Premier Gross: Außenpolitische Positionsbestimmung vor tschechischen Botschaftern

Cyril Svoboda (vorne) und tschechische Diplomatie (Foto: CTK)

Im Prager Außenministerium wurde am Montag ein Treffen Tschechischer Botschafter eröffnet. Cyril Svoboda, als Chef der Diplomatie sozusagen Hausherr und Gastgeber, trat im Rahmen der Veranstaltung mit einer Rede auf, ebenso wie der neue Premierminister Stanislav Gross, der bislang noch kaum durch außenpolitische Aussagen von sich reden machte. Fazit: Das Botschaftertreffen am Montag diente auch zu einer Art außenpolitischen Positionsbestimmung der neuen Regierung. Mehr von Gerald Schubert:

Cyril Svoboda  (vorne) und tschechische Diplomatie  (Foto: CTK)
Mit einer Stimme soll sie sprechen, die tschechische Außenpolitik. Das ist der Wunsch von Premierminister Stanislav Gross und gleichzeitig eine Art Minimalforderung an die tschechische Diplomatie. Gross, erst seit wenigen Wochen im Amt und mit seinen 34 Jahren der jüngste unter allen EU-Regierungschefs, hat bisher noch kaum außenpolitische Meriten erworben. Mit seiner Ansprache vor den tschechischen Botschaftern umriss er am Montag auch nur ungefähr seine Vorstellungen auf diesem Gebiet, und diese boten kaum Neues: Tschechien wolle ein vollwertiges Mitglied der EU sein, und freilich sollen die transatlantischen Beziehungen dabei keinesfalls gestört werden. Ausgewogen und aktiv solle die Außenpolitik des Landes sein, die Vokabel proamerikanisch oder proeuropäisch seien dabei unwichtig.

Gross hat damit indirekt angesprochen, wo es in der sozialliberalen Regierungskoalition sehr wohl Uneinigkeit gibt: Denn der christdemokratische Außenminister Svoboda tritt manchen sozialdemokratischen Parteifreunden des Regierungschefs oft zu USA-freundlich auf. Svoboda hat sich übrigens am Montag auch skeptischer gegenüber einem eventuellen EU-Beitritt der Türkei geäußert als Gross. Die eingangs beschworene Einstimmigkeit könnte also auch hier auf recht dünnem Eis stehen.

Stanislav Gross  (Foto: CTK)
Für eine Überraschung sorgte Gross mit einem eher innenpolitisch relevanten Vorschlag: Das Referendum über den EU-Verfassungsvertrag soll gleichzeitig mit den Parlamentswahlen, also voraussichtlich Mitte 2006, abgehalten werden. Dazu Ivo Slosarcik, Politologe am Institut für europäische Politik "Europeum":

"Ein eindeutig positiver Aspekt wäre die vermutlich hohe Wahlbeteiligung - jedenfalls eine höhere, als würde man das Referendum allein abhalten. Dadurch, dass dieses dann erst im Jahr 2006 stattfinden würde, stünde außerdem genug Zeit für eine Informationskampagne und eine breite Debatte über die Vor- und Nachteile der Verfassung zur Verfügung. Andererseits aber wäre die Tschechische Republik dann wahrscheinlich einer der letzten Staaten, in denen ein solches Referendum stattfindet. Das heißt: Wenn die Bürgerinnen und Bürger den Verfassungsvertrag ablehnen würden, dann gäbe es nachher nur noch wenig Zeit für die rechtliche und politische Behandlung der entstandenen Situation."

Das mögliche Kalkül von Gross: Ein Nein zum Verfassungsvertrag würde die jetzigen, proeuropäischen Regierungsparteien im Nachhinein nicht mehr schwächen. Und die oppositionelle ODS hätte im Wahlkampf vielleicht mehr Erklärungsbedarf: Denn sie tritt relativ EU-skeptisch auf, während ihre vorwiegend wirtschaftsliberalen Stammwähler paradoxerweise eher als Eurooptimisten gelten.