Proteste gegen Dauermisere im Bildungswesen nehmen zu

Gewerkschafter vor dem Prager Regierungsamt (Foto: CTK)

Seit Jahren wird von unterschiedlichen Seiten auf die katastrophale Situation des unterfinanzierten tschechischen Schulwesens hingewiesen, ohne dass eine Lösung in Sicht wäre. Daran konnten auch die regelmäßig in den Medien geführten Debatten über dieses Thema nichts Entscheidendes ändern. Nachdem es jahrelang bei Theorie blieb, wollen die Pädagogen jetzt aber nicht länger stillhalten und sich mit immer neuen Versprechen abspeisen lassen. In den vergangenen Wochen kam es mehrmals zu Protestkundgebungen, weitere Streiks sind geplant. Aktueller Hintergrund: die von der Regierung geplante Finanzreform, durch die sich die Lehrer und Professoren ein weiteres Mal betrogen fühlen.

Gewerkschafter vor dem Prager Regierungsamt  (Foto: CTK)
Seit Jahren wird von unterschiedlichen Seiten auf die katastrophale Situation des unterfinanzierten tschechischen Schulwesens hingewiesen, ohne dass eine Lösung in Sicht wäre. Daran konnten auch die regelmäßig in den Medien geführten Debatten über dieses Thema nichts Entscheidendes ändern. Nachdem es jahrelang bei Theorie blieb, wollen die Pädagogen jetzt aber nicht länger stillhalten und sich mit immer neuen Versprechen abspeisen lassen. In den vergangenen Wochen kam es mehrmals zu Protestkundgebungen, weitere Streiks sind geplant. Aktueller Hintergrund: die von der Regierung geplante Finanzreform, durch die sich die Lehrer und Professoren ein weiteres Mal betrogen fühlen.

Als hanba - Schande - bezeichnen etwa 1.500 Gewerkschafter, die am Montag vor dem Prager Regierungsamt protestierten, die geplante Finanzreform in ihrer jetzigen Gestalt. Der Vorsitzende der Schulgewerkschaften, Frantisek Dobsik, spricht den Anwesenden aus der Seele, als er festhält:

"Die Regierung sagt uns, dass die Staatskasse leer ist und wir das erneut verstehen müssen - zum wievielten Mal bereits und wie oft noch? Es war diese Regierung, die in ihrer Regierungserklärung 2002 den Bildungssektor zu ihrer Priorität erklärt und sich verpflichtet hat, die Lehrergehälter auf ein Niveau zu heben, das relativ vergleichbar mit dem in den EU-Ländern ist. Dies geschieht nicht."

Demonstrationen sind in Tschechien generell eher eine Seltenheit, und so wunderten sich die Organisatoren am Montag auch nicht über ihr im Vergleich zu westeuropäischen Ländern geringes Ausmaß.

"Sie sei, ehrlich gesagt, gekommen, um zu sehen, ob diese Forderungen eine breitere Unterstützung in der Gesellschaft finden, meint diese Lehrerin. Ob es bereits mehrere Menschen gibt, die sich das nicht mehr gefallen lassen wollen. Es seien immer noch zu wenige, und sie fürchte, dass jetzt über die Ferien bei vielen Menschen die Emotionen wieder abkühlen. Aber falls im September gestreikt werde, werde sie auch streiken."

Unbedingt müsse weiter protestiert werden, meint dieser Lehrer:

"Die größte Wirkung hätte es, wenn am 1. September wirklich die Schulen geschlossen bleiben und die Streiks fortgesetzt werden. Ob ich selbst streiken würde? - Ganz sicher."

Zu Streikaktionen am Beginn des kommenden Schuljahres, dem 1. September, hatte unlängst die Universität Olomouc/ Olmütz aufgerufen, sollte es bis dahin nicht gelingen, die Regierung doch noch zu einer Änderung der Reform zu bringen. Als radikalste Vertreterin der jüngsten Protestbewegung ist die Alma mater in Olomouc zu einer Art Wortführerin geworden. Anfang Juni hatte es an der Olmützer Uni einen einstündigen Warnstreik gegeben - erstmals in der Geschichte der tschechischen Hochschulen überhaupt. Weiter haben Olmützer Hochschullehrer im Februar eine an die Regierung gerichtete Petition verfasst - unter dem Motto: "Rechnet mit uns". In ihr werden Regierung und Parlament aufgefordert, eine neue Position zur Bildung und insbesondere zum Hochschulwesen einzunehmen und dessen Re-Strukturalisierung entschieden voranzutreiben. Unterschrieben haben bislang etwa 60 Fakultäten aus der gesamten Tschechischen Republik. Einer der Initiatoren der Petition ist Petr Bilik von der Philosophischen Fakultät. Er warnt vor ernsthaften wirtschaftlichen Folgen, wenn die Politiker sich die Reform des Hochschulwesens nicht schleunigst zu Herzen nehmen. Konkret sollte das seiner Meinung nach folgendes bedeuten:

"Das ist ziemlich einfach: Wir haben uns sowohl mit dem Schulministerium als auch mit der Rektorenkonferenz als auch mit denjenigen, die uns unterstützen, darauf geeinigt, dass das Hochschulressort 5 Milliarden Kronen für seine Re-Strukturalisierung braucht. Damit die Unis besser funktionieren, die Pädagogen besser motiviert sind und überhaupt die Qualität unserer Hochschulen steigt und nicht fortwährend sinkt wie es gegenwärtig der Fall ist."

Als eine zumindest teilweise Lösung der Finanzkrise an den tschechischen Hochschulen wird seit einiger Zeit auch die Einführung von Studiengebühren diskutiert. In der sozialdemokratisch dominierten Regierungskoalition hat sie bislang zwar keine Aussicht auf Erfolg, an einigen Hochschulen hingegen wird diese Möglichkeit ernsthaft erwogen. Dass man in Tschechien längerfristig nicht ohne Studiengebühren auskommen wird, da deren Erhebung ein weltweiter Trend ist, zu diesem Schluss kamen die Teilnehmer einer internationalen Konferenz über die Finanzierung des Hochschulwesens, die vergangene Woche in Prag stattfand. Organisator Marc S. Ellenbogen von der Prague Society

"Jemand, der für sein Studium bezahlt, tendiert anders damit umzugehen als ein Mensch, der nicht dafür bezahlt. Ich denke, für uns ist nicht die Frage, ob solche Gebühren erhoben werden sollten. Sie sollten es. Nur ist die Frage, wo ist das Gleichgewicht zwischen den entstandenen Gebühren, damit ein Mensch, der aus der Universität heraus kommt, quasi keine Hypothek auf seinem Leben hat. Und das ist, glaube ich, die Frage."

Weil dieses Gleichgewicht jedoch noch in weiter Ferne ist, hält Petr Bilik von der Universität Olomouc Studiengebühren in der gegenwärtigen Situation für völlig indiskutabel:

"Die heutige tschechische Gesellschaft befindet sich in einer Situation, wo Lehrer mit Hochschulabschluss keinerlei Chancen haben, das, was sie in ihre Bildung investiert haben, zu verdienen. Wenn das ausgeglichen ist, können wir über Studiengebühren sprechen. Aber wenn man jetzt die ohnehin so unterbewerteten Studenten in irgendeiner Weise weiter belastet, haben sie wirklich keine Chance zu leben, ja zu überleben."

Damit Studiengebühren nicht zu Lasten der Studenten gehen, sollten künftig stärker private Initiativen auf den Plan gerufen werden, meint Marc Ellenbogen von der Prague society:

"Ich denke, man kann durchaus durch public-private Partnerschaften sehr viel bewegen: Die Finanzierung von Stiftungen, von Privatschulen - das sind so Bereiche, wo die Regierung sich auch ändern kann. Und Bildung und Gesundheitswesen sind nun einmal zwei Bereiche der Marktwirtschaft, wo die Regierung sich wehrt, sie zu privatisieren."

Einstweilen bleibt die Atmosphäre im Schulbereich erst einmal angespannt. Und sollte es hier nicht doch noch zu einem für beide Seiten akzeptablen Kompromiss kommen, bleiben die Schulen und Universitäten möglicherweise am 1. September tatsächlich geschlossen.