Putin-Vorschlag zur Raketenabwehr schlug in Prag wie "Blitz aus heiterem Himmel" ein

George W. Bush mit Wladimir Putin (Foto: CTK)

Der G-8-Gipfel in Deutschland plätscherte aus tschechischer Sicht so vor sich hin und schien dem Land nicht viel Aufregendes zu bringen - bis der russische Präsident Wladimir Putin einen Gegenvorschlag zum in Mitteleuropa geplanten US-Raketenabwehrsystem aus der Tasche zog. Diese Offerte hat die tschechischen Politiker ziemlich unvorbereitet getroffen.

George W. Bush mit Wladimir Putin  (Foto: CTK)
Als US-Präsident George W. Bush am Dienstag von Prag aus zum G-8-Gipfel nach Heiligendamm aufbrach, da sprach der tschechische Regierungschef Mirek Topolanek noch einen Wunsch aus: Bush möge doch bitte den russischen Präsidenten Wladimir Putin von der Notwendigkeit des amerikanischen Raketenabwehrsystems in Mitteleuropa und damit auch von der in Tschechien geplanten US-Radaranlage überzeugen. Denn trotz der guten Beziehungen zur Weltmacht USA, wünsche man sich hierzulande - so Topolaneks Hintergedanke - auch keinen Zwist mit den einstigen Okkupanten aus Moskau. Umso überraschter zeigte sich Topolanek am Donnerstag, als Putin selbst die Initiative ergriff und den Vereinigten Staaten das Angebot machte, ein gemeinsames Raketenabwehrsystem mit einer Radaranlage in Aserbaidschan aufzubauen. Diese Offerte hat Topolanek zunächst mit Zurückhaltung aufgenommen.

"Ich denke, dass das ein Versuch von Wladimir Putin ist, Mitteleuropa als russische Einflusssphäre wiederzugewinnen. Ich weiß nicht, ob das ein solch entgegenkommender Einfall ist, wie er vermuten lässt. Wir haben noch keine näheren Informationen, daher will ich das momentan auch nicht kommentieren."

Vizepremier Alexandr Vondra
Grundsätzlich aber sei Putins Bereitschaft, mit US-Präsident George W. Bush über das umstrittene System zu verhandeln, ein Durchbruch, äußerten tschechische Politiker uniosono. "Ich begrüße die Möglichkeit einer breiteren Zusammenarbeit an diesem Projekt", sagte Verteidigungsministerin Vlasta Parkanova, und der außenpolitische Sprecher der in Prag mitregierenden Partei der Grünen (SZ), Ondrej Liska, betonte, das Angebot bestätige, dass es derzeit keinen "Kalten Krieg" gebe.

Am Freitag aber, als man in Tschechien den "Blitz aus heiterem Himmel", wie Parkanova den Putin-Vorschlag nannte, scheinbar verarbeitet hatte, kamen auch schon wieder kämpferische Töne aus der Moldaustadt. "Selbst wenn Gabala beiden Ländern dienen würde, sollte das US-Raketenabwehrsystem in Polen und Tschechien verwirklicht werden", sagte Vizepremier Alexandr Vondra und erklärte: "Aserbaidschan kann die mitteleuropäische Komponente nicht ersetzen, sondern nur ergänzen." Ähnlich sieht dies auch der langjährige Chef des tschechischen Generalstabs, Jiri Sedivy: "Russlands Vorschlag ist wohl ernst gemeint, macht eine mögliche Radaranlage in Tschechien aber nicht überflüssig." Außenminister Karel Schwarzenberg lobte grundsätzlich den Vorschlag, den Putin am Donnerstag am Rande des G8-Gipfels in Heiligendamm unterbreitet hatte: "Die Russen haben sich entschlossen, zu verhandeln, nicht zu drohen."

G8-Gipfel  (Foto: CTK)
Fazit also ist: Der Vorschlag des russischen Präsidenten hat die tschechischen Politiker auf dem falschen Fuß erwischt. Zur neuen Situation in der Raketenfrage nimmt auch die tschechische Tageszeitung "Lidove noviny" mit einem Kommentar in ihrer Freitag-Ausgabe Stellung. Darin heißt es unter anderem:

"Moskau hat wieder einmal überrascht. Wenn die bisher in Mittelböhmen geplante US-Radaranlage letztlich nicht dort stationiert werden würde, hätte die Prager Regierung trotzdem wegen ihrer Unterstützung des US-Projekts das Gesicht gewahrt. Und die tschechischen Gegner dieses Plans könnten feiern, ohne die Beziehungen zu Washington zu belasten. Es gibt aber ein großes Aber: Man kann kaum glauben, dass die USA den Russen nun so einfach in die Arme fallen werden. Eher ist anzunehmen, dass der Kampf um die US-Radarstation jetzt erst richtig begonnen hat."