Psychologische Gutachten und neue Regeln für Verkäufer? Tschechien diskutiert über Waffenrecht

In Tschechien wird derzeit über ein neues Waffengesetz diskutiert. Anlass ist der Amoklauf eines Studenten an der Prager Karlsuniversität. Im Parlament eingebracht wurde der Gesetzesentwurf dabei schon vor dem Attentat.

Nach dem Amoklauf an der Prager Karlsuniversität haben sich in Tschechien viele Menschen die Frage gestellt, wie es möglich ist, dass ein Mensch legal acht Waffen besitzen kann – inklusive einer Schrotflinte und eines Selbstladegewehrs. Nur logisch, dass die Diskussion um das Waffenrecht hierzulande ins Rollen gekommen ist. So liegt bereits derzeit ein neuer Gesetzentwurf im Abgeordnetenhaus, mit ihm sollte das Waffen- und Munitionsrecht ab 2026 geändert werden. Die Novelle könnte nun aber noch einmal überarbeitet werden.

Illustrationsfoto: Brett Hondow,  Pixabay,  Pixabay License

Vorgesehen ist im bisherigen Entwurf unter anderem, dass Verkäufer von Waffen melden müssen, wenn ihnen ein Vorfall verdächtig erscheint. Die Händler halten von dieser Idee jedoch wenig.

„Für mich ist das absoluter Unsinn. Wenn ein Käufer wie bereits jetzt seine Erlaubnis von der Polizei mitbringt, wurde er doch bereits überprüft. Dass er dann eine, zwei oder drei Waffen kaufen kann, halte ich für vollkommen in Ordnung“, sagte Jiří Šebesta vom Verband der Waffen- und Munitionsproduzenten und -verkäufer (AOBP) in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks. Unklar sei zudem, was genau ein solcher „verdächtiger Einkauf“ sei. Denn dies lasse der Gesetzestext offen und nenne etwa keine konkrete Anzahl von Waffen oder Munition, ab der eine Meldepflicht bestehen würde. Ondřej Krátoška ist Sprecher des tschechischen Innenministeriums und verteidigt diese Regelung:

„Was genau eine verdächtige Übertragung von Waffen oder Munition ist, ist im Gesetz absichtlich nicht näher definiert. Es handelt sich um jedwede Tatsache, die anders ist, als es der Händler sonst gewohnt ist.“

Eine weitere Änderung, die der Gesetzentwurf vorsieht, besteht darin, dass Ärzte Zugang zum zentralen Waffenregister erhalten sollen, in dem sich Informationen über alle Halter einer Schusswaffe finden. So soll etwa überprüft werden können, ob Menschen mit einer geistigen Behinderung eine Erlaubnis zum Führen einer Waffe haben. Kritiker verweisen jedoch auf die überfüllten Praxen und die Belastung für die Psychiater, die bereits jetzt sehr hoch sei.

Martin Anders | Foto: Karlsuniversität Prag

Martin Anders ist Chefarzt an der psychiatrischen Klinik des Universitätskrankenhauses der Prager Karlsuniversität. Schon aktuell gebe es in seinem Feld Möglichkeiten, verdächtige Fälle zu melden, sagt er.

„Die Psychiatrie ist aber ein Fachgebiet, in dem es in erster Linie darum geht, den Patienten und Klienten zu helfen – nicht um Restriktionen zu schaffen“, betont Anders ebenso.

So würde eine Meldung das therapeutische Verhältnis zwischen Arzt und Patient stark ins Wanken bringen, meint der Psychiater und nennt ein Beispiel:

„In der letzten Zeit waren bei mir mehrere Patienten in Behandlung, die an Demenz litten und einen Waffenschein hatten. Sie waren Jäger, und bei solchen Menschen ist der Besitz einer Schusswaffe ein wichtiger Teil des Lebens. Sie abzugeben ist ein großer Schritt – und das muss mitbedacht werden. Bei einem meiner Patienten hat es ein halbes Jahr gedauert, ehe er einsah, dass er seine Waffe vielleicht nicht mehr zu Hause haben sollte.“

Im Zuge des neuen Waffengesetzes wird derzeit auch diskutiert, ob sich alle Antragsteller auf einen Waffenschein einer psychologischen Untersuchung unterziehen müssten. Bisher ist dies nicht von Nöten. Um zum Beispiel ein Selbstladegewehr zu bekommen, reicht es aus, etwa eine Mitgliedschaft in einem entsprechenden Sportverein, ein Führungszeugnis und einen Bescheid vom Hausarzt vorzuweisen. Damit kann dann ein Antrag bei der Polizei gestellt werden.

Vít Rakušan | Foto: Zuzana Jarolímková,  iROZHLAS.cz

Nun auch psychologische Tests einzuführen, hatte nach dem Amoklauf in Prag unter anderem Innenminister Vít Rakušan (Stan) gefordert. Bisher ist diese Regelung allerdings noch nicht in der Gesetzesnovelle vorgesehen. Und Martin Anders hält das für richtig.

„Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir Psychiater gemeinsam mit den Psychologen überhaupt diese große Zahl an Untersuchungen bewerkstelligen können. So eine wirklich gründliche Kontrolle dauert bis zu drei Stunden. Hinterher müssen sich die Ärzte beraten. Meiner Meinung nach haben wir dafür keine Kapazitäten.“

Abschließend hat Anders zudem noch einen weiteren Hinweis:

„Auch ein Psychiater ist kein Hellseher mit einer Glaskugel“, meint er. Die Menschen in seinem Berufsfeld könnten maximal Indizien aneinanderreihen, um mehr über das Leben eines Menschen zu erfahren, so der Chefarzt.

Autoren: Ferdinand Hauser , Martin Štorkán , Martina Mašková
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