislav Jakl weist die Anschuldigungen der Frau aber weit von sich:

„Ich weiß nicht, was sie gesagt hat. Ich möchte nicht über ihren Gesundheitszustand sprechen. Sie haben keine Aufnahme gehört, sie haben keine Aufzeichnungen darüber, ich habe keine, die Journalisten haben keine Beweise. Im Wesentlichen geht es doch um eine Zeitschrift, die jede Woche einen Eimer Schmutz über dem Präsidenten ausgießen möchte.“

Die renommierte Wochenzeitung „Respekt“ hatte mit einem Bericht die Angelegenheit ins Rollen gebracht, die nun aber in Überlegungen mündet, das Vorrecht des Präsidenten auf Begnadigungen einzuschränken. Das derzeitige Verfahren der Begnadigung sei eine Praxis, die noch aus der Ersten Republik stamme, so der Sozialdemokrat Zaorálek. Kritik an den Begnadigungen und vor allem am undurchsichtigen Genehmigungsverfahren übte aber nicht nur die Opposition, sondern auch die Koalitionspartei Top 09. Deren Fraktionsvorsitzender Petr Gazdík sagte dazu:

Petr Gazdík
„Es gibt Begnadigungen, die Fälle von Steuerhinterziehung in Höhe von fast einer halben Milliarde Kronen betreffen, und nun die Diskussion, ob die Ex-Polizistin nicht durch Zahlung von Bestechungsgeld frei gekommen ist. Schon in der Vergangenheit hat die Präsidentenkanzlei die Einzelheiten des Begnadigungsverfahren nicht bekannt gegeben.“

Die Partei Top 09 möchte nun eine Verfassungsänderung erreichen. Der nächste Präsident müsste dann bei Begnadigungen die Zustimmung der Regierung und insbesondere des Justizministers einholen. Damit stößt die Partei Top 09 in das gleiche Horn wie die Sozialdemokraten. Diese hatten bereits bei den Verhandlungen zur möglichen Direktwahl des Präsidenten eine Revision des Begnadigungsrechts ins Spiel gebracht. Der Direktor des Amtes für Staat und Recht der Akademie der Wissenschaften, Jan Bárta, lehnt eine Beteiligung der Regierung an den Begnadigungen aber ab. Seiner Meinung nach führe dies nur zu einer „Politisierung“ der Begnadigungen – besser sei es, wenn diese in der Verantwortung nur einer Person liegen.